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Zu schlecht bezahlt: bei Walmart China rebellieren die Angestellten. Die Partei sieht zu. © CC

Aufstand im grossen Reich der Billiglöhne

Daniela Gschweng /  Chinesische Arbeiter protestieren gegen die Arbeitsbedingungen der US-Kette Walmart. Chinas Regierung lässt sie gewähren.

Proteste chinesischer Arbeiter gegen die US-Kette Walmart sind dabei, zu einer nationalen Bewegung zu werden, berichtet die «New York Times». Bisher gab es mehrere Streiks im Süden Chinas, im Nordosten werden Walmart-Stores boykottiert. In Shenzhen, einer Stadt im südlichen China, wo Walmart den ersten Laden in China eröffnete, haben Angestellte eine Klage um ausstehende Gehälter eingereicht.

Koordiniert und organisiert werden die Aktionen von Einzelpersonen wie dem 56-jährigen Ex-Walmart-Angestellten Wang Shishu über Chinas soziale Netzwerke. Mehr als ein Fünftel der etwa 100‘000 Angestellten bei Walmart China sind Mitglied einschlägiger Gruppen.

Demonstrationen – ja bitte. Wenn sie sich nicht gegen die Partei richten

Die Arbeit bei Walmart sei schlecht bezahlt und über die Massen anstrengend, werfen die Arbeiter dem US-Unternehmen vor. Kernpunkt der Auseinandersetzung ist ein neues Dispositionssystem, das Walmart vor kurzem eingeführt hat. Walmart sieht die Kritik als ungerechtfertigt an.

Die Proteste bringen die chinesische Regierung in eine schwierige Lage. An Partei und den offiziellen Gewerkschaften vorbei organisierte Arbeitnehmeraktionen dürfte es einerseits gar nicht geben. Andererseits: Unterdrückt die Regierung die Proteste, macht sie sich zum Gehilfen der weltgrössten Einzelhandelskette.


426 Walmart-Stores gibt es laut Walmart in China, etwa 12’000 sind es laut Statista weltweit. (Karte: Walmart)

Demonstrationen sind in China alltäglich. Die chinesische Wirtschaft lahmt und der Umbau in eine Dienstleistungsgesellschaft verläuft holprig. Viele Stellen im neuen Servicesektor sind Teilzeitstellen oder schlecht entlöhnt. Zwischen Juli und September gab es nach Angaben des China Labour Bulletin 124 Streiks bei Unternehmen im Dienstleistungssektor, doppelt so viele wie im Jahr davor und erstmals mehr als im Wirtschaftssektor Industrie, Gewerbe und Handwerk.

Die Zeiten ändern sich

Einige Unternehmen haben in Boni, Zusatzleistungen und Lohnnachzahlungen investiert, um Arbeitnehmerprotesten zuvorzukommen. Andere scheuen die Kosten und setzten wie Walmart auf Repression. Protestierende werden versetzt, bekommen keine Gehaltserhöhungen mehr oder werden entlassen.

Aber auch für ausländische Grossunternehmen haben sich die Zeiten geändert. Als Walmart vor zwanzig Jahren die ersten Niederlassungen in China öffnete, waren Arbeitsplätze bei dem US-Unternehmen gefragt, weil besser bezahlt als jene bei der chinesischen Konkurrenz.

Ein Billiglöhner mit zweifelhaftem Ruf

Inzwischen stand Walmart in den USA wegen Verletzungen des Arbeitsrechts mehrfach in der Kritik. In Verbindung gebracht wird das Unternehmen zudem mit den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der globalen Textilindustrie (Infosperber: «Die Ausbeutung in der Textilindustrie geht weiter»). Während sich die Verhältnisse in den USA gebessert haben, bezahlt Walmart in China noch immer Gehälter im Bereich des Mindestlohns.

Walmart ist nicht das einzige Grossunternehmen, das im Fokus selbstorganisierter chinesischer Streikbewegungen steht. Bei dem US-Kosmetikunternehmen Neutrogena, das zu Johnson&Johnson gehört, und China Unicom, einem staatlichen chinesischen Telekommunikationsunternehmen, wird ebenfalls protestiert. Solange sich die Proteste nicht gegen die Partei richten, werden sie meistens geduldet.

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts der «New York Times» erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


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