PharmaWucher_SalonKopie

Wer stoppt die Pharmakonzerne? © CC/Salon

Bundesamt für Gesundheit toleriert Pharma-Wucher

upg /  Noch drei Jahre lang dürfen ausländische Pharmakonzerne Medikamente in der Schweiz zu einem Wechselkurs von 1.27 verkaufen.

Zwei Drittel aller Medikamente, welche die Schweizer Krankenkassen zahlen müssen, stammen aus dem Ausland. Noch bis im November 2014 durften sie den Kassen einen Drittel ihrer Arzneimittel zu einem Euro-Wechselkurs von 1.56 Franken verrechnen. Diesen Wucher hatte Infosperber wiederholt angeprangert.
Gegenwärtig können die ausländischen Pharmakonzerne einen Euro-Wechselkurs von rund 1.27 Franken verrechnen, weil sie zum verrechneten Durchschnittskurs der letzten zwölf Monate (zwischen 1.21 und 1.23) mit dem Segen des Bundesamts für Gesundheit eine «Toleranzmarge» von fünf Prozent oder sechs Rappen drauf schlagen dürfen.
BAG lässt Preise drei Jahre lang stehen
Von der jüngsten Aufwertung des Schweizer Frankens um mindestens 15 Prozent lässt sich das BAG nicht beeindrucken. Gegenüber der «Berner Zeitung» erklärte das BAG, das Bundesamt werde daran festhalten, die Medikamentenpreise nur alle drei Jahre zu überprüfen und allenfalls neu festzulegen: Jedes Jahr wird im November weiterhin nur ein Drittel aller Medikamente überprüft.
Das heisst im Klartext, dass die Pharmakonzerne einen Drittel aller kassenpflichtigen Medikamente noch bis im November 2017 zu einem fiktiven Eurokurs von 1.27 verkaufen dürfen.
Gegenüber Infosperber lässt BAG-Mediensprecher Daniel Dauwalder immerhin ein Türchen offen: «Zurzeit findet eine Anpassung der relevanten Verordnungsbestimmungen statt. Es ist noch nicht abschliessend bestimmt, wie der Bundesrat und das Eidgenössische Departement des Innern die neuen Verordnungsbestimmungen im Detail erlassen wird, und ob dies die aktuell gültige Regelung beeinflussen wird
Preisüberwacher Stefan Meierhans und SKS-Geschäftsleiterin Sara Stalder äussern sich in der «Berner Zeitung» empört. Beide fordern eine Weitergabe der Währungsgewinne für alle Medikamente spätestens ab nächstem Jahr: «Andere Branchen mussten sich nach dem Wegfall der Franken-Untergrenze innert Stunden mit dem neuen Kurs abfinden», erklärt Stalder.
Es geht um fast eine Milliarde Prämiengeld
«Es wäre ein volkswirtschaftliches Eigentor, wenn die Medikamentenpreise jetzt sofort dem neuen Wechselkurs angepasst würden», lässt sich Thomas Cueni von der Interpharma zitieren. Die Pharmaindustrie leide unter dem starken Franken genau gleich wie der Tourismus und die Maschinenindustrie.
Anders jedoch als diese andern Branchen können Schweizer Pharmakonzerne wie Roche oder Novartis vom fiktiven Wechselkurs profitieren, den das BAG den ausländischen Pharmakonzernen zugesteht. Denn die Preise der Medikamente der Schweizer Firmen setzt das BAG auf Grund eines Preisvergleichs mit europäischen Ländern fest. Je höher der bei diesem Vergleich zugrunde gelegte Eurokurs, desto besser für die Aktionäre von Roche und Novartis.
Nach Angaben des BAG mussten die Krankenkassen im Jahr 2013 Medikamente im Wert von 5,8 Milliarden Franken vergüten (Medikamente im stationären Spitalbereich nicht eingerechnet). Eine Preisdifferenz von 17 Prozent ergibt die Summe von 986 Millionen Franken, welche die Prämienzahlenden zu viel zahlen.
Das Argument der Arbeitsplätze zieht nicht. Falls die Pharmakonzerne weniger einnehmen, kann es dort zu weniger Arbeitsplätzen führen. Doch die Prämienzahlenden würden die 986 Millionen nicht unter die Matratze legen, sondern für Produkte anderer Branchen ausgeben. Das würde – nach der gleichen Logik – in diesen Branchen mehr Arbeitsplätze schaffen.

Siehe:
«Medikamente weiter zum Kurs von 1.56 Franken» vom 8.1.2013
DOSSIER: Medikamentenpreise

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor vertritt Prämienzahlende und Patienten in der Eidgenössischen Kommission für Arzneimittel.

Zum Infosperber-Dossier:

Konzerne_Politik

Politik in der Hand von Konzernen

Weltkonzerne sind mächtiger als manche Regierungen. Parlamente haben sie mit Lobbyisten und Geld im Griff.

Medikamente_Antibiotika1

Preise von Medikamenten

Medikamente verschlingen jeden vierten Prämienfranken. Warum müssen die Kassen viel mehr zahlen als im Ausland?

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 9.02.2015 um 17:55 Uhr
    Permalink

    Für mich hat das Kürzel BAG schon lange die Bedeutung «Bundesamt für Geschäftemacher.

  • am 10.02.2015 um 11:28 Uhr
    Permalink

    Ja Jürg, das ist milde ausgedrückt. google mal unter Ciba-Geigy Vitalstoffe, vom wissenschaftlichen Dienst .
    Dann gibt es MEZIS.de (mein Essen zahle ich selbst) Wenn jeder /jede den Arzt /die Ärztin fragt, warum sie nicht dabei sind, so gibt das eine Änderung. English: nofreelunch.org usw. (bis chinesisch, russisch usw).
    Heute in der Presse Deutschland Gesetzanpassung gegen
    Korruption im Gesundheitswesen, von MEZIS eingebracht.
    Dann in NGO nachlesen: Strophanthin. usw. oder bei Weleda nachfragen, oder Charité Berlin. Das sind nur einige Beispiele. Ganz wichtig wäre es, wenn sich Wirtschaftsbosse mal die Zahlen ansehenwürden, so wie sie sonst mit Zahlen umgehen. Selbst der Weltärztebund hat das schon gefordert. Warum engagieren sich da die
    Krankenkassen nicht?

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...