Kommentar

Asylgesetz: Warum die Revision ein Ja verdient

Beat Allenbach © zvg

Beat Allenbach /  Das revidierte Asylgesetz ist nicht perfekt. Aber die Vorteile überwiegen – für Asylsuchende und den Bund.

Am Asyl scheiden sich die Geister und entzünden sich die Emotionen. Das widerspiegelt sich auch darin, dass an dem 1981 in Kraft getretenen ersten Asylgesetz ständig einiges verändert und verschärft wurde: Bereits zehn Revisionen hat das Parlament zugestimmt. Gegen die vorletzte Revision hatte die Linke das Referendum eingereicht, doch das abgeänderte Asylgesetz wurde am 9. Juni 2013 vom Volk mit grosser Mehrheit angenommen. Abgesehen von bedauerlichen Verschärfungen, erlaubte es der Eidgenossenschaft, ein Pilotprojekt in einem Verfahrenszentrum zur Beschleunigung des Asylverfahrens probeweise durchzuführen. Nach dem Erfolg dieses Experiments in der Stadt Zürich sieht das neue Asylgesetz weitere Bundeszentren vor, dort sollen 60 Prozent der Asylgesuche innerhalb von höchstens 140 Tagen abgeschlossen werden.
Seit 20 Jahren wird versprochen, über Asylverfahren rascher zu entscheiden, doch es blieb alles beim Alten. Inzwischen sind die Voraussetzungen geschaffen worden, dass es möglich sein wird, innert weniger Monate den Asylsuchenden zu sagen, ob sie bleiben dürfen, oder ob sie die Schweiz verlassen müssen. Nicht allein deshalb kann ich am kommenden 5. Juni zum ersten Mal einer Asylgesetzrevision mit Überzeugung zustimmen.
Kehrtwende der SVP
Doch weshalb müssen wir abstimmen, obwohl alle Parteien seit Langem die Jahre dauernden Verfahren kritisieren und nun das Ziel einer Beschleunigung in Griffnähe ist? Es ist die grösste Partei der Schweiz, die SVP, die sich quer gestellt und das Referendum gegen die Asylgesetzrevision ergriffen hat.
Zuvor hatten auch die massgebenden Parlamentarier der SVP kürzere Fristen verlangt. Doch plötzlich machte die SVP einen Schwenker und behauptete, die Beschleunigung des Verfahrens mache die Schweiz attraktiver und würde weitere Menschen einladen, in der Schweiz ein Gesuch zu stellen. Dieser Meinungswechsel verärgerte die andern Parteien und einige Nationalräte betonten, es handle sich hier um einen weiteren Beweis, dass die Partei von alt Bundesrat Blocher gar nicht an Lösungen interessiert sei. Das hat einen einleuchtenden Grund: Sofern sich im Asylbereich die Stimmung entspannt, wird es für die SVP schwieriger, das Asylchaos, das es gar nicht gibt, heraufzubeschwören und damit Stimmen zu fangen.
Weniger Rekurse mit juristischer Beratung
Die stärkste Partei kämpft ausserdem dagegen, dass alle Asylsuchenden gratis juristische Beratung erhalten. Das sei eine Geldverschwendung und bedeutete mehr Rekurse und Mehrarbeit für die Richter. Unsere Bundesverfassung (Art. 29.3) will jedoch, dass auch Menschen, denen die nötigen Mittel fehlen, einen Rechtsvertreter erhalten, ob Schweizer oder Ausländer. Um die Verfahren zu beschleunigen, werden die Beschwerdefristen drastisch von 30 auf 7 Tage verkürzt. Deshalb ist die Rechtsberatung der Asylsuchenden unerlässlich – sogar nach Meinung des Wirtschaftsverbandes «Economiesuisse», der sonst kaum kostenlose Dienstleistungen des Staats befürwortet.
Die Rechtsberatung hat im Testbetrieb in Zürich dazu geführt, dass weniger Rekurse eingereicht wurden. Das leuchtet ein, denn die Juristen sind besser in der Lage zu beurteilen, ob ein Asylsuchender in der Schweiz bleiben darf und ob eine Beschwerde einen Sinn hat.
Kosten sparen mit schnelleren Verfahren
Auf diese Weise werden mit einem Ja zum Asylgesetz die Verfahren weiter verkürzt. Mit einer willkommenen Nebenwirkung für den Bund: Es werden Kosten gespart. Eine andere Nebenwirkung hingegen ist störend, denn wenn Asylsuchende rasch erkennen, dass sie nicht in der Schweiz bleiben dürfen, sind sie versucht, das Asylzentrum zu verlassen und ihre Spuren zu verwischen. Wie viele darauf die Schweiz verlassen und wie viele bei Verwandten oder Bekannten in der Schweiz untertauchen, wissen wir nicht. Kommen sie danach in eine Kontrolle, werden sie jedoch weggewiesen.
Ein weiterer Pluspunkt des neuen Gesetzes besteht darin, dass anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene schneller Sprach- und andere Kurse besuchen sowie eine Arbeit suchen können. Das fördert die Eingliederung in die Arbeitswelt, und die vor Gewalt geflüchteten Menschen werden dadurch auch finanziell rascher selbständig.
Was ein Nein bedeuten würde
Ausser der SVP lehnen auch einige linke Gruppen und die Demokratischen Juristen der Schweiz das revidierte Asylgesetz ab. Es bringt in der Tat eine Verschärfung, denn die Beschwerdefristen werden stark gekürzt. Dieser Nachteil wird jedoch aufgefangen durch die kostenlose juristische Beratung der Asylsuchenden. Ein Nein würde bedeuten: «Zurück auf Feld 1». Das Parlament würde sicher keinem grosszügigeren Gesetz zustimmen. Einleuchtend scheint mir ein Kommentar des grünen Nationalrats Balthasar Glättli; er sagte sinngemäss: Müsste ich vor dem Krieg oder vor Verfolgung flüchten, würde ich Ja zum Asylgesetz sagen, würde ich vor Armut in die Schweiz flüchten, dann wäre ich gegen das Gesetz. Denn es ist klar, die Schweiz will jenen Menschen Schutz gewähren, die verfolgt werden und in Lebensgefahr sind.
Mehr Frieden – weniger Flüchtlinge
Wie viele Menschen in der Schweiz um Asyl nachsuchen, das kann das Gesetz nicht beeinflussen. Möchten wir, dass weniger Flüchtlinge bei uns um Schutz nachsuchen, müssten die Regierungen der Staaten in Europa sowie die Europäische Union vereint darauf drängen, dass in den Konfliktgebieten des Nahen Ostens und in Afrika die Waffen zum Schweigen gebracht werden. Mit diplomatischen Verhandlungen müssten Lösungen gefunden werden, um der Bevölkerung ein relativ friedliches Leben zu garantieren. Zudem wären die Waffenlieferungen drastisch zu beschränken, um den Frieden zu sichern.
Von einem Erfolg sind wir weit entfernt, auch weil zu viele EU-Staaten sich darauf konzentrieren, Mauern und Zäune an ihren Grenzen zu errichten – Barrieren, die nichts dazu beitragen, Probleme zu lösen. Es geht in erster Linie darum, dass die Menschen ihre Länder – so faszinierende wie z.B. Syrien und Irak – nicht verlassen müssen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Afghanischer_Flchtling_Reuters

Migrantinnen, Migranten, Asylsuchende

Der Ausländeranteil ist in der Schweiz gross: Die Politik streitet über Asyl, Immigration und Ausschaffung.

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