BettelndesKind_Kreta_SpaceShoe

Bettelndes Kind in der Stadt Xania auf Kreta © flickr/cc/Space.Shoe

In Griechenland hungern Kinder

upg /  Fahrlässige Kreditgeber wie Grossbanken und Hedge Funds erhalten Milliarden zurück – auf Kosten grosser sozialer Not.

Leonidas Nikas war es gewohnt, die Kinder spielen und lachen zu sehen. Heute sieht der Rektor einer Athener Primarschule, was er sich nie vorstellen konnte: Kinder, die in Abfallbehältern nach Nahrung suchen. Kinder, die ihre Kameraden um Essensreste bitten. Und den 11-jährigen Pantelis Petrakis, den Schmerzen plagen, weil er Hunger hat. «Er bekommt zu Hause fast nichts zu essen», klagte der Rektor einer Reporterin der «New York Times» bereits vor einiger Zeit. Seine Schule befindet sich in einem Arbeiterviertel in der Nähe des Hafens Piräus.
«Nicht in den wildesten Träumen hätte ich mir vorgestellt, so etwas zu erleben», versicherte Nikas. «Heute sind wir in Griechenland so weit, dass Kids hungrig in die Schule kommen.» Familien hätten nicht nur Probleme, eine Erwerbsarbeit zu finden, sondern zu überleben.

Eine Rosskur auf dem Buckel der Ärmsten

In Griechenland stieg die Arbeitslosigkeit auf fast dreissig Prozent. Gleichzeitig wurden Renten und Löhne um einen Viertel gekürzt, die Pensionskassen geplündert, die Steuern für die Mittelklasse und die Strompreise für alle erhöht. Nach Informationen des UN-Kinderhilfswerks Unicef wachsen heute in Griechenland ein Drittel aller Kinder in Armut auf.
Trotz dieser jahrelangen Rosskur hat die Verschuldung Griechenlands seit 2007 nicht etwa ab-, sondern zugenommen. Und zwar um happige vierzig Prozent auf 175 Prozent des heutigen Bruttoinlandprodukts.

Niemand war gezwungen, Griechenland Geld zu leihen
Die Rosskur hat das Land hoffnungslos überschuldet und den ärmeren Teil der Bevölkerung ins Elend gestürzt. Deshalb wehrt sich die neue griechische Regierung so vehement gegen eine Verlängerung dieser Politik.
Der neue Finanzminister Giannis Varoufakis erklärte es mit einem einfachen Beispiel: «Hätten Sie einer Freundin, die pleite ist, Ihre Kreditkarte gegeben?»

Tatsächlich waren Grossbanken und Hedge Funds nicht gezwungen, Griechenland Milliarden-Kredite zu geben und damit zu verdienen. Die eingegangenen Risiken hätten diese Grossbanken selber tragen müssen. «Es war niemand verpflichtet, Griechenland Milliarden-Kredite zu geben», bestätigt Marc Chesney, Professor für «Quantative Finance» an der Universität Zürich. Die Grossbanken «waren in der Lage, die Situation in Griechenland einzuschätzen».
Sie leiden an Fehlernährung
Alexandra Perri von der Mittelschule in Acharnes, einer Arbeiterstadt in der bevölkerungsreichsten Region Attica, berichtete, dass 60 von 280 Schülerinnen und Schüler an Fehlernährung leiden: «Sagen Sie diesen Familien einmal, es gehe mit Griechenland wieder aufwärts». Sie hätten nichts davon gemerkt. Wenn die Orthodoxe Kirche, Hilfsorganisationen der EU und andere Institutionen keine Früchte, Milch und Mahlzeiten verteilen würden, wäre das Elend noch viel grösser, berichtete die Korrespondentin der «New York Times».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Tsipras

Griechenland nach der Kapitulation

EU, EZB und IWF erzwangen Rückzahlungen an die fahrlässigen Kreditgeber – auf dem Buckel der Bevölkerung.

Hunger

Hunger und Fehlernährung weltweit

Alle Menschen auf der Erde können sich nicht so ernähren wie wir. Der Kampf um fruchtbare Böden ist im Gang.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

8 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 16.02.2015 um 12:31 Uhr
    Permalink

    Das Mitleid hält sich in Grenzen, wenn man bedenkt, dass die griechische Ausgabenpolitik der letzten 20 Jahre umgerechnet etwa die finanziellen Ausmasse von Deutschlands Kosten des 2. Weltkrieges angenommen hat, wiewohl diese mediterrane Art von Schuldenmachen gewiss unschädlicher war als der Weltkrieg. Für die vulgärfranziskanische Vorstellung, Banken zu enteignen und das Geld für arme Kinder auszugeben, sollte Papst Franziskus 500 Jahre Fegefeuer-Amnestie als klassischen römischen Ablass aussetzen. Das mit dem Ablass wäre für die griechische Schuldenkrise deswegen interessant, weil es für den Ministerpräsidenten und seinen genialischen, übrigens ideologisch nicht linken Finanzminister hauptsächlich um Zeit, nicht um Geld gehen soll, wie sie betonen. Über die Spielgeldtheorie von Finanzminister Vafourakis würde ich nicht ungern mal einen Fachartikel von Synes Ernst, dem brillanten infosperber-Kolumnisten, lesen.

  • am 16.02.2015 um 19:12 Uhr
    Permalink

    @Pirmin Meier: Die eigentlichen Zusammenhänge und Ursachen beschreibt Finanzminister Yanis Varoufakis ausführlich in seinem Buch «Der globale Minotaurus».
    Wenn ein Land dauerhaft massive Exportüberschüsse produziert, wie z.B. Deutschland, braucht es andere Länder mit entsprechendem Exportdefizit. Nur wenn man solch simplen Rechnungen ausblendet kann man ernsthaft glauben, dass Sparpolitik im Defizitland zum Erfolg führt. Ich hoffe sehr, dass die Griechen standfest bleiben und damit vielleicht endlich eine echte Lösung provozieren.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 16.02.2015 um 20:09 Uhr
    Permalink

    @Entschuldigung, es muss Janis Varoufakis heissen. Es wäre spannend, würde dieser Mann, dem kreative Ideen nicht abzusprechen sind, für den Wirtschaftsnobelpreis vorgeschlagen.

  • am 17.02.2015 um 09:53 Uhr
    Permalink

    Auf dem Buckel der untersten Kaste, wie immer und überall….
    Die Fehlinvestitionen der Grossanleger wurden mit EU-Kapital gerettet. Die Griechen hätten ihr Familiensilber verschachern sollen, den Hafen von Piräus an die Chinesen usw. Also die «Werkzeuge» verkaufen, um dann noch abhängiger zu werden? – wirklich sonderbare Rezepte der Troika! Gut hat die neue Regierung diese idiotischen Verkäufe gestoppt. Doch wie weiter? Insbesondere muss doch die Binnenwirtschaft wieder auferstehen. Ich denke, dies wird nur mit einer nationalen Parallel-Binnen-Währung gelingen. Es gibt historische Beispiele. Vielleicht weiss der «Haus-Historiker P.M.» etwas mehr über diese lokalen Währungen, welche nicht immer geduldet wurden, da die Hichfinanz nicht absaugen kann.
    Ich bin jedenfalls gespannt, ob der Professor Varoufakis dieses Instrument einsetzen wird.

  • am 17.02.2015 um 19:03 Uhr
    Permalink

    Keiner spricht mehr von den griechischen Millionären und Milliardären die ihre Millionen und Milliarden ins Ausland geschafft haben (auch in die Schweiz). In London haben sie in besten Wohnlagen Immobilien gekauft. Werden sie in Griechenland darauf angesprochen, endlich auch angemessen Steuern zahlen zu müssen, drohen sie mit Abwanderung. Und die Welt macht munter mit. Die Banken weltweit verweigern sich diesen Geldern nicht, ebenso nicht die Immobilienmakler. Hauptsache, die Kasse stimmt. Und die reichen Griechen selbst kennen da offensichtlich keine Skrupel, fühlen sich mit ihrem Land und ihren Landsleuten in keiner Weise verbunden. So interessieren sie sich auch nicht für hungernde Kinder und die Tatsache, dass, wer langfristig unterernährt ist, auch keine Bildungschancen mehr hat, weil Körper und Geist (Gehirn) Schaden nehmen. Im Irak ist auf diese Weise eine ganze Generation junger Menschen «geopfert» worden. Das alles interessiert sie offensichtlich nicht. Hier müsste der Hebel angesetzt werden, hier müsste man die griechische Regierung, das griechische Volk unterstützen. Doch Geld regiert die Welt, und so wird es wohl (und leider) auch bleiben.

  • am 17.02.2015 um 22:57 Uhr
    Permalink

    Ich muss Frau Michel recht geben, keiner spricht von griechischen Milliadären. Nur im deutschen TV wurde darüber gesprochen. In der griechischen Verfassung ist seit Jahrzenten festgeschrieben, dass eben diese Reichen und Superreichen praktisch keine Steuern zahlen müssen. Es liegt also bei der Regierung eine Verfassungsänderung anzustreben und die Steuern einzutreiben. Das ist fast so wahrscheinlich, wie dass Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen.
    Andererseits haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr europäische Unternehmen Arbeitsplätze nach Fernost verlagert. Nur diese Untermehnem können in Europa neue Arbeitsplätze schaffen. Politiker haben mit Ihren Reden noch keinen einzigen Arbeitsplatz hervorgebracht.
    Aber vieleicht hilft ja auch der berühmte lupenreine Demokrat und beste Freund von Gerhard Schröder den Griechen….. So kann dann auch Griechenland ein Teil von Neurussland — der Eurasischen Wirtschaftsunion werden. Und die EU wäre ihr größtes Sorgenkind los. Ist doch genial?!

  • am 18.02.2015 um 12:29 Uhr
    Permalink

    Griechische Reeder bezahlen keine Steuern. Das steht offenbar in der griechischen Verfassung.
    In der Schweiz, in Zürich bezahlen gewisse Grossbanken auch keine Steuern.
    Wer soll denn Steuern bezahlen, um die Infrastrukturen eines Landes, wie Bildung, Gesundheit, Verkehr usw. zu finanzieren? Wohl diejenigen mit Lohnausweisen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 18.02.2015 um 20:47 Uhr
    Permalink

    @Lachenmeier. Das Thema der Binnenwährungen war tatsächlich um 1991/92, zu Beginn des Untergangs von Jugoslawien, einer zum Teil kreative Sache. Ich könnte hier aber jetzt nicht ausholen, bin aber überzeugt, dass dort für Griechenland Anregungen zu finden wären.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...