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Der Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Patientenschutz: Gewählt vom Malteserorden © Bildmontage: ktm

Sterbehilfe: Der lange Arm des vatikanischen Malteserordens

Kurt Marti /  Vatikannahe Gegner der Sterbehilfe müssen eine herbe Niederlage einstecken. Das deutsche Sterbehilfe-Verbot ist verfassungswidrig.

Das deutsche Verfassungsgericht erklärte mit Urteil vom 26. Februar 2020 das Verbot der Sterbehilfe für verfassungswidrig und gab damit einer Beschwerde der Sterbehilfe-Organisation Dignitas und anderen Beschwerdeführern Recht.

Der entsprechende Paragraph 217 («Geschäftsmässige Förderung der Selbsttötung») im Strafgesetzbuch war im Jahr 2015 vom deutschen Bundestag mit 360 zu 233 Stimmen angenommen worden, vor allem mit den Stimmen der CDU/CSU. Die anderen Fraktionen waren mehrheitlich dagegen.

Lobbying der Stiftung Patientenschutz

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz (nachfolgend: die Stiftung) bezeichnet sich auf ihrer Internetseite als Urheberin des Paragraphen 217: «Die Stiftung hat sich auch in der Vergangenheit für eine gesetzliche Regelung der Suizidhilfe eingesetzt. Ihre Forderung, jede Form organisierter Suizidhilfe unter Strafe zu stellen, wurde vom Deutschen Bundestag 2015 als Gesetz beschlossen.» Dieses Gesetz entspreche «dem Inhalt eines Gesetzentwurfes», den die Stiftung im Mai 2014 vorgelegt habe.

Pikantes Detail: Dass der offizielle Gesetzes-Entwurf des Bundestages mit dem Gesetzes-Entwurf der Stiftung zusammenhängt, zeigt sich an Wörtern, die samt Trennungsstrichen einfach aus dem Entwurf der Stiftung herauskopiert wurden, wie Lobbywatch Deutschland in einem Video der Zeit aufzeigte (ab Min. 10.12).

Verfasst wurde der Entwurf für das Sterbehilfe-Verbot von Eugen Brysch, dem Geschäftsführer der Stiftung, und von Steffen Augsberg, Rechtsprofessor an der Justus-Liebig-Universität Gießen, der gleichzeitig im Ausschuss des Bundestages als Experte auftrat.

Die Stiftung engagiert sich laut ihrer Satzung «gegen die Legalisierung von Euthanasie» und tritt «für menschenwürdige Sterbebegleitung ein». Damit liegt die Stiftung exakt auf der Linie der katholischen Kirche Deutschlands und des Vatikans.

Enge Beziehung zum vatikanischen Malteserorden

Die Stiftung wurde 1995 vom Malteserorden mit einem Startkapital von umgerechnet 51’000 Euro gegründet. Der Malteserorden ist ein römisch-katholischer, vom Vatikan anerkannter Ritterorden.

Die Mitglieder des Stiftungsrats werden alle fünf Jahre von der Deutschen Assoziation des Souveränen Malteser-Ordens gewählt. Eugen Brysch ist seit 1995 Geschäftsführer der Stiftung. Vorher war Brysch Pressesprecher der Malteserwerke Köln und Leiter Social Marketing Malteser Deutschland. Prominent vertreten ist auch die Politik: Vorsitzender des Stiftungsrats ist Harald Schliemann (CDU), der frühere thüringische Justizminister.

Der vatikanische Malteserorden ist gleich mit zwei Vertretern im Stiftungsrat vertreten, nämlich mit Erich Prinz von Lobkowicz und Ernst von Freyberg, dem Präsidenten und dem Schatzmeister der Deutschen Assoziation des Malteserordens. Von Freyberg war von 2013 bis 2014 Präsident der Vatikanbank.

Geschäftsführer Eugen Brysch sieht in diesem katholisch-konservativen Filz hinter der Stiftung überhaupt kein Problem und behauptete im oben erwähnten Video der Zeit (ab Min. 8.40): «Wenn Sie über inhaltliche Fragen reden, dann ist es gut in einer Stiftung zu arbeiten, die aus der Praxis heraus lebt. Wenn Sie hier über 30’000 Mal im Jahr Menschen weiterhelfen können, dann spielt es überhaupt keine Rolle, ob Sie katholisch, evangelisch oder welchen Hintergrund Sie haben.»

Vertreter der Pharma-Branche

Neben den katholisch-konservativen Interessen sind im Stiftungsrat auch die wirtschaftlichen vertreten. Als Interessenvertreter der Pharma-Branche sitzt Michael Wirtz im Stiftungsrat. Der frühere langjährige Geschäftsführer und heutige Gesellschafter des Pharmaunternehmens Grünenthal GmbH (bekannt geworden durch den Contergan-Skandal) ist reich dekoriert mit katholisch-konservativen Orden: Grosskreuzritter des Päpstlichen Laienordens, Grossritter des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Mitglied des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande und Komtur des Päpstlichen Sylvesterordens.

Wirtz ist auch der CDU verbunden. Im Jahr 2000 spendete er der CDU 250’000 D-Mark, wie der Spiegel damals berichtete. Sein Engagement für die Stiftung liess er sich auch via Firma etwas kosten. Ebenfalls laut dem Spiegel sponserte das Pharmaunternehmen Grünenthal GmbH im Jahr 2013 die Stiftung mit 40’000 Euro, worauf die Stiftung ab 2014 auf Spenden der Grünenthal GmbH verzichtete.

Auch ein Klinikum-Manager war dabei

Neben dem Pharma-Lobbyisten Michael Wirtz sass bis 2016 auch der Krankenhaus-Manager Eugen Münch im Vorstand der Stiftung, der Gründer und Grossaktionär der Rhön-Klinikum AG.

Zur Rolle von Wirtz und Münch in der Stiftung stellte der Spiegel im oben erwähnten Artikel die Frage: «Haben der Mitbesitzer eines Pharmakonzerns und der Mitbesitzer einer Klinikkette dabei ausschliesslich die Interessen kranker Menschen im Auge?»

Eine Antwort auf diese Frage liefert die Sterbehilfe-Organisation Dignitas in der März-Ausgabe der Zeitschrift «Mensch und Recht»: «Wer in solchen Organisationen tätig ist, ist daran interessiert, möglichst vielen chronisch Kranken während möglichst langer Zeit möglichst viele Medikamente zu verkaufen und sie möglichst lange in ihren Krankenhausbetten finanziell auszunehmen.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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2 Meinungen

  • am 14.04.2020 um 17:53 Uhr
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    Genau darum geht es: Alte und chronisch Kranke dürfen ja nicht sterben, da sie sich am besten rechnen – für Spitäler und auch Heime.
    Dann wird das ganze noch als Nächstenliebe verkauft…

  • am 16.04.2020 um 21:26 Uhr
    Permalink

    Ob der Staat kommerzielle Sterbehilfe tolerieren soll, darüber kann man sich in guten Treuen streiten. Dabei sprechen durchaus auch einige valable Argumente für die «Linie der katholischen Kirche Deutschlands und des Vatikans» – etwa die Befürchtung, dass eine Liberalisierung eine Eigendynamik freisetzt. Der Druck, «in Würde» abzutreten und nicht länger als nötig aufwändige Pflege zu beanspruchen, kann auch sehr subtile Formen annehmen. Theoretisch kommt z.B. passive Sterbehilfe, also der Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen, nur nach sorgfältigen Abklärungen, auf ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen und (v.a. bei Urteilsunfähigkeit desselben) in Absprache mit den Angehörigen in Frage. In der Praxis bilden sich Automatismen heraus; man lässt sich unter Umständen nicht mehr lange durch solche Formaliäten aufhalten.

    Dringender als eine Liberalisierung der Sterbehilfe wäre – in Deuschland wie auch im Sterbemekka Schweiz – eine tragfähige Finanzierung der Alterspflege.

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