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Die Konferenz Rio+20 findet vom 20. bis 22. Juni 2012 in Rio de Janeiro statt © breogan67/wikipedia/cc

«Rio+20»: Neuer Start mit alten Konflikten

Hanspeter Guggenbühl /  Rio-Serie, 2. Teil: «Die Zukunft, die wir wollen», soll uns der Erdgipfel bringen. Doch nicht alle wollen das Gleiche.

Die Natur soll spriessen, die Wirtschaft florieren, und der Gesellschaft soll es wohl ergehen. So stellten sich die Regierungen, die sich 1992 zur ersten UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro versammelten, die «nachhaltige Entwicklung» vor. Die bisherigen Resultate aber, so zeigte der erste Teil unserer kleinen Serie, blieben mehrheitlich hinter den Ansprüchen zurück.

Alte Gräben und Konflikte

Die Nachfolgekonferenz «Rio+20», die vom 20 bis 22. Juni 2012 in der gleichen Stadt stattfindet, soll der alten Idee nun neuen Schwung verleihen. «Die Welt, die wir wollen», lautet das Motto. Der Begriff «nachhaltige Entwicklung» soll inhaltlich konkretisiert und gezielter umgesetzt werden. Doch das Grundproblem bleibt: Zwischen den Ansprüchen von Ökologie, Ökonomie und Sozialleben bestehen Konflikte, die sich mit dem schönen Wort «Nachhaltigkeit» zwar verwischen, aber nicht beseitigen lassen.

Kommt dazu: Die verschiedenen Staaten und Klassen gewichtigen die Ziele unterschiedlich: Den materiell Satten steht der Schutz der Natur näher, den Armen die wirtschaftliche Entwicklung. Und die Benachteiligten pochen primär auf sozialen Ausgleich.

Am ersten Erdgipfel von 1992 verlief der Graben vor allem zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern, von denen sich einige mittlerweile zu aufstrebenden Schwellenländern entwickelt haben. Im Vorfeld des zweiten Erdgipfels hingegen stehen sich mehr oder weniger ambitionierte Staaten sowohl aus der ersten als auch der dritten Welt gegenüber. Zu den Ambitionierten zählen Beobachter die EU-Staaten, die Schweiz sowie Entwicklungsländer wie etwa Kolumbien und Ecuador. Zu den Bremsern gehören die USA, die sich schon früher von wesentlichen Umweltabkommen verabschiedeten, aber auch Schwellenländer wie China, die sich auf ihrem wirtschaftlichen Vormarsch möglichst wenig Schranken wünschen.

«Grüne Wirtschaft» stösst auf Widerstand

Inhaltlich wird sich der zweite Erdgipfel in Rio mit vier Hauptthemen beschäftigen:

• Grüne Wirtschaft: Unter diesem Schlagwort wollen Industriestaaten die Interessen von Wirtschaft und Naturerhaltung versöhnen nach dem Motto: Mehr BIP mit weniger Naturverbrauch; und nebenbei ihren Cleantech-Branchen zu besseren Exportchancen verhelfen. Dagegen besteht zweierlei Skepsis: Länder im Süden fürchten, der reiche Norden strebe eine neue Form von Kolonisierung an und schränke den Aufstieg des Südens im globalen Markt ein. Drittwelt-Organisationen kritisieren, die «Green Economy» vernachlässige das Soziale und mithin den dritten Punkt des magischen Nachhaltigkeits-Dreiecks.

• Ziele setzen: Ambitionierte Staaten möchten die Milleniums-Ziele zur Bekämpfung von Armut und Hunger ergänzen und mit konkreten Nachhaltigkeits-Zielen verknüpfen. Zu ihnen gehört auch die Schweiz, deren Auftritt an internationalen Konferenzen meist progressiver ist als ihre nationale Umweltpolitik. Diese «Sustainable Goals» sollen den schwammigen Begriff «Nachhaltigkeit» mit Inhalt füllen und überprüfbar machen, ob und wie nachhaltig sich die Welt entwickelt.

• Strukturen schaffen: Innerhalb der UNO sollen bessere Strukturen und neue Organe geschaffen werden, um die Postulate zur nachhaltigen Entwicklung umzusetzen. Die Schweiz plädiert für einen Nachhaltigkeits-Rat. Mächtige Staaten wie die USA hingegen zeigen wenig Interesse, Macht, Einfluss und Kompetenzen an die UNO abzutreten.

• Konkrete Massnahmen: Ökologische Missstände wie etwa die Plünderung der Meere oder die Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten sollen mit Abkommen oder Einzelmassnahmen bekämpft werden. Verschiedene Untergruppen widmen sich in den Vorkonferenzen diesen Themen.

Verhandlungen verlaufen harzig

Globale Konferenzen allein bringen keine Lösungen, sondern lediglich Absichtserklärungen, im besseren Fall verbindliche Konventionen. Der Erfolg oder Misserfolg des Erdgipfels «Rio +20» hängt also davon ab, wie verbindlich die Formulierungen in der Schlusserklärung ausfallen werden, und ob eine solche Deklaration überhaupt akzeptiert oder nur «zur Kenntnis» genommen wird.

Ob und wie weit die Konferenz Fort- oder Rückschritte bringen wird, lässt sich für Aussenstehende kaum abschätzen. Von Staats- oder Verbandsdelegationen hört man im Vorfeld stets den gleichen Tenor: Die Verhandlungen seien «schwierig» oder «anspruchsvoll», aber es bestehe Hoffnung, dass an der Konferenz ein «Durchbruch» oder ein «erfolgreicher» Abschluss gelinge.

Bemerkenswert deutlich nahm diesmal der Leiter der Schweizer Verhandlungsdelegation, Franz Perrez, Stellung. Er leitet die Abteilung Internationales des Bundesamtes für Umwelt. «Die Verhandlungen gehen schleppend voran», erklärte er nach Abschluss einer Vorkonferenz in New York und ergänzte: «Es fehlt an einer ambitionierten Führung durch die Konferenzleitung und seitens Brasiliens als Gastgeberland.» Auch die meisten andern Staaten zeigte laut Perrez «wenig Ambitionen und Visionen». Wetten, dass die Stellungnahme der Schweizer Delegation am Ende der Konferenz positiver oder zumindest diplomatischer ausfallen wird.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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