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Der Bäcker Jack Phillips weigerte sich aus religiösen Gründen, eine Torte für Schwule zu fertigen. © cc

Keine Hochzeitstorte für Schwule: So agieren Trumps Richter

Mireille Mata /  Im Namen der "freien Religionsausübung" unterläuft der immer konservativere Oberste Gerichtshof die Trennung von Kirche und Staat.

Am Supreme Court machen Richter, die dank Präsident Trump ernannt wurden, zusammen mit ihren Verbündeten Fortschritte bei einem wichtigen Ziel von Trumps politischer Basis: Die Religion soll im amerikanischen Leben aufgewertet werden. Die erfolgten Änderungen betreffen beide Religionsbestimmungen im ersten Verfassungszusatz:

  • Das verfassungsmässige Verbot, eine Staatsreligion zu errichten, wird aufgeweicht.
  • Die verfassungsmässige Garantie der «freien Religionsausübung» wird extensiv interpretiert.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hatte der Supreme Court das Verbot, eine Staatsreligion zu errichten, dahingehend definiert, dass Kirchen und andere Religionen nur in Ausnahmefällen Subventionen aus Steuergeldern erhalten. Denn ein Hauptmerkmal einer Staatsreligion ist, dass sie vom Staat finanziell unterstützt wird.
In den letzten Jahren allerdings haben die Konservativen verschiedene Wege gefunden, um religiösen Einrichtungen wie etwa kirchlichen Schulen den Zugang zu öffentlichen Geldern zu verschaffen, und ihre Anwälte stossen beim Supreme Court auf zunehmend offene Ohren.

Als wichtigsten Präzedenzfall entschied der Supreme Court 2017, dass Missouri verpflichtet sei, finanzielle Zuschüsse für die Renovation eines Spielplatzes an einer Pfarrschule zu gewähren, falls der Staat dieselben Zuschüsse für öffentliche Schulen bereitstellt. Im Fall Trinity Lutheran Church of Columbia v. Comer begründete der Vorsitzende des Supreme Court John Roberts:
«Eine sonst berechtigte öffentliche Unterstützung der Lutheranen Dreifaltigkeitskirche einzig deshalb zu verweigern, weil sie eine Kirche ist, ist gegenüber unserer Verfassung abscheulich und kann nicht angehen.»
Die Logik dieses Arguments könnte sich selbstredend auf so gut wie alle Ausgaben von Religionsschulen erstrecken; wenn öffentliche Schulen verpflichtet sind, staatliche Mittel für Lehrbücher, Transporte und Lehrergehälter zu beantragen, dann sollte der Staat auch Religionsschulen diese Ausgaben zahlen. Und in eben diese Richtung entwickelt sich das Recht.

Letzte Woche fanden drei Richter des Supreme Court eine weitere Möglichkeit für Kirchen, Zugang zu Regierungsgeldern zu erhalten. Der Supreme Court lehnte es ab, den Fall Morris County v. Freedom from Religion Foundation zu behandeln, einen Fall, in dem der Oberste Gerichtshof des US-Bundesstaats New Jersey entschieden hatte, dass Kirchen zum Erhalt öffentlicher Gelder nicht berechtigt seien, die für die Denkmalpflege bestimmt sind.
Aber der neue Richter Brett Kavanaugh, unterstützt durch die Richter Neil Gorsuch und Samuel Alito, argumentierte, dass der Entzug dieser Mittel für die Kirchen eine Diskriminierung aufgrund der Religion bedeutete. Kavanaugh schrieb: «Die staatliche Diskriminierung der Religion – insbesondere die Diskriminierung von religiösen Personen, religiösen Organisationen und religiösen Reden – verstösst gegen die Verfassungsbestimmung zur freien Glaubensausübung».
Alle Richter des Supreme Court waren sich indessen einig, dass der Fall verfahrenstechnische Hindernisse aufwarf, die einer Überprüfung durch den Supreme Court im Weg standen.
Verbot einer Staatsreligion wird ausgehebelt

Was die Konservativen letztlich tun, ist das verfassungsmässige Verbot zu ignorieren, eine Staatsreligion zu «errichten». Sie deuten fast jede Fragestellung in einen Fall zur «freien Glaubensausübung» um. Nach dieser Lesart kann jede Verweigerung staatlicher Leistungen an eine Kirche als eine Diskriminierung gesehen werden, die auf eine Verweigerung der freien Glaubensausübung hinausläuft – und die Konservativen machen denselben Schritt bezüglich natürlicher Personen.
So verweisen Konservative nun auf die Verfassungsbestimmung zur freien Glaubensausübung, um es religiösen Leuten zu erlauben, sich Verpflichtungen zu entziehen, denen alle übrigen Bürger unterliegen. Dies geschieht derzeit am häufigsten im Zusammenhang mit Menschen, die gleichgeschlechtlich orientierte Menschen als Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung diskriminieren wollen.

Mit diesem Thema befasste sich der Supreme Court erstmals im Fall Masterpiece Cakeshop v. Colorado Civil Rights Commission. Im Jahr 2018 bestätigten die Richter des Supreme Court das Recht eines Bäckers in Lakewood, Colorado, sich aus religiösen Gründen zu weigern, eine Hochzeitstorte für ein gleichgeschlechtliches Paar zu backen. Die Urteilsbegründung des Gerichts, eine der letzten, die Richter Anthony Kennedy vor seiner Pensionierung schrieb, ging nicht direkt auf das Recht von Ladenbesitzern ein, gleichgeschlechtlich orientierte Kunden fernzuhalten.
Doch andere Geschäftsinhaber übernahmen das Anliegen des Bäckers. Im ganzen Land versuchten Floristen, Drucker, Fotografen, Videografen und Kalligraphen, schwule und lesbische Kunden aus religiösen Gründen auszuschliessen. Einige dieser Fälle finden ihren Weg durch die Gerichte, und einer wird wahrscheinlich in den nächsten ein oder zwei Jahren den Supreme Court erreichen.

Der Supreme Court nimmt kaum je mit grossen Sprüngen neue Positionen ein. Aus den Entscheiden des Supreme Court lässt sich aber jeweils ablesen, in welche Richtung seine Mehrheitsmeinung sich bewegt, und im Allgemeinen entwickeln sich im Laufe der Zeit seine Entscheidungen in dieselbe Richtung. Der US-Anwalt und Publizist Jeffrey Toobin kommentierte in der «New York Times»: «Wenn es um Religion geht, dann ist die Richtung des Supreme Court klar – und die engsten Anhänger von Trump haben allen Grund, damit zufrieden zu sein.»
————–
Dieser Artikel stützt sich auf einen Beitrag von Jeffrey Toobin in der «New York Times».

Weiterführende Informationen


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US-Politik unter Donald Trump

Weichenstellungen: An seinen Entscheiden ist Trump zu messen, nicht an seinen widersprüchlichen Aussagen.

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3 Meinungen

  • am 2.04.2019 um 09:54 Uhr
    Permalink

    Dieser Artikel «stützt sich» auf einen Beitrag aus der New York Times, aber es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass bei der Publikation in der Schweiz auch die hiesige Rechtslage berücksichtigt wird. In der Schweiz gilt Vertragsfreiheit. Wenn fixe Produkte von einer Liste angeboten werden, darf der Verkauf nicht willkürlich verweigert werden, aber sobald eine kreative Tätigkeit involviert ist, ist ein Geschäft frei, einen Auftrag anzunehmen oder auch nicht. Deshalb hätten Homosexuelle, die speziell sehr religiöse Bäcker aufsuchen (als ob es nicht genügend andere gäbe), um dann gegen sie zu klagen, wenn sie für sie keine Hochteitstorte machen wollen, in der Schweiz vollkommen chancenlos. Das kann man gut finden oder nicht, es ist nun einmal ein Teil der liberalen Rechtsordnung in der Schweiz, und wenn über die Verhältnisse in den USA berichtet wird, wo es einige Leute ganz normal finden, wenn speziell sehr religiöse Bäcker gesucht werden, um sie dann mit Klagen in den Ruin zu treiben zu versuchen, obwohl es für Homosexuelle kaum ein Problem ist, Bäcker zu finden, die für sie Hochzeitstorten machen, wäre es für LeserInnen in der Schweiz interessant, diesen Vergleich mit der Schweizer Rechtslage zu haben. Die populistische Empörung über die bösen Konservativen in den USA könnte dann einer differenzierteren Darstellung Platz machen. Aber das geht natürlich nicht, wenn ohne Eigenleistung ein Billigtext «auf der Basis» der New York Times erstellt wird.

  • am 2.04.2019 um 19:20 Uhr
    Permalink

    Eine Präzisierung zum Fall Masterpiece Cakeshop vs. CCRC sei erlaubt:
    Das Delikt war nicht die Verweigerung des „Backens eines Kuchens“ oder „das Fernhalten von schwulen Kunden“, sondern die Verweigern der Dekoration des Kuchens mit einer Beschriftung, die die religiösen Gefühle des Bäckers verletzten. Dieses Detail lässt Frau Mata gezielt aus, damit sie eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtssprechung suggerieren kann. Dies ist kein seriöser Journalismus.
    Im übrigen führen LBGT Aktivisten eine konzertierte Kampagne in den USA gegen christlich gesinnte UnternehmerInnen, indem sie diese mit analogen Kundenwünschen – explizite aktivistische und Gesinnungs-Statements auf Backwaren, T-shirts, Kunstkarten, Poster, u.a. – provozieren, um Klage nachher einreichen zu können. Das eigentliche Thema hier ist das Verständnis von Toleranz im eigentlichen Sinn, nämlich das gegenseitige Respektieren unterschiedlicher Moralvorstellungen, was nur einseitig zugestanden wird. In diesem Sinn wäre verwerflich, bei einen frommen Muslim ein Spannferkel oder einen Kuchen mit der Dekoration „Jesus Son of God“ zu bestellen. Von solchen Fällen konnte man allerdings noch nichts lesen. Frau Matas anwaltschaftlicher/einseitiger Artikel trägt zu einem respektvollen Miteinander nicht bei, sondern macht den Graben tiefer. Das ist die Wirkung von Berichterstattung mit signifikanten Auslassungen; auch eine Form von fake news.

  • am 8.04.2019 um 15:54 Uhr
    Permalink

    Vertragsfreiheit sollte entscheidend sein. Jeder Unternehmer sollte eine Bestellung ablehnen können, mit oder Begründung. Gesinnungsstatements können auch rechts- oder linksextrem sein. Nazisymbole z.B. auf eine Hochzeitstorte (oder was auch immer) zu kreieren würde man niemandem zumuten.

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