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Martin Zimmermann, Präsident des Ensi-Rats vom 1. Januar - 30. Juni 2020 © Ensi

Persilschein für den Ex-Präsidenten der Atomaufsicht

Kurt Marti /  Das ist starker Tobak: Für den Bundesrat ist die Mitgliedschaft beim Nuklearforum «nicht zwingend» eine Interessenbindung.

Nur ein halbes Jahr nach seiner Wahl durch den Bundesrat kündigte Martin Zimmermann, der Präsident des Ensi-Rats, am 24. Juni 2020 seinen Rücktritt auf Ende Monat an. Damit reagierte der oberste Atomaufseher der Schweiz auf einen Artikel von Infosperber, der neun Tage zuvor erschienen war, aber auch auf drei Interpellationen im Nationalrat (Munz, Kälin, Clivaz).

Infosperber hatte über die atomare Vergangenheit des Präsidenten des Ensi-Rats berichtet, der für die Aufsicht des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) zuständig ist. Vom 1. April 2017 bis am 1. Januar 2020 sass Zimmermann im Ensi-Rat, und gleichzeitig war er Mitglied der Atomlobby-Verbände Nuklearforum und Schweizerische Gesellschaft der Kernfachleute (SGK).

Solche Interessenbindungen müssen laut den gesetzlichen Vorschriften vor der Wahl offengelegt werden. Doch dem Bundesrat waren diese Interessenbindungen «nicht bekannt», wie das eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) im Juni auf Anfrage von Infosperber bekanntgab. Zimmermann habe «die beiden Mitgliedschaften in den Jahren 2017 und 2019 gegenüber dem Generalsekretariat Uvek nicht ausgewiesen». 2018 seien die beiden Mitgliedschaften zwar gegenüber dem Generalsekretariat Uvek ausgewiesen worden, «diese wurden aber im Verzeichnis gemäss Art. 8k RVOG nicht erfasst».

Notabene: Laut der Ensi-Verordnung dürfen die Mitglieder des Ensi-Rats «in keiner Beziehung stehen, die den Anschein der Voreingenommenheit erwecken kann».

Atomlobby-Mitgliedschaft: «Nicht zwingend» eine Interessenbindung

Jetzt bestätigt der Bundesrat in seinen Antworten auf die drei Vorstösse seine Stellungnahme vom Juni: «Der Bundesrat hatte bei der Wahl von Herrn Zimmermann in den Ensi-Rat 2017 sowie bei dessen Wahl ins Präsidium 2019 keine Kenntnis von Herrn Zimmermanns Mitgliedschaften beim Nuklearforum und der Schweizerischen Gesellschaft der Kernfachleute (SGK).»

Worauf der Bundesrat in seinen Antworten nicht eingeht: Offenbar haben die zuständigen Uvek-Beamten Zimmermann nicht ausreichend durchleuchtet und auch nicht aktiv nach dessen Interessenbindungen gesucht, die im Internet einfach zu finden sind.

Dazu stellte der Tagesanzeiger vom 25. Juni 2020 die Frage: «War es nur ein Versehen, dass es Zimmermanns Offenlegung 2018 den Weg nicht in die offiziellen Register des Bundes schaffte? Oder steckt mehr dahinter: Drückten da entscheidende Stellen in der Bundesverwaltung beide Augen zu?»

Und jetzt geht plötzlich ein Licht auf, wenn der Bundesrat in seinen Interpellations-Antworten bezüglich den Atomlobby-Mitgliedschaften den folgenden Grundsatz aufstellt: «Aus einer ausserberuflichen Mitgliedschaft in einem Verein, ohne Führungs- oder Aufsichtsfunktion und ohne Leitungs- oder Beratungstätigkeit, kann nicht zwingend auf eine Interessenbindung geschlossen werden.»

Das ist starker Tobak. Laut dem Bundesrat sind also die Mitgliedschaften bei den Verbänden der Atomlobby «nicht zwingend» Interessenbindungen, wenn es um die Wahl des obersten Atomaufsehers der Schweiz geht. Wenn es aber nicht zwingend Interessenbindungen sind, müssen sie auch nicht zwingend deklariert werden. Kein Wunder hat Zimmermann seine Mitgliedschaften bei seiner Wahl 2017 und 2019 nicht ausgewiesen, kein Wunder hat das Uvek ihn nicht durchleuchtet.

Der Bundesrat erteilt mit seiner zweifelhaften Äusserung gegenüber dem Parlament dem zurückgetretenen Ensi-Rats-Präsidenten nachträglich einen Persilschein. Doch nicht nur ihm, sondern auch dem Uvek, das einerseits Zimmermanns Interessenbindungen nicht genügend untersuchte und andererseits versäumte, Zimmermanns Deklaration im Jahr 2018 ins Interessen-Register einzutragen. Statt die offensichtlichen Mängel des Wahlverfahrens zu beheben, wischt der Bundesrat jetzt das Problem unter den Tisch.

Im Widerspruch zum Grundsatz des Bundesrats

Wenn laut Bundesrat die Atomlobby-Mitgliedschaft nicht zwingend eine Interessenbindung ist, dann drängen sich folgende Fragen auf: Wieso ist Zimmermann nach seiner Wahl zum Ensi-Rats-Präsidenten aus dem Nuklearforum und der SGK ausgetreten und wieso legte er sein Amt nieder, als Infosperber auf seine Interessenkonflikte aufmerksam machte?

Und wieso hat Catherine Pralong Fauchère, die gleichzeitig mit der Wahl von Zimmermann Anfang Januar 2020 in den Ensi-Rat gewählt wurde, im Juli 2019 ihre Mitgliedschaft beim Nuklearforum gekündigt, wie der Bundesrat in seiner Antwort ausdrücklich festhält?

Diese beiden Austritte machen nur Sinn, wenn es sich um Interessenbindungen handelt. Sie zeigen, dass mit den beiden Atom-Mitgliedschaften – im Widerspruch zum oben zitierten Grundsatz des Bundesrats – eine Interessenbindung verbunden ist und vor allem, dass das auch in der Öffentlichkeit so gesehen wird.

Blind bezüglich Mitgliedschaften bei der Atomlobby

Der Bundesrat, insbesondere die Beamten des Uvek, scheinen blind bezüglich der Mitgliedschaften bei Interessenverbänden der Atomlobby. Das zeigen auch die weiteren Ausführungen des Bundesrats: «Die Mitglieder des Ensi-Rates dürfen weder eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben noch ein eidgenössisches oder kantonales Amt bekleiden, welche geeignet sind, ihre Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.» Die Interessenverbände der Atomlobby finden jedoch keine Erwähnung.

Auch in der Ensi-Verordnung ist keine Rede von den Interessenverbänden. Hier zeigt sich eine gravierende Lücke, die den Uvek-Beamten sehr grosszügige Interpretationen erlaubt, obwohl es in der Ensi-Verordnung heisst: Die Mitglieder des Ensi-Rats «dürfen in keiner Beziehung stehen, die den Anschein der Voreingenommenheit erwecken kann».

Da gilt es den Riegel zu schieben, indem in der Ensi-Verordnung explizit auch die Interessenverbände der Atomlobby erwähnt werden.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES).

Zum Infosperber-Dossier:

Ensi

Atomaufsichtsbehörde Ensi

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi entscheidet darüber, ob AKWs noch sicher genug sind.

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2 Meinungen

  • am 25.09.2020 um 13:48 Uhr
    Permalink

    Es wäre schön, wenn Herr Marti noch etwas nachbohren würde bei den zuständigen Ämtern. Vielleicht gibt es da noch mehr zu entdecken. urs.loepfe@noblackout.eu

  • am 25.09.2020 um 16:55 Uhr
    Permalink

    Sehr geehrter Herr Marti

    es ist immer ein Vergnügen Ihre Artikel zu lesen. Ohne Sie und die Rote Annelise hätte ich keine Ahnung wie korrupt der Schweizer Energie Sektor wirklich ist.
    Ich hätte da noch eine Frage, haben Sie sich schon mit Oiken in Sion befasst?

    Beste Grüsse

    Mark Wolff, Sion

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