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Den Güllewagen erkennt schon die Nase - aber ist er schuld am verschmutzten Wasser? © CC

Gewässerschutz: Bauern, Bäcker und das Nitrat (Teil 2)

D. Gschweng /  Bauern düngen viel, weil sie Getreide mit hohem Eiweissgehalt ernten wollen. Warum ist der Eiweissgehalt im Getreide so wichtig?

Die meisten Landwirte produzieren, was gute Erlöse verspricht. Sie bauen unter anderem bevorzugt Weizen an, der bei der Ernte einen hohen Proteingehalt hat. Dafür allerdings müssen sie düngen. Das schadet unter Umständen den Gewässern, die danach zu viel Nitrat enthalten, wenn der Dünger ausgewaschen wird. Wieso, erfahren Sie in Teil 1 dieser Serie.

Aber warum muss der Proteingehalt im Weizen überhaupt so hoch sein? Um das herauszufinden, muss man einen Bäcker fragen. Qualitätsweizen ist Backweizen und Brot ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel in Europa. Gutes Brot ist luftig und flexibel und hat eine schöne Kruste. Es ist etwas feucht, aber nicht matschig und trocknet nur langsam aus. Für diese Eigenschaften sorgen hauptsächlich die Proteine im Mehl. Eine Voraussetzung für gutes Brot ist also guter Weizen.

Das Verlangen der Grossbäcker

Das in der Schweiz vorherrschende Weizenmehl enthält nach Auskunft des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbandes (SBC) etwa 11,5 bis 13,5 Prozent Rohprotein, darunter zwei wichtige Proteine, Glutenin und Gliadin. Sie sorgen dafür, dass der Teig Wasser speichert, weich, form- und dehnbar ist. Durch ein Treibmittel wie Hefe gebildete Gasblasen bleiben beim «Gehen-Lassen» des Teigs in der elastischen Masse hängen und lockern das Brot auf. Die beiden Proteine werden deshalb auch als «Kleber» bezeichnet. Roggenmehl enthält weniger Kleber als Weizenmehl, deshalb ist ein Roggenbrot deutlich schwerer und feinporiger als ein «Pain Paillasse».

Gutes Brot ist locker und hat eine knusprige Kruste.

Viel Protein hilft aber nicht automatisch viel. Neben der Menge der Proteine zählt auch ihre Zusammensetzung. Sie bestimmt, wie viel Wasser ein Teig speichern kann, was als Qualitätsmerkmal gilt. «Die Proteinqualität ist für die Verarbeitung entscheidend, denn sie beeinflusst das Verhalten des Teigs während des Gärprozesses», erklärt Daniel Jakob, Leiter der Fachstelle Qualitätssicherung und Arbeitssicherheit beim SBC. Stärke, den Hauptbestandteil des Korns, braucht es nebenbei auch. Eine Rolle spielen auch Art und Herstellung des Mehls. Den Müller sparen wir uns jetzt und notieren: Für die Herstellung von Brot ist es wichtig, dass das Mehl einen hohen Proteingehalt hat.

Der Rest ist Handwerkskunst

«Unsinn, ein guter Bäcker kann aus jedem Mehl gutes Brot backen», würde der übergangene Müller jetzt vielleicht sagen. Und hätte damit innerhalb gewisser Grenzen recht. Bäcker und Bäckerin können mit niedrigerem oder wechselndem Proteingehalt im Mehl umgehen, dafür müssen sie allerdings den Backvorgang anpassen. Das ist aufwendig und dauert auch mal länger, wenn sie nicht zu Zusatzstoffen greifen.

In der industriellen Produktion gibt es dazu kaum Spielraum. «In Grossbäckereien sind die meisten Prozesse automatisiert, Handarbeit wird nur noch selten angelegt», sagt Jakob. Mehl für Grossbäckereien müsse zwingend dieselbe hohe Qualität haben, sonst laufe die Verarbeitung nicht optimal und die Qualität schwanke. Ein Handwerksbäcker könne viel schneller und sensibler reagieren, auch weil er kleinere Mengen verarbeite. Und wenn es dennoch mit weniger Protein gehen müsste? «Das führt zu kürzerer Krumenstruktur, geringerem Brotvolumen und einem schnell altgebackenen Brot», sagt Jakob.

Einen besonders hohen Proteingehalt muss Aufbackware haben, die als tiefgefrorener Teigling von Grossbäckereien weiterverkauft wird, weil der Teig beim Einfrieren Wasser verliert. Im Einzelhandel, an Tankstellen und in Schnellbäckereien wird diese nur noch kurz aufgebacken. Den Kunden freut’s, er riecht das frische Brot im Laden und kann den ganzen Tag lang frische Brötchen und Gipfeli kaufen. An Nitrat im Grundwasser denken Konsumentinnen und Konsumenten dabei eher nicht.

Das also ist der Grund, warum Weizen viel Protein enthalten soll. «Weil der Markt es verlangt», begründet es der Bauer vielleicht. «Weil der Kunde es so will», sagt der Bäcker womöglich.
Unausweichlich ist das alles aber nicht – es gibt Alternativen. Welche, lesen Sie in Teil 3.


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4 Meinungen

  • am 16.10.2020 um 10:54 Uhr
    Permalink

    Also es liegt nicht nur am Nitrat-Gehalt des Weizens, sondern auch an derDauer des Gärungs-Prozesses und den könnte man ohne weiteres auch verlängern – wie das St.Gallerbrot beweist. Welches zwar oft vom Handwerker angeboten wird, aber nicht nur. Dank dem längeren «Hebel» werden die Aminosäuren-Moleküle ziemlich länger, was dem Brot einen besseren Goût verleiht und eine besser Haltbarkeit. Es ist also eher Bequemlichkeit und Scheu vor der Investition, welche den längeren Hebel nicht in den höher industrialisierten Ablauf einbauen lässt. Vielleicht bräuchte es noch etwas Tüfftelei, aber da sind wir Schweizer gut. Also weg mit dem Nitrat.

  • am 16.10.2020 um 21:48 Uhr
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    Vielen Dank für diesen interessanten Bericht – ganz ohne simple Schuldzuweisung und Effekthascherei. Einer Sache auf den Grund gehen, ist guter Jornalismus!

  • am 19.10.2020 um 14:37 Uhr
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    So ein Unsinn. Da wird für «guten» Weizen die Umwelt vergiftet, und am Ende landet alles in Industriebäckereien, die die schöne Weizenqualität mit ihren chemischen Reifungs- und Schnellbackverfahren in eine traurige Einheitsmasse verwandelt. Dann lieber schlechteren Weizen, der vom Biobäcker nach alter Handwerkskunst zu herrlichem Brot verwandelt wird.
    Wer einmal ein gutes Biobrot gegessen hat weiss, was ich meine.

  • am 29.10.2020 um 23:46 Uhr
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    Dieses längliche Brotseminar könnte stellenweise vom Migros-Filialleiter stammen:
    "Den Kunden freut’s, er riecht das frische Brot im Laden und kann den ganzen Tag lang frische Brötchen und Gipfeli kaufen. An Nitrat im Grundwasser denken Konsumentinnen und Konsumenten dabei eher nicht."
    „Das also ist der Grund, warum Weizen viel Protein enthalten soll. «Weil der Markt es verlangt», begründet es der Bauer vielleicht. «Weil der Kunde es so will», sagt der Bäcker womöglich.“ Vielleicht, womöglich, da wird alles etwas zurechtgebogen. Kein Kunde hat sich diese Fehlentwicklung gewünscht. Dabei ginge es kurz und bündig: Die Industriebäckereien verlangen glutenreiches Mehl, um Zeit zu sparen, nicht weil etwas Gutes daraus wird. Ein Roggenbrot mit weniger Eiweiss ist viel länger haltbar. Es geht um Prozessoptimierung für hohe Margen, ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Konsumentinnen (Zöliakie) und ohne Rücksicht auf Böden, Gewässer und Trinkwasser. Da braucht es dringend Korrekturen.

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