MarxEngelsAufmacher_Wikimedia

In Stein gemeisselt: Palast für Kultur und Wissenschaft, Warschau (Stalin nachträglich entfernt) © Wikimedia

Kein Paradies, nirgends. Karl Marx und der Kommunismus

Gerd Koenen /  200 Jahre Karl Marx: Was hat seine Kritik von bürgerlicher Gesellschaft und Kapitalismus mit dem Kommunismus im 20. Jh. zu tun?

Red. Gerd Koenen ist Historiker und freier Publizist mit dem Schwerpunkt auf der Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen, des Weltkommunismus und der Neuen Linken. Im Herbst 2017 erschien von ihm «Die Farbe Rot – Ursprünge und Geschichte des Kommunismus» im Verlag C.H. Beck, München.

Welches Bild hatte Karl Marx vom Kommu­nismus? Was hatten seine geschichts­phi­lo­so­phi­schen, sozi­al­theo­re­ti­schen und revo­lu­ti­ons­prak­ti­schen Ideen, nament­lich das «Mani­fest der Kommu­nis­ti­schen Partei» von 1848, mit der Geschichte des Kommu­nismus im 20. Jahr­hun­dert zu tun? Waren sie dafür der entschei­dende Ausgangs­punkt und Impuls? So gut wie alle kriti­schen Gesamt­dar­stel­lungen und Inter­pre­ta­tionen des Kommu­nismus als einer Welt­be­we­gung und Sozi­al­for­ma­tion des 20. Jahr­hun­derts haben das so gesehen – und sind damit den Selbst­be­ru­fungen der kommu­nis­ti­schen Macht­haber in vieler Hinsicht auf den Leim gegangen. So soll dem ameri­ka­ni­schen Russ­land­his­to­riker Martin Malia zufolge die von Marx verkün­dete «Botschaft der sozia­lis­ti­schen Utopie» die eigent­liche Quelle für das «phan­tas­ti­sche, surreale sowje­ti­sche Aben­teuer» gewesen sein. Und für den briti­schen Histo­riker Robert Service lagen die Ursprünge der fehl­ge­lau­fenen Geschichte des Kommu­nismus in dem uralten, von Marx revi­ta­li­sierten «Traum der Apoka­lypse, dem das Para­dies folgt»; diese «marxis­ti­sche DNA» habe auch den Leni­nismus, den Stali­nismus oder den Maoismus geprägt und bestimmt.

Zitate dieser Art lassen sich beliebig vermehren und sind eine Art nie hinter­fragter Common-Sense. Dabei hat die blosse Vorstel­lung eines fast andert­halb Jahr­hun­derte über­dau­ernden ideo­lo­gisch-poli­ti­schen Konti­nuums namens «Marxismus», das sich wie ein geschicht­li­ches Wesen oder Unwesen in einer Serie welt­weiter Revo­lu­tionen mate­ria­li­siert haben soll, bevor es 1989 durch einen «Widerruf der Geschichte» (so der Histo­riker François Furet) sein vorläu­figes oder endgül­tiges Ende gefunden haben soll, etwas entschieden Esote­ri­sches. Die ganze Verle­gen­heit konzen­triert sich in natu­ra­lis­ti­schen, tatsäch­lich aber obsku­ranten Meta­phern wie der einer «marxis­ti­schen DNA», die wie ein gene­ti­scher Code Sprache, Denken und Handeln der Kommu­nisten aller Länder und Kulturen durch sämt­liche Welt­krisen und Welt­kriege des 20. Jahr­hun­derts hindurch gesteuert haben soll.

Marx war kein «Visionär»

Ganz abge­sehen von diesen schiefen Meta­phern stellt sich vor allem die Frage, wann und wo der studierte Philo­soph, zeit­wei­lige Jour­na­list, poli­ti­sche Agitator und über­ra­gende Ökonom Karl Marx (1818–1883) nament­lich die Vorstel­lung des Kommu­nismus als ein utopi­sches Para­dies eigent­lich entwi­ckelt haben soll. Eher wäre das Para­dies für Marx vermut­lich dem Bild einer Hölle nahe­ge­kommen, so wie Hegel die wieder­keh­renden Träume von einem «Goldenen Zeit­alter» schon abge­fer­tigt hatte: als blosses, blödes Hindäm­mern in «idyl­li­scher Geis­tes­armut» und stumpfer Glück­se­lig­keit – eine wahre Dystopie.
Von posi­tiven Utopien hielt Marx genauso wenig, aus demselben Grund: Tatsäch­lich waren ja alle lite­ra­ri­schen Utopien der Neuzeit seit Thomas Morus’ «Utopia» immer Utopien der Still­stel­lung gewesen, die ihren auf entle­gene Inseln verlegten, meist in «kommu­nis­ti­scher» Güter­ge­mein­schaft lebenden Ideal­ge­sell­schaften den Stachel der Unruhe gezogen hatten. Und das mitten im Zeit­alter der Entde­ckungen und einer bürger­lich-kapi­ta­lis­ti­schen Umwäl­zung, mit deren Hymnus als einer revo­lu­tio­nären Entwick­lungs­dy­namik das «Kommu­nis­ti­sche Mani­fest» von 1848 ja beginnt.
Tatsäch­lich diente die Kate­gorie des «Kommu­nismus» Marx nur als kriti­scher Gegen­be­griff zu einer Produk­tions- und Eigen­tums­ord­nung, in der die «Reich­heit der mensch­li­chen Bedürf­nisse» sich in einer Masse toter Gegen­stände (Waren) mate­ria­li­siert und das arbeits­teilig erar­bei­tete Gesamt­pro­dukt der Masse der Arbei­tenden in der Form des «Kapi­tals» als eine fremde, über­le­gene Macht wieder gegen­über­tritt – wie der Staat, die Kirche und Gott selbst. Und soweit Marx sich in seinen frühen Notizen auf den Begriff des «Kommu­nismus» als einer nicht-entfrem­deten, menschen-gemä­sseren Lebens- und Produk­ti­ons­weise einliess, dann in kate­go­ri­scher Abgren­zung von allem, was er einen «rohen und gedan­ken­losen Kommu­nismus» nannte – der «auf gewalt­same Weise von Talent etc. abstra­hieren» müsse und letzt­lich auf «die Rück­kehr zur unna­tür­li­chen Einfach­heit des armen und bedürf­nis­losen Menschen» hinaus­laufe.

Erst in seiner gleichsam zum internen Gebrauch verfassten «Kritik des Gothaer Programms» von 1875, der program­ma­ti­schen Grund­lage der erst­mals verei­nigten Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Partei in Deutsch­land, finden sich einige Andeu­tungen, was «Sozia­lismus» und «Kommu­nismus» gemäss Marx positiv bedeuten könnten. Dabei überzog er alle utopi­schen Vorstel­lungen des Programms – dass mit der «Erhe­bung der Arbeits­mittel zum Gemeingut der Gesell­schaft» und durch die «unver­kürzte Vertei­lung des Arbeits­er­trags» sich ein Schla­raf­fen­land eröffnen werde – mit ätzendem Spott. Denn von einem sozia­li­sierten Gesamt­pro­dukt müssten, so Marx, eher noch größere und konstan­tere Ausgaben in Allge­mein­auf­gaben sowie Vorsor­ge­auf­wen­dungen fliessen als bisher; nur was übrig­bliebe, könnte indi­vi­duell konsu­miert werden.
Genauso verfehlt erschien ihm die Erwar­tung, eine sozia­lis­ti­sche Gemein­wirt­schaft müsse eine «gerechte», nämlich weit­ge­hend egali­täre Anglei­chung der Löhne und Gehälter bedeuten. Statt­dessen würde es sich um eine echte Leis­tungs­ge­sell­schaft nach dem Prinzip «Jeder nach seinen Fähig­keiten, jedem nach seiner Leis­tung» handeln, wie es die bour­geoise Klas­sen­ge­sell­schaft gerade nicht war. In einer zweiten, höheren Stufe, wenn «die Arbeit … selbst das erste Lebens­be­dürfnis geworden» sei und wenn «mit der allsei­tigen Entwick­lung der Indi­vi­duen auch ihre Produk­tiv­kräfte gewachsen und alle Spring­quellen des genos­sen­schaft­li­chen Reich­tums voller fliessen», mochte man sich auf die Fahne schreiben: «Jeder nach seinen Fähig­keiten, jedem nach seinen Bedürf­nissen!» Ein Reich der Gleich­heit wäre das aber wieder nicht, im Gegen­teil: Denn dann mussten die unter­schied­li­chen Neigungen, Bedürf­nisse, Fähig­keiten und Lebens­ent­würfe der Indi­vi­duen erst recht zur freien Entfal­tung kommen. Hier wie über­haupt ging es, so Marx, um die «Entwick­lung der vollen Produk­tiv­kräfte der Einzelnen, daher auch der Gesell­schaft» (in dieser Reihen­folge).
Deshalb bedeu­tete der nach vorn hin weit offene, in keiner Weise vorge­zeich­nete Weg zum «Sozia­lismus» bzw. «Kommu­nismus» zunächst einmal «nur» eines: den Austritt aus der barba­ri­schen, von blanker Notdurft und physi­schem Zwang bestimmten «Vorge­schichte» der mensch­li­chen Gattung als einem «Reich der Notwen­dig­keit» – und die Eröff­nung ihrer eigent­li­chen Geschichte als einem «Reich der Frei­heit», in dem die Subjekte ihre Lebens­welt endlich mit Bewusst­sein würden gestalten können. Diese neue, nicht kapi­ta­lis­ti­sche Gesell­schaft wäre keine Idylle, sondern ein Kosmos noch gar nicht abseh­barer Heraus­for­de­rungen und Konflikte. Marx glaubte nur, dass diese Gegen­sätze und Reibungen, wie sie sich aus den unter­schied­li­chen Ambi­tionen, Tempe­ra­menten, Neigungen oder Meinungen der Einzelnen bzw. der viel­far­bigen, viel­spra­chigen, unter­schied­lich entwi­ckelten Menschen­gruppen ergeben würden, keinen unver­söhn­li­chen («antago­nis­ti­schen») Charakter mehr besässen. Sie müssten nicht mehr durch soziale, poli­ti­sche oder mili­tä­ri­sche Zwangs- und Gewalt­mittel entschieden werden, sondern könnten durch freie Über­ein­künfte und demo­kra­ti­sche Verfahren gere­gelt und in viel­sei­tigen Wett­be­werben ausge­tragen werden. In diesen würden sich die höheren Fähig­keiten, klügeren Konzepte, prak­ti­scheren Vorschläge und ästhe­ti­scheren Entwürfe schliess­lich durch­setzen können.
Bei allen wohl­be­grün­deten Einwänden, die sich gegen diese Gesell­schafts- und Geschichts­vor­stel­lung machen lassen: So beson­ders extra­va­gant kommt einem diese betont allge­meine, fast mit einem Bilder­verbot belegte Vorstel­lung vom «Kommu­nismus» dann auch nicht vor. Vor allem aber hat sie weder in den poli­ti­schen Inter­ven­tionen noch in dem mit Marx’ Namen verbun­denen geschichts­phi­lo­so­phi­schen und sozi­al­theo­re­ti­schen System – dem «Marxismus» – eine syste­ma­ti­sche oder program­ma­ti­sche Bedeu­tung gefunden. Marx konzen­trierte alle seine Energie auf die «Kritik der poli­ti­schen Ökonomie» der kapi­ta­lis­ti­schen Produk­tions- und Lebens­weise; die nur histo­risch tran­si­to­risch sein könne und an ihren urei­genen Wider­sprü­chen schei­tern müsse. Wann und wie, musste offen­bleiben.

Die Schicksale des «Marxismus»…

Der nach Marx’ Tod 1883 von Engels und anderen in eine fass­liche, teil­weise kate­che­ti­sche Form gebrachte «Marxismus», auch «wissen­schaft­li­cher Sozia­lismus» genannt (im Unter­schied zu einem bloss utopi­schen oder auch reak­tionär rück­wärts­ge­wandten Sozia­lismus), wurde nach und nach zum theo­re­ti­schen und welt­an­schau­li­chen Rück­grat des gesamten euro­päi­schen Sozia­lismus. Er war die grosse, alle sozialen, demo­kra­ti­schen und lebens­kul­tu­rellen Fragen umfas­sende Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gung dieses Zeit­al­ters, ohne die wir von einer «modernen» Gesell­schaft in irgend­einem posi­tiven Sinne viel­leicht gar nicht spre­chen könnten.
Die 1889 gegrün­dete «Sozia­lis­ti­sche Inter­na­tio­nale» blieb jedoch eine plura­lis­ti­sche Verei­ni­gung, so wie jede ihrer Mitglieds­par­teien es auch war; sie umfasste erklärte Refor­misten ebenso wie Radi­kale verschie­dener Couleur. Dazu gehörten vor allem diverse, vom Anar­chismus und Syndi­ka­lismus beein­flusste Ausleger in Südeu­ropa, von denen einige später im Welt­krieg zu «Faschisten» mutierten, oder eben eine östliche Sonder­for­ma­tion wie der bolsche­wis­ti­sche Flügel der Russ­län­di­schen Sozi­al­de­mo­kratie.

Dessen Gründer und Anführer Lenin hatte in einer Serie freier doktri­närer Adap­tionen das Schlag­wort einer «prole­ta­ri­schen Diktatur», das Marx im Fieber der nieder­ge­schla­genen 1848er Revo­lu­tion intern gele­gent­lich verwendet und laut Engels in seinem Requiem auf die im Blut erstickte Pariser Commune von 1871 als eine erste «Regie­rung der Arbei­ter­klasse» implizit gemeint hatte, mit eher blan­quis­ti­schen, aus dem russi­schen Intel­li­gen­zija-Radi­ka­lismus stam­menden Avant­garde-Vorstel­lungen fusio­niert. Lenin erklärte die «Diktatur des Prole­ta­riats» zum eigent­li­chen Kern eines «revo­lu­tio­nären Marxismus» und gab ihm eine Ausdeu­tung, die darauf hinaus­lief, dass es eine Arbei­ter­klasse im poli­ti­schen Sinne ohne eine Partei von Berufs­re­vo­lu­tio­nären gar nicht gebe – und also auch keinen Wider­spruch zwischen einer Klassen- und Partei­dik­tatur.
Der Welt­krieg 1914–1918, der die Inter­na­tio­nale zerriss und ihre Frie­dens­re­so­lu­tionen zur Maku­latur machte, gab Lenins extremer, monoman auf die Errin­gung der unge­teilten Macht gerich­teten Politik eine Reali­täts­basis, die sie in den viru­lenten sozialen und poli­ti­schen Konflikten des Russ­län­di­schen Reiches nicht hätte finden können. Seine Losung der Verwand­lung des Welt­kriegs in einen univer­sellen und inter­na­tio­nalen Bürger­krieg trieb ihn bis zum Vorabend der russi­schen Febru­ar­re­vo­lu­tion in eine nahezu totale Isola­tion. Aber nach seiner Rück­kehr im April 1917 brachte ihn gerade diese ziel­stre­bige Intran­si­genz ange­sichts des chao­ti­schen Kollapses des Impe­riums in die Posi­tion eines vermeint­lich konse­quenten Kriegs­geg­ners und Stif­ters einer neuen, eisernen Sozi­al­ord­nung – die er im Feuer eines verhee­renden, mit den Mitteln eines bedin­gungs­losen Terrors geführten Bürger­kriegs auch tatsäch­lich errichten konnte.
Ein inte­graler Teil dieser Usur­pa­tion der Macht war die Umbe­nen­nung seiner Partei in «Kommu­nis­ti­sche Partei Russ­lands» im März 1918, siebzig Jahre nach dem «Mani­fest» von 1848 – obwohl auch Lenin bis dahin den Namen und Begriff des «Kommu­nismus» kaum verwendet hatte. Jetzt erklärte er, dies sei «die wissen­schaft­lich einzig rich­tige Bezeich­nung» seiner Partei und ihrer Ziele. Gleich­zeitig entstand auf Basis der leni­nis­ti­schen Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zi­pien und impro­vi­sierten Sozi­al­dok­trinen eine neue «Kommu­nis­ti­sche Inter­na­tio­nale», die als eine demo­kra­tisch-zentra­lis­tisch verfasste, bolsche­wis­ti­sche Welt­partei firmierte – in schärfster Abgren­zung zur inter­na­tio­nalen Sozi­al­de­mo­kratie.

…bis nach China

So einzig­artig und erfolglos dieses Unter­nehmen war, bildete es doch die Petri­schale, in der die Embryonen und Führer­fi­guren der Kommu­nis­ti­schen Parteien sich ausbil­deten, die am Ende des Zweiten Welt­kriegs zu den Grün­dern eines neuen «sozia­lis­ti­schen Welt­la­gers» wurden. Einige von ihnen hatten sich, so wie Mao Tse-tung im Feld­lager in Jenan ab 1937/38, ein eigenes theo­re­ti­sches Funda­ment zu zimmern begonnen. Im Marxismus ursprüng­lich weit­ge­hend unbe­lesen, kannte Mao sich als ehema­liger roman­ti­scher Monar­chist und Natio­na­list in der klas­si­schen Lite­ratur seines Landes um so besser aus, aus der er auch als kommu­nis­ti­scher Partei­führer ausgiebig schöpfte.
So haben sich im Programm der bis heute an der Macht befind­li­chen Kommu­nis­ti­schen Partei Chinas Reste eines nomi­nellen Staats­so­zia­lismus ganz explizit mit älteren Gesell­schafts­vor­stel­lungen vermischt, etwa der «Da Tong», der Grossen Gemein­schaft als dem ideellen Flucht­punkt einer konfu­zia­ni­schen Staats­fa­mi­lien-Ideo­logie. Ange­sichts der hyper­ka­pi­ta­lis­ti­schen Ausrich­tung der heutigen Volks­re­pu­blik auf die Welt­märkte und Devi­sen­er­löse sind diese Programm­er­klä­rungen ideell genauso bedeu­tungslos und steril geworden, wie der doktri­näre Konfu­zia­nismus es einst für den Despo­tismus der chine­si­schen Kaiser gewesen ist. So weit in den obli­ga­to­ri­schen Ideo­lo­gie­schu­lungen immer noch und nun sogar wieder verstärkt die Kate­chismen und Formeln eines doktri­nären «Marxismus» herun­ter­ge­betet werden müssen, dann nur als reine Diszi­pli­nie­rungs- und Kondi­tio­nie­rungs­in­stru­mente. Um eine Eman­zi­pa­tion der arbei­tenden Menschen geht es dabei am aller­we­nigsten, umso mehr um die Grösse und den eisernen Zusam­men­halt der Nation.

Was bleibt?

Ganz jenseits all dieser poli­tisch-ideo­lo­gi­schen Adap­tionen und Muta­tionen liegt die epochale geis­tige Wirkung des Marx’schen Denk­modus, die sich über viele Etappen und Verzwei­gungen hinweg entfaltet hat, in den intel­lek­tu­ellen Debatten im Westen, weit mehr jeden­falls als im ehemals staat­li­chen Marxismus-Leni­nismus des Ostens. Weder die moderne Sozio­logie und Sozi­al­ge­schichte seit Max Weber noch die Ökonomie seit Schum­peter und Keynes, die sich auf den zeit­ge­nös­si­schen Kapi­ta­lismus als ein globales, dyna­mi­sches, alles umwäl­zendes und ratio­na­li­sie­rendes System einge­lassen haben, wären ohne den Marx’schen Anstoss denkbar gewesen. Der ganze Blick auf die Welt hat sich durch ihn wesent­lich verän­dert. Im Endergebnis, so der Marx-Biograph Francis Wheen, «haben weite Teile des west­li­chen Bürger­tums Marx’sches Gedan­kengut in ihren Ideen­haus­halt aufge­nommen, ohne es je bemerkt zu haben».

Dieser Text erschien erstmals auf Geschichte der Gegenwart.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 7.05.2018 um 12:18 Uhr
    Permalink

    Zwei Dinge: 1. Was hat Marx gesagt und 2. wofür haben ihn Demagogen verantwortlich gemacht? Betreffend Kritik an seiner Person halte ich mich an Karl Popper, sie ist gerechtfertigt.

    Was hat Christus gesagt und ist er auch für die christliche Inquisition verantwortlich? So wie Marx aus der Sicht von Ignoranten und Demagogen für den Holocaust?

    Warten wir doch auf Marx 400. Geburtstag, unter neuem Namen?

  • am 8.05.2018 um 09:27 Uhr
    Permalink

    Mit dem Autor bin ich völlig einverstanden. Marx war einer der bedeutendsten und hervorragendsten ANALYTIKER als Historiker, Politökonom und Soziologe. Darum wurde er eine grosse Gefahr für das System des Kapitalismus. Darum wurde er auch oft usurpiert, verfälscht, oft sogar von Leuten, die ihn gar nicht gelesen haben. Und ehrlich, wer von euch hat die drei Bände des «Kapital» schon mal gelesen? Auch wenn die Theorie noch nirgends wirklich in die Praxis umgesetzt werden konnte, ist Fakt, dass man auch nach fast 200 Jahren nicht um den guten alten Marxismus herumkommt. Das gilt auch, wenn man das erbärmliche Ergebnis des real existierenden Kapitalismus in Russland und den real existierenden «Sozialismus» in China berücksichtigt.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...