Kommentar

Kein Selfie vom Titlis

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Warme Winter, hohe Preise und jetzt auch noch zuwenig Mobilfunk-Strahlung in den Bergen: Die Schweiz fällt zurück.

Wir sind – im Durchschnitt – die reichste Nation der Welt; das hat der «Global Wealth Report» der Grossbank Credit Suisse kürzlich wieder bestätigt. Und trotzdem fehlt es uns an Vielem. Zum Beispiel an Heizpilzen vor den Beizen, Schnee in den Alpen, afrikanischen Hotelgästen und jetzt auch noch an Mobilfunk-Kapazität.

Das führt dazu, dass der unter Logorrhö leidende Mensch im Abteil nebenan seinen krankhaften Redefluss auf der Zugfahrt von Zürich nach Bern mehrmals unterbrechen muss. Oder dass der Pornofilm auf dem Bildschirm meines handophilen Nachbars zuweilen flimmert.

Um diese weltbewegenden Ärgernisse zu beseitigen, verlangte die freisinnige Fraktion per Motion eine Entschärfung der Grenzwerte für ionisierende Strahlen mit dem Ziel, die Mobilfunk-Antennen mit mehr Funkkraft auszurüsten. Zu den glühenden Befürwortern der stärkeren Strahlung gehört der Nidwaldner Standesherr Hans Wicki. Und er fand dafür ein besonders gutes Argument: «Für den Tourismus ist eine hochstehende Versorgung mit Mobilfunkdiensten ein Muss», denn, sagte Wicki: «Wenn ein Engländer auf der Skipiste ein Selfie oder einen Videoclip mit dem Titlis im Hintergrund macht, dann möchte er diese selbstverständlich sofort posten.»

Wenn das «Sofort Posten» nicht funktioniert, ist das nicht nur für den Selfie-Produzenten ein Ärger, sondern auch für alle potenziellen Empfänger. Denn wir lechzen rund um die Uhr danach, die Fratzen unserer lieben Mitmenschen, sei es mit Titlis, Hundchen oder Frau im Hintergrund, in Echtzeit empfangen zu können. Doch leider hat der Ständerat diese «Muss»-Motion mit einer Stimme Mehrheit und gegen den Willen von Funkministerin Doris Leuthard abgelehnt. Statt mehr Selfies gibt es damit weiterhin weniger Mobilfunk-Strahlung. Der Staat trauert.


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