Sperberauge

Gefährder im eigenen Haus

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Monique Ryser /  Im Namen des Schutzes vor Terrorakten verlässt die Schweiz den Pfad des Rechtsstaates.

Clevere Taktik: Man fordert Präventivhaft, der Vorschlag wird abgelehnt, die Schlagzeile lautet «Nationalarat kippt Präventivhaft» und es geht das grosse Aufatmen durch das Land. Dass stattdessen Hausarrest bis zu neun Monaten beschlossen wurde, der auch für Kinder ab 15 Jahren gilt, scheint dann nicht mehr so schlimm. So geschehen letzte Woche im Nationalrat, der das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus behandelte. Dabei geht es um sogenannte Gefährder: Sie sollen künftig aufgrund des Verdachts, dass sie eine terroristische Tat planen, mit Zwangsmassnahmen wie Meldepflicht, Kontaktverbot, räumlicher Ein- und Ausgrenzung, Ausreiseverbot, elektronischer Überwachung und Mobilfunklokalisierung belegt werden. Polizeilich verordnet wohlgemerkt, nicht richterlich abgesegnet. Alle diese Massnahmen, ausser dem Hausarrest, sind bereits auf Kinder ab 12 Jahren anwendbar.

Bereits die Definition des «Gefährders» hat Kritik von der Menschenrechtsbeauftragten des Europarates hervorgerufen: «Das Fehlen einer klaren und präzisen Definition öffnet den Weg für eine breite Auslegung, die das Risiko von übermässigen und willkürlichen Eingriffen in die Menschenrechte birgt», warnte Dunja Mijatović.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hatte lautstark dagegen protestiert. Unter anderem, weil das Gesetz die Macht vom spezialisierten Jugendrichter in die Hände der Polizei verlagert. Auch der Sonderberichterstatter der UN-Organisationen für Religions- und Glaubensfreiheit, das UN-Hochkommissariat für den Schutz der Menschenrechte und der UN-Sonderberichterstatter gegen Folter hatten klar und deutlich gewarnt. Das hinderte aber weder den National- noch den Ständerat, der bereits im Mai darüber debattiert hatte, die Bedenken in den Wind zu schlagen. Letzte Woche forderte Links-Grün in einem letzten Versuch erfolglos, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen.
«Die Mehrheit des Parlaments foutiert sich offenbar um menschenrechtliche Standards», sagt Patrick Walder von Amnesty International Schweiz. «Eine Terrorbekämpfung, die den Rechtsstaat und die Grundrechte unterwandert, beschädigt die Glaubwürdigkeit der Schweizer Aussenpolitik und gefährdet im Inland die Sicherheit, die sie eigentlich gewährleisten will.» Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz ruft die ParlamentarierInnen dazu auf, als letztes Mittel, die Vorlagen in der Schlussabstimmung abzulehnen. In jedem Fall würden sie die Anwendung der Anti-Terror-Gesetze kritisch verfolgen und die Rechte von betroffenen Personen auch juristisch verteidigen, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), wie Amnesty ankündigt.


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2 Meinungen

  • am 22.06.2020 um 11:54 Uhr
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    Na da freue ich mich schon darauf, Fusfesseln zu beschädigen bis man eine richterliche Entscheidung braucht um mich wegzusperren. Weil ich die Corona App nicht benutze, und somit Leute gefährde. Oder keine Sim-Karte im Handy habe oder es nicht gerade auf mir trage. Oder weil ich wegen benutzung einer VPN «etwas Verheimlichen» möchte? Ferien nur noch im Inland mache? (Höchst verdächtig) Im Ausland könnte man doch um 3 Ecken herum kontakte zu einer «terroristischen Vereinigung» haben. Wer einem was unterstellen wil, hat doch heute schon mehr als genug Infos, um das zu tun. Die «Profiler» werden zu Erpressern. (Lukrativer Geschäftszweig oder Zweiteinkommen für Nachbarn). Muss man sich nun als «Dissident» irgendwo eintragen, um eine Meinung äussern zu dürfen, die evtl. nicht der Massenindoktrination entspricht? Nur zur Erinnerung: die meisten Verlage, die nicht unter Blochers Herrschaft stehen, gehören zu ausländischen Verlagsgruppen, und vertreten halt mehr/weniger verdeckt, Deren Interessen.

  • am 22.06.2020 um 15:17 Uhr
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    Der Schweizer Rechtsstaat ist immer weniger ein demokr. Rechtsstaat. Denn in der korrekten demokr. Gewaltenteilung stehen Spitzenpolitiker der Kapitalgewaltigen nicht ‹über› dem Rechtsstaat.

    Zu einem demokr. Rechtsstaat würde auch ein Rechnungshof u. ein möglichst unabhängiges Vefassungsgericht gehören u. nicht dass Parteipolitiker in der Bundesversammlung darüber entscheiden, was verfassungsgemäss ist und was nicht. Bestimmt Teile der Verfassung sind nicht antastbar, dürften auch nicht mit Mehr vom Volk geändert gelassen werden.

    Auch das Volksinitiativrecht wird zunehmend von den eh schon starken u. mächtigen Parteien instrumentalisiert, für Einzel-Interessen u. den weiteren indirekten Macht-Zuwachs.
    Eigentlich war das Volksinitativrecht mal für schwache u. kleinere Gruppenanliegen vorgesehen, die in der Legislative zu schwach oder noch gar nicht vertreten sind.

    Dass Gemeindepräsidenten bei privaten Einkommen über ca. 250’000 Fr einen Deal mit dem ‹Steuerpflichtigen gegenüber der Schweizer Gesellschaft› machen, spricht auch nicht für
    einen demokr. Rechtsstaat.
    Wo genau die Grenze in einzelnen Kantonen bei der Besteuerung von übermächtigen Kapitalgesellschaften liegen, wissen noch nicht mal die ungerecht benachteiligten KM-Unternehmer.
    Das Recht auf Transparenz wäre auch demokr. Recht, aber nicht dass das Verbergen rechtlich viel stärker geschützt wird.
    Intitutionen wird das Privileg der Gemeinützigkeit eingeräumt, was oft total ungerecht ist, z.B. FIFA, IOC.

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