«Volksabstimmung zur Energiestrategie», aber wie?

Hanspeter Guggenbühl /  Die Energiebranche will eine «Volksabstimmung über den Grundsatz der Energiestrategie». Aber die Interessen klaffen auseinander.

Das Seilziehen um die «Energiestrategie 2050» wird die Schweizer Energiepolitik in den nächsten Jahren prägen, nachdem der Bundesrat am 4. September die Vorlage und Botschaft beschlossen und ans Parlament weiter geleitet hat. Im Lauf des nächsten Jahres wird der Nationalrat darüber brüten, anschliessend der Ständerat. Eine der Hauptbetroffenen, die im nationalen «Energieforum» vereinte Energiewirtschaft, kündigte an ihrer gestrigen «Sessionsveranstaltung» in Bern eine «erste Beurteilung» dieser umfangreichen Strategie an.

Forderung nach Volksentscheid

Dabei bestätigten die Referate, was schon zuvor absehbar war: Die Interessen der einzelnen Branchen klaffen auseinander und erschweren eine einheitliche Position. Das beginnt bei formellen Fragen: Der Präsident des Energieforums, Rudolf Steiner, forderte einerseits einen Grundsatz-Entscheid des Volkes zur Energiestrategie als Ganzes. Die Frage, wie das Volk befragt werden soll, liess er aber offen, ebenso die Frage, ob die Energiewirtschaft der Strategie grundsätzlich zustimmen oder sie ablehnen würde.

Eine Antwort fällt denn auch nicht leicht. Denn die Vorlage namens «Energiestrategie 2050» besteht aus einer Vielzahl von einzelnen Gesetzes-Revisionen. Erst wenn das Parlament alle Details bereinigt hat und die Vorlage als Ganzes in der Schlussabstimmung befürwortet, kann das Volk indirekt mitbestimmen. Das setzt voraus, dass entweder ein fakultatives Referendum ergriffen wird, oder dass das Parlament seine Vorlage freiwillig dem obligatorischen Referendum unterstellt. Ein vorgezogener Volksentscheid hingegen würde die Einbettung der Energiestrategie in einen Verfassungsartikel voraus setzen – ein Vorgehen, das der Bundesrat verworfen hat.

Kritik am Inhalt der Strategie

Inhaltlich geisselte Steiner die Energiestrategie des Bundesrates als «inkongruent» und als «nicht zielführendes Patchwork». Die einzelnen Massnahmen seien «nach wie vor nicht aufeinander abgestimmt», kritisierte auch der Präsident des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), Kurt Rohrbach.

Generell forderten Steiner, Rohrbach und der Präsident des Schweizerischen Gasverbandes, Hajo Leutenegger, weniger planwirtschaftliche Vorgaben, dafür «mehr Marktorientierung» – was immer das heissen mag. Denn marktorientierte Lenkungsabgaben, welche die bestehenden Marktverzerrungen im Energiemarkt korrigieren könnten, hatten die Verbände der Strom—und Gaswirtschaft stets abgelehnt.

Interessen klaffen auseinander

Mit ihrem Positionsbezug zur bundesrätlichen Energiestrategie will die Energiewirtschaft die parlamentarischen Beratungen in ihrem Sinne beeinflussen. Dabei wird es der Energiewirtschaft allerdings schwer fallen, mit einer einheitlichen Stimme zu sprechen. Das bestätigten die Referate von Strommann Rohrbach und Gasmann Leutenegger.

Beispiele: Die Stromwirtschaft setzt primär auf den Bau von zentralen Gaskraftwerken. Die Gaswirtschaft hingegen will Wärme und Strom primär in dezentralen Wärmekraft-Kopplungsanlagen erzeugen und Erdöl durch Erdgas ersetzen, um den CO2-Ausstoss zu senken. Dagegen wiederum wehrt sich die – an der gestrigen Veranstaltung des Energieforums abwesende – Ölwirtschaft. Diese Interessengegensätze dürften die Position der mächtigen Energiewirtschaft in den kommenden Verhandlungen schwächen.


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