ItalienundderEuro

Der für Italien zu starke Euro macht dem Land zu schaffen © cc

Der Euro zwingt Italien in eine ausweglose Sackgasse

Marc Friedrich /  Die EU hat Italien erlaubt, sich zusätzlich zu verschulden. Wie Griechenland wird Italien die Schulden nie zurückzahlen können.

Zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren hat die Europäische Zentralbank EZB diverse Programme zum Kauf von Staatsanleihen und Unternehmensanleihen aufgelegt. Sie hatten und haben das Ziel, die Märkte mit Geld zu versorgen und die Zinsen zu drücken. Dadurch sollten die Wirtschaft und die Inflation angekurbelt werden. Allein im Rahmen des Teilprogramms PSPP hat die EZB seit März 2015 Staatsanleihen im Wert von über 2’500 Milliarden gekauft. Mittlerweile ist die Bilanzsumme der EZB auf ein Rekordhoch von 4,66 Billionen Euro angestiegen. Dies entspricht irrsinnigen 41,6 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der kompletten Euro-Zone. Die EZB und somit auch indirekt die Bundesbank – welche zu 18,37 Prozent an der EZB beteiligt ist – sind dank des EZB-Kaufprogramms mittlerweile zum grössten Gläubiger der Euro-Staaten aufgestiegen.

Europäischer Gerichtshof hält den EZB-Wahnsinn am Laufen

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte nicht den Mumm, dem zum Scheitern verurteilten Treiben der EZB ein Ende zu setzen, sondern hat sich anstatt dessen aus der Affäre gezogen, indem es den Europäische Gerichtshof (EuGH) um eine rechtliche Bewertung gebeten hat. Das Bundesverfassungsgericht vermutete, das Programm könnte das Mandat der EZB sowie Zuständigkeiten der EU-Staaten verletzen. Die Kläger kritisieren, dass die EZB durch das Kaufprogramm die Staatsverschuldung massiv finanziert.

Laut dem Urteil (EuGH C-493/17) des obersten EU-Gerichts sind die in grosssem Stil getätigten Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) rechtens. Die EZB verstosse damit nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung und nicht gegen ihr Mandat. Dem EuGH zufolge gibt es am Kaufprogramm nichts zu beanstanden, denn die EZB habe als oberste Prämisse die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten und eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent zu erreichen. Dafür seien die Anleihenkäufe gerechtfertigt. Ferner würden keine Staaten bevorzugt. Das Kaufprogramm sei nach den Finanzierungsbedürfnissen der Länder ausgerichtet und die Käufe erfolgten über einen festgelegten Schlüssel. Der Kauf von Papieren mit einem hohen Risiko sei nicht erlaubt.
Die massenweisen Ankäufe sind nun rechtens, aber sie sind irre, da sie die volkswirtschaftliche Schadensmaximierung vorantreiben. Es führt dazu, dass weiterhin an einer Währung festgehalten wird, die unserer Prognosen nach zum Scheitern verurteilt ist.

Die Realität in Italien nicht verdrängen

Im Folgenden einige Fakten, welche für den EU-Gerichtshof offensichtlich nicht das nötige Gewicht hatten. Italien beispielsweise kommt nicht aus der Krise heraus. Das Land leidet weiter unter hoher Arbeitslosigkeit, extrem hoher Jugendarbeitslosigkeit und ist verschuldet bis unter das Dach. Dennoch kann sich das Land dank der EZB und der Mitgliedschaft in der Eurozone wesentlich günstiger weiter verschulden als vor 20 Jahren. Dies ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn.


Die Rendite von Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren sank von 4,5 Prozent Mitte 2008 und über 6 Prozent im Jahr 2012 auf gegenwärtig rund 2 Prozent. Entsprechend günstig kann sich Italien neu verschulden. Grössere Auflösung der Grafik hier.
Das Land wird mit immer niedrigeren Zinsen dafür belohnt, dass die Verschuldung exorbitant steigt und die Umsätze der Industrie mittlerweile auf das Niveau von vor knapp 20 Jahren sank. Ohne die Staatsanleihen-Käufe der EZB müsste Italien für neue Anleihen so hohe Zinsen zahlen, dass das Land längst bankrott ginge.

Bis 1996 gab es für eine DM fast jedes Jahr mehr Lira. Als Mitglied der Euro-Zone kann Italien seine Währung nicht mehr abwerten wie vorher zu Lirazeiten. Die Folgen sind tiefe Löhne, prekäre Arbeit, Unterbeschäftigung, Abwanderung und Arbeitslosigkeit. Ähnliches gilt für Griechenland, Portugal und Spanien. Grössere Auflösung hier.

Die EZB wird weiter Geld drucken

Am 13.12.2018 beschloss die EZB, ihr Aufkaufprogramm von Staats- und Unternehmensanleihen zu beenden. Verbunden ist damit jedoch keine geldpolitische Wende, denn die Zinsen werden weiter im Keller bleiben. Es stellt sich die Frage, wer in Zukunft all die Anleihen-Schuldscheine der überschuldeten Staaten kauft.

  1. Für italienische Staatsanleihen finden sich vorläufig ausser der EZB und italienischen Banken, die von der EZB nicht unerheblich am Leben erhalten werden, keine Interessenten.
  2. Wer die Staatsanleihen oder Anleihen von Staatsbetrieben von Ländern wie beispielsweise Italien jemals der EZB abkaufen soll, steht in den Sternen. Statt Schulden zurückzunehmen und abzubauen, haben fast alle Industriestaaten ihre Staatsverschuldung seit der letzten Finanzkrise ständig weiter erhöht. Folglich wird die EZB den grössten Anteil des ausgegebenen Geldes voraussichtlich niemals wieder sehen.

Anstatt die italienischen Staatspapiere wieder los zu werden, wird die EZB spätestens beim Rückzahlungstermin dieser Milliardenanleihen im Jahr 2020 und 2021 wieder zugreifen müssen. Die EZB wird dann mindestens 170 Milliarden Euro pro Jahr in die Hand nehmen müssen. Damit nicht genug. Bald werden marode Banken jede Menge Geld von der EZB benötigen – und das nicht nur in Italien, sondern auch im brodelnden Frankreich und selbstredend im bankrotten Griechenland, aber sogar in Deutschland.

Immoblien- und Aktienbesitzer profitierten, während Sparer enteignet und Junge benachteiligt werden

Die EZB hat unter der Ägide Mario Draghis mit ihrer waghalsigen Politik („Whatever it takes“) erreicht, dass in Deutschland die Immobilien- und Aktienmärkte explodiert sind, Wohnen zum Luxus geworden ist, die Reichen noch reicher geworden sind, Sparer wegen der niedrigen Zinsen und der Inflation von 2 Prozent enteignet werden, jungen Menschen die Möglichkeit einer adäquaten Altersvorsorge genommen wird und solide wirtschaftende Banken wie Volksbanken, Raiffeisenbanken und Sparkassen sukzessive zerstört werden. Fakt ist: Super-Mario hat mit seinen Worten damals die Eurokrise beendet, aber nicht gelöst, sondern lediglich in die Zukunft verschoben und weiter aufgebläht.

Wann werden die Euro-Befürworter endlich erkennen, dass der Euro viel zu schwach für Deutschland und viel zu stark für Südeuropa ist, und dass sich dieser Sachverhalt auch nicht ändern wird. Wann werden sie den teuren Fehler eingestehen und die Verarmung der EU-Bürger beenden? Europa zerstört Europa, anstatt es zu einen!
Brauchen wir weitere gelbe Westen in ganz Europa?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die beiden Ökonomen Matthias Weik und Marc Friedrich sind Inhaber der von Banken und Finanzunternehmen unabhängigen Vermögenssicherung (haftungsbeschränkt).
Friedrich und Weik haben gemeinsam folgende vier Bücher geschrieben:

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6 Meinungen

  • am 26.12.2018 um 12:11 Uhr
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    Schulden muss man nicht zurückzahlen, sondern bedienen (teilamortisieren und verzinsen) können. Und genau dazu ist Italien nicht in der Lage. Sie brauchen auch dazu immer wieder Kredit.

  • am 26.12.2018 um 13:31 Uhr
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    Und wieder machen die Herren Weik und Friedrich Werbung für die Untergangsliteratur, die sie feilbieten. Und wieder sind sie stark in düsteren Prognosen und schwach in der Analyse. Als «emotionale Textbomben» hat ein anderer Leser die Ergüsse der «Experten» an anderer Stelle bezeichnet. Ich pflichte ihm bei.

    Die beiden Herren lamentieren, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe «nicht den Mumm» hatte, dem angeblich zum Scheitern verurteilten Treiben der EZB ein Ende zu setzen. Hätten die beiden eine Ahnung würden sie wissen, dass das kritisierte Gericht gar nicht befugt ist ein Urteil zu fällen. Hätten die beiden eine Ahnung, würde sie das Urteil des europäischen Gerichtshofes nicht überraschen.

    Die geltende, neoliberale, allein der «Wettbewerbsfähigkeit» verpflichtete Wirtschaftspolitik ist problematisch. Es gibt diverse kompetente Kritiker, deren Stimmen Gehör verdient. Weik und Friedrich gehören nicht dazu.

  • am 26.12.2018 um 14:24 Uhr
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    Eine vorzügliche Analyse der Wirtschaftssituation in Italien. Sie weist auch auf die Problematik, ökonomische bzw. finanzielle Fälle dem EuGH zu überlassen. Liesst man nämlich die verfügbaren vierzehn Lebensläufe der 26 Richter und Richterinnen am euGH fällt einem auf, dass sie zwar hervorragende juristische Laufbahnen haben, aber bis auf zwei scheinbar keine Erfahrung in diesen zwei Bereiche besitzen. (Soweit ersichtlich sind die Ausnahmen die italienische Richterin Lucia Serena Rossi, mit 4 Jahren als Forscherin am Wirtschaftsberatungsunternehmen Nomisma, und die rumänische Richterin Camelia Toader, mit einer Gastprofessur an der Wirtschaftsuni Wien.) Die Richter müssen sich also auf externe Berater verlassen; würden sich diese gegen die EZB stellen?
    Ärgerlich beim Artikel ist, wie so oft, das Fehlen von Lösungsvorschlägen. Warum z.B. nicht die Lire als Zweitwährung einführen? Ob das gegen EU-Richtlinien verstossen würde kann ich nicht beurteilen (wundern würde mich das nicht), doch mit dieser Massnahme würde sich die Binnenwirtschaft erholen und die Produktivität des Landes erhöhen, mit einem entsprechenden Schubeffekt auf die Aussenwirtschaft. „Das Wunder von Wörgl“ liesse grüssen…

  • am 26.12.2018 um 17:12 Uhr
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    Dieses ganze Tun der EZB, nicht nur zu Italien, gerafft zusammengefasst:

    "Massive Konkursverschleppungen in astronomischen Schadenshöhen"

    Eigentlich in jedem EU-Land rechtlich eine Straftat!
    Vom EU-Gerichtshof gab es damit dazu genaugenommen sogar eine «Rechtsbeugung» beim Abnicken…

    Die Schweizer können nur froh sein, der EU nicht anzugehören!

    Werner Eisenkopf, Runkel/D.

  • am 28.12.2018 um 10:48 Uhr
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    Nachtrag: In „Fliessendes Geld für eine gerechtere Welt“ (Tectum Verlag, 2017) beschreibt Steffen Henke auf Seite 345, wie die zweite Währung in Form von Fliessendem Geld als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt werden könnte.
    Übrigens: Dieses Buch liefert m.E. die beste Antwort auf das gegenwärtige desaströse globale Finanzsystem, dessen Fehler zu den massiven Finanz- und Wirtschaftskrisen führen und die Vermögenden auf Kosten der Allgemeinheit noch reicher machen.

  • am 30.12.2018 um 11:53 Uhr
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    Die Verheissungen der gemeinsamen Währung haben sich in keiner Weise erfüllt. Die wirtschaftlichen Unterschiede innerhalb der Eurozone werden grösser, nicht kleiner. Von einem verstärkten politischen Zusammenhalt dank Euro ist nichts zu spüren. Die Metapher des «falling forward», gedacht in dem Sinne, dass aus Krisen gezwungenermassen eine «ever closer union» entstehen müsse, droht eine neue Bedeutung zu erhalten: Wer vorwärts fällt, fällt meist auf die Nase.
    Zum Hauptgrund für die Existenz des Euro wird immer mehr die Tatsache, dass ein Ausstieg so riskant ist.
    Die Griechenland-Krise hat gezeigt, dass ein wirtschaftlich schwaches Land ohne grosszügigen Schuldenerlass niemals aussteigen kann.
    Viel realistischer hingegen wäre ein Ausstieg eines wirtschaftlich starken Landes wie Deutschland. Verbleibende Schulden in Euro wären sowohl für den Staat als auch für Private kein Problem, denn eine neu geschaffene nationale Währung wäre stärker als der Euro.
    Eine vermehrte Ausrichtung der Politik der EZB an den Bedürfnissen der wirtschaftlich schwachen Länder könnte ein solches Szenario wahrscheinlicher machen.

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