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Mehmet Hakan Atilla, ehemaliger Vizechef der türkischen staatlichen Halkbank © Youtube

Schuldspruch in New York, Gewitterwolken in Ankara

Amalia van Gent /  US-Gericht spricht türkischen Banker schuldig. Ankara erklärt, die Türkei könne von keinem anderen Land verurteilt werden.

Die Türkei hat am Donnerstag auf den Schuldspruch eines US-Gerichts gegen den türkischen Banker Mehmet Hakan Atilla ungewöhnlich zornig reagiert. Das Urteil stelle eine «beispiellose Einmischung» der amerikanischen Regierung in die internen Angelegenheiten der Türkei dar, erklärte das türkische Aussenministerium. Das Gericht hätte sich überhaupt auf «falsche Beweise» gestützt, die politische Missinterpretationen und eine Verleumdungskampagne gegen die Türkei begünstigten. «Ein skandalöser Schuldspruch in einem skandalösen Fall», kommentierte auch der Pressesprecher des Präsidenten Ibrahim Kalin. Von Beginn an sei geplant gewesen, den Fall dafür zu benützen, um in internen Angelegenheiten der Türkei zu intervenieren».

Dubiose Gold-Geschäfte

Tatsächlich reagierte die türkische Regierung auf das Geschehen in New York nervös, lange bevor der Prozess Ende letzten November begann. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan soll laut der New York Times gar mehrmals versucht haben, seine Amtskollegen Barack Obama und Donald Trump zu einer Einstellung des Prozesses zu bewegen – ohne jeden Erfolg.

Der ehemalige Vizechef der türkischen staatlichen Halkbank, Mehmet Hakan Atilla, wurde beschuldigt, durch dubiose Geschäfte dem Iran über Jahre hinweg ermöglicht zu haben, die US-Sanktionen zu unterlaufen. Hakan ist einer der insgesamt neun Angeklagten in diesem Prozess. Die meisten Angeklagten befinden sich in der Türkei und können von der US-Justiz nicht belangt werden. Reza Zarrab, ein türkisch-iranischer Goldhändler, der in diesem Geschäft führend war und neben Atilla auf der Anklagebank sitzen müsste, hatte sich zuvor mit den amerikanischen Behörden geeinigt, als Belastungszeuge vor Gericht aufzutreten, um eine geringere Haftstrafe zu erhalten.

Seit Beginn des Prozesses führte Reza Zarrab detailliert aus, wie er türkische «Minister und Bankers mit Millionen-Beträgen schmierte, um das illegale Geschäft zwischen der Türkei und Iran am Laufen zu halten». Ferner legte er dar, dass Politiker in höchsten Ämtern (etwa der damalige Regierungschef Erdogan oder dessen Schwiegersohn) dem besonders lukrativen Geschäft mit Iran zugestimmt oder es zumindest geduldet hätten (siehe auch «US-Prozess bringt Erdogan in Bedrängnis», Infosperber).

Am 3. Januar hat die Jury in New York nun Mehmet Hakan Atilla in fünf von sechs Anklagepunkten schuldig gesprochen. Konkret wurde er der Mittäterschaft bei der Umgehung der US-Sanktionen für schuldig befunden, wie auch des Betrugs an amerikanischen Banken. Aufgrund dieses Urteils müsste der türkische Banker mehrere Jahrzehnte hinter Gitter verbringen, schreibt der türkische Journalist und gute Kenner der Materie Ilhan Tanir. Mehmet Hakan Atilla könnte aber auch, wie Reza Zarrab, mit den amerikanischen Behörden zusammenarbeiten und dafür eine geringere Haftstrafe für sich aushandeln. Als Belastungszeuge müsste Hakan Atilla dem FBI allerdings sämtliche Verbindungen des dubiosen Rings in der Türkei offenlegen, so Ilhan Tanir. Dies würde wiederum bedeuten, dass der Prozess in New York nicht das Ende des berüchtigten «Falls Reza Zarrab» wäre, sondern erst der Beginn. Und damit wäre auch der Albtraum der türkischen politischen Führung, die in Verbindung mit dem dubiosen Geschäft gebracht wird, wieder zurück.

Folgenschwerer Schuldspruch

Politische Beobachter befürchten nun, der Schuldspruch in New York könnte das bereits schwer belastete Verhältnis der Türkei und der USA verschlechtern, der sogenannte «Fall Reza Zarrab» gar zu einem Bruch ihrer bilateralen Beziehungen führen. Ob es in der Tat soweit kommt, hängt davon ab, ob das New Yorker Gericht in Kauf nehmen wird, die türkische Halkbank oder gar mehrere türkische Banken zu Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu verurteilen und damit die türkische Wirtschaft in eine tiefe Krise zu stürzen. Noch gibt sich die Regierung in Ankara kämpferisch.
Die Türkei sei ein unabhängiger, souveräner Staat und könne von keinem anderen Land verurteilt werden, sagte der stellvertretende Regierungschef Bekir Bozdag. Der Schuldspruch der New Yorker Jury sei in der Türkei daher null und nichtig.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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