Kommentar

PNOS-Funktionär Florian Signer verbreitet Schwachsinn

Tobias Tscherrig © zvg

Tobias Tscherrig /  Florian Signer verbreitet seine kruden Thesen im Internet. Eine sachliche und kritische Replik – oder auch nicht.

«Hinsetzen, Mund halten, denken!», brüllte mein ehemaliger Geschichtslehrer, wenn einer seiner Schüler aus Selbstverliebtheit oder Überzeugung drauflos plapperte und dabei seine nicht vorhandene Begabung auf intellektuellem Gebiet verriet. Wiederholungstäter sahen sich erst den Schmutz in der Zimmerecke von Nahem an, dann drohte – mangelnds geistiger Fähigkeiten – körperliche Ertüchtigung in Form von Dauerlauf.

Hätte Florian Signer, Vorsitzender der Sektion Appenzell bei der rechtsradikalen «Partei National Orientierter Schweizer» (PNOS) denselben Lehrer gehabt, liefe er heute schneller als der ehemalige Sprinterstar Usain Bolt. Hat er aber nicht. Statt vom Siegertreppchen grinst Signer von der Internetseite der PNOS: Edelweiss-Hemd statt Sprinterdress, PNOS-Anstecker statt Goldmedaille.

Hinsetzen.
Der selbsternannte Geostratege will die PNOS im Appenzellerland als Alternative zu den bekannten Parteien etablieren. Also haut er kräftig in die Tasten: «Auch unsere Kinder und Kindeskinder sollen in feierlicher Ergriffenheit dem von den Sennen gesungenen Bet-Ruf lauschen können, wie dieser im letzten Licht des vergehenden Tages ehrfurchteinflössend widerhallt in den Flanken der umliegenden Berge».

Damit macht der Senn, was auch der Muezzin tut. Aber Signer hat vorgesorgt: Wegen der Verwechslungsgefahr kämpft er im Appenzellerland gegen die «Probleme der Überfremdung». Ein hoffnungsloses Unterfangen, der Kampf ist verloren, bevor er begonnen hat: Im Kanton Appenzell Ausserrhoden lebten 2016 im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 16.2 Prozent Ausländer. In Appenzell Innerrhoden waren es 11.1 Prozent.

Mund halten.
Manchmal möchte ich Signer den PNOS-Stecker abnehmen und ihn fest drücken. Nur um zu schauen, ob man ihn so von seinen Ängsten befreien kann. Signer denkt, dass es um die Gesundheit der Europäer schlecht bestellt ist. Neidisch blickt er auf das «Temperament» der islamisch-arabischen Bevölkerung. Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten würden oft maskulin wirken – wegen dem Vitamin D3, das mithilfe von Sonnenlicht produziert werde, welches die geistige und körperliche Gesundheit fördere und Auswirkungen auf die Libido habe.

«Wenn man sich diesen Tatsachen bewusst ist, wird einem auch endlich klar, weshalb die arabischen und afrikanischen Männer voller Temperament sind und sich die europäischen Männer, die leider oft an Vitamin-D3- sowie an anderen Mängeln leiden, von diesen einschüchtern lassen, was sich eigentlich einfach vermeiden liesse.»

Jetzt will ich Signer nicht mehr drücken. Ich renne in die Sonne und versuche damit all die bösen Muslime aufzuhalten. Für ganz Europa kämpfe ich im Liegestuhl und werde immer brauner. Dann muss ich zurück in den Schatten. Signer verbietet den Gebrauch von Sonnencreme, wohl um den Kampf gegen die oft beschworene «Islamisierung von Europa» zu beschleunigen. Ich fürchte mich vor Hautkrebs.

Denken.
Zum Glück kennt Signer noch weitere Kniffe, mit denen Europa gerettet werden kann. Bildet mehr Testosteron, ihr Patrioten!, ist wohl der Wichtigste. Wenn man sich die Flüchtlingspolitik und die Demographie Europas anschaue, sei offensichtlich, weshalb Testosteron für Europäer entscheidend sei. «Gerade aus dem arabisch-islamischen sowie dem afrikanischen Kulturkreis kommen aktuell viele junge Männer hierher, die nur so vor Testosteron strotzen», weiss Signer und warnt: «Da Testosteron auf Frauen instinktiv anziehend wirkt, ist es besonders für die europäischen Männer wichtig, das Testosteron zu fördern, damit sie attraktiv bleiben und die Frauen nicht aus subtilen sexuellen Gründen zu den Migranten abwandern.»

Endlich: Der Weckruf für jede verkümmerte und verschmähte europäische Patrioten-Libido. Bockhornsklee, Erd-Burzeldorn, zahlreiche Nüsse und Haferflocken sollen helfen, die Ausschüttung von Testosteron zu fördern. Von dieser neuen Energie soll dann ganz Europa profitieren. «Jedoch bin ich mir sicher, dass auch die Frauen davon profitieren, wenn ihre Männer mehr Antrieb und Libido besitzen», schreibt Signer. Aber gell, Herr Patriot: Immer erst fragen. Ein Mund voller Haferflocken gilt im Nachhinein nicht als Rechtfertigung für mangelnde Kommunikation. Ein Überschuss an Testosteron auch nicht.

Ab in die Ecke.
Florian Signer ist ein Mann von Welt. Er hat erkannt, dass er Europa nicht nur mit männlichen Patrioten retten wird. Deshalb hat er auch für Frauen einen Artikel verfasst. Am Anfang des Textes legt der PNOS-Funktionär seine Motivation dar: «(…) meine zukünftige Gattin und Mutter meiner Kinder wird ebenfalls eine Frau sein». Nun möchte ich Signer gerne auf die Testosteron-gestärkten Schultern klopfen und ihn zur Vorsicht mahnen: Auf das ihm seine gesteigerte Männlichkeit keinen Strich durchs Familienglück machen möge.

Zum Glück schreibt Signer, er wolle niemanden in ein Rollenbild zwängen. Darin fehlt ihm aber noch die Übung, immerhin steht für ihn der Mann für Fortschritt und Produktion, die Frau für Fruchtbarkeit und Re-Produktion. «Vor allem für uns Europäer, die wir uns momentan im demografischen Niedergang befinden, sollte das Thema Fruchtbarkeit höchste Priorität haben», mahnt Signer und gibt Tipps, wie Frauen ihren Östrogen-Gehalt steigern können. Patriotinnen Europas: Wir brauchen mehr Östrogen!

Dann geisselt er ein wenig den Feminismus und spricht davon, dass Frauen geistig zu Männern umgebaut würden. «Die Frau scheint nur noch einen Nutzen zu haben, wenn sie wirtschaftlich produktiv ist», kritisiert Signer – was mich ziemlich verwirrt. Immerhin reduziert er Frauen auf Gebärmaschinen.

Auf zum Dauerlauf.
Trotz all der hilfreichen Ratschläge, kann sich Signer noch nicht zurücklehnen. Wie könnte er sich auch ausruhen, während sich die Europäer «demografisch im Niedergang» befinden. Denn daran sind nicht nur Ausländer, Islamisten, mangelndes Sonnenbaden und die Ausschüttung von zu wenig europäischem Testosteron und Östrogen schuld. Auch homosexuelle Menschen leisten ihren Beitrag, in dem sie sich nicht fortpflanzen. Pflanzt euch gefälligst fort, ihr Homosexuellen! Leider seien diese einen destruktiven Weg gegangen, schreibt Signer. «Der konstruktive Weg hätte meines Erachtens darin bestanden, dass sich die Homosexuellen für ihre Heilung einsetzten.»

Vielleicht haben sich die Haferflocken in Signers Gehirn zu einer klebrigen Masse verdichtet, die seinen Denkapparat endgültig und unwiderruflich am Arbeiten hindert. Oder er versucht bereits viel zu lange Europa zu retten und seine Gehirnmasse verbrutzelte dabei in der Sonne. Oder der Bockhornsklee hat ungeahnte Nebenwirkungen. Jedenfalls fordert der PNOS-Funktionär von Homosexuellen, sich der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen um zu untersuchen, ob Homosexualität körperlicher oder geistiger Natur sei.

Signer belässt es nicht dabei. Er denkt, dass Homosexuelle bemüht sind, ihre Neigungen zu verbreiten und vergleicht Homosexualität mit einer Pseudo-Religion. Dabei schreien Schwule eher selten Gebete von den Bergen der beiden Appenzell, das machen vor allem christliche Sennen.

Natürlich sind für Signer die Medien das Werkzeug, mit dem homosexuelle Menschen ihre Missionierung vorantreiben. Das Argument lag zuunterst in der Rhetorik-Kiste der Rechtsradikalen. Aber Florian Signer hat es gefunden. Genau wie dieses: «Die moralische Messlatte wurde mit der Anerkennung der Homosexualität massiv verschoben, was den Pädophilen in die Hände spielt; die Anerkennung der Homosexualität ist eine Pionierarbeit für Pädophile».

Bei solchen Argumenten erstaunt es kaum, dass sich Florian Signer gegen die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ausspricht und ihre Kinder als «seelische Zeitbombe» bezeichnet. Doch zum Glück geizt der Weltversteher von der PNOS auch hier nicht mit tollen Vorschlägen: Homosexualität in der Öffentlichkeit sowie «homosexuelle Propaganda» sollen unter Strafe gestellt, Homosexualität heilbar gemacht werden. Im Übrigen sollen homosexuelle Menschen eine «Homo-Steuer» zahlen.

Klage.
Das ist zu viel für die Schweizer Schwulenorganisation «Pink Cross». In kürzester Zeit fand sie über 200 Menschen, die Signer in einer Sammelklage wegen Ehrverletzung anzeigten.

Nun versteht Florian Signer die Welt erst recht nicht mehr. Hatte er doch extra aufgeschrieben: «Mir war es wichtig, einen sachlichen und kritischen Beitrag zum Thema Homosexualität zu verfassen. Viel zu oft greifen die Kritiker der Homosexualität zu stumpfsinnigen, menschenfeindlichen oder religiös-fundamentalistischen Argumenten (…)».

Nun gut. Auch ich wollte einen «sachlichen und kritischen» Kommentar zum Thema «Florian Signer» schreiben. Oder auch nicht.


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2 Meinungen

  • am 10.10.2018 um 12:23 Uhr
    Permalink

    Glaubt infosperber, dass wir das wirklich nicht übersehen dürfen? Schwachsinn kann man auch ignorieren.

  • am 6.01.2019 um 23:33 Uhr
    Permalink

    Herr Schenk, es zwingt Sie niemand, den Artikel zu lesen oder einen Kommentar dazu abzugeben. Für die Leute, die von solcher Hate Speech betroffen sind, spielt es hingegen sehr wohl eine Rolle, welches Bild man von ihnen in der Öffentlichkeit hat.

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