Kommentar

"Zweite Röhre" bringt Nachhaltigkeit im Verkehr

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Grüne und Umweltverbände bekämpfen die zweite Strassenröhre durch den Gotthard. Zu Unrecht.

Immer im Sommer, wenn Ozonschwaden durchs Urnerland ziehn und der Stau die automobile Gesellschaft ferienhalber zusammen hält, kommt irgend ein Politverein und ruft nach der «zweiten Röhre»: 1987 waren es ACS und TCS. 1988 und 1998 folgten Bernhard Böhi sowie die Freiheitspartei selig mit ihren unvollendeten Initiativen. Im Jahr 2000 nahmen die Urheber der «Avanti»-Initiative einen neuen Anlauf. Und diesen Sommer wird – vielleicht – der Bundesrat den Bau einer zweiten Strassenröhre durch den Gotthard beantragen, um die erste besser flicken zu können.

Die Idee, nach dem ersten Bahn- und dem ersten Strassentunnel sowie zwei Neat-Durchstichen eine fünfte Verkehrsröhre durchs nationale Urgestein zu bohren, kam nie gut an: Das Volk, wenn es gefragt wurde, stimmte stets dagegen. Alpenschützer, Umweltverbände Grüne und Linke fürchten den Strassentunnel durch den Gotthard weiterhin wie der Teufel das Weihwasser. Das ist unbedacht. Denn nachdem die Idee der Nachhaltigkeit in Rio soeben gestorben ist, könnte sie am Gotthard auferstehen. Bei der fünften Verkehrsröhre handelt es sich nämlich um ein zweifach nachhaltiges Projekt.

Erstens kann ein zusätzlicher Gotthardtunnel den Verkehrsfluss auf der Nordsüd-Achse nicht weiter erhöhen, im Gegenteil: Wenn das angebliche Nadelöhr am Gotthard beseitigt wird, verlängern zusätzlich angelockte Ferienreisende und Transiteure die Staus auf der Autobahn im Raum Luzern sowie im Ballungsgebiet Lugano/Chiasso. Diese Engpässe vermindern nicht nur den alpenquerenden Durchfluss von Norden nach Süden, sondern lassen auch den Nahverkehr öfter zusammenbrechen. Das zwingt Luzernerinnen sowie Ticinesi, ihre Einkäufe statt im autobahnnahen Einkaufszentrum vermehrt wieder zu Fuss im Laden um die Ecke zu tätigen. Damit schonen sie die Umwelt.

Zweitens verschlingt der Bau einer zusätzlichen Strassenröhre mindestens zwei Milliarden Franken. Dieses Geld aus Treibstoffsteuern, das zweckgebunden für den Nationalstrassenbau verwendet werden muss, liesse sich im Gotthardgranit relativ sicher, schadlos und wirkungslos verlochen. Und es fehlte damit in Natur- und Siedlungsräumen, wo zusätzliche Strassen viel grösseren Schaden anrichten würden.

Kurzum, es gibt kaum ein Projekt, das den Leerlauf von Geld und Verkehr ebenso nachhaltig fördert wie die zweite Strassenröhre durch den Gotthard. Darum müssten auch die Grünen diesen politischen Ladenhüter jetzt anpreisen.


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3 Meinungen

  • am 25.06.2012 um 09:38 Uhr
    Permalink

    Sehr schön gegen den Strich gebürstet! Zum Schmunzeln.

  • am 25.06.2012 um 22:56 Uhr
    Permalink

    Ciao Hanspeter
    , zum Glück weiss ich, wie Du es meinst, sonst käme ich noch auf falsche Gedanken… Noch besser als in sinnlosen Gotthard-Löchern wäre das Geld wohl in Alternativenergien oder Eisenbahnprojekten investiert.
    Herzliche Grüsse
    Alf

  • am 1.07.2012 um 18:41 Uhr
    Permalink

    Verflixt, wenn alle so begeistert sind von der Idee dann sollten wir doch mitmachen und uns auch von der „2. Loch-Euphorie“ anstecken lassen und endlich ja sagen, … ein ja aber, denn wie bei der Einführung der Sackgebühr die Abfallmengen erheblich reduziert werden konnten, haben wir nun die Chance die Blech-Transporteure in den Schranken zu halten mit einer Duchfahrtsgebühr von, meinetwegen mindestens 200.- fr. pro Person und Vehikel.

    Ihr werdet sehen wie der Abfall, sorry die blechbefrachtete-urlaubsüchtige-nordländer schnellstens andere Wege suchen werden !
    Also zielen wir darauf die Verfassung zu ändern wo ja dummerweise steht dass der Strassenverkehr gebührenfrei sein muss … das war gestern, Heute gilt es nicht mehr. Auch die Meinungen in Bern haben sich ja gewandelt, also warum nicht auch die verstaubte Verfassung aktualisieren ? …

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