Ständerat geht zögernd Richtung AKW-Alternativen

Hanspeter Guggenbühl /  Infosperber fasst die wesentlichen Beschlüsse des Ständerats zur Schweizer Energiepolitik zusammen.

In der Session «Kernenergie und alternative Energien» behandelte der Ständerat am Mittwoch und Donnerstag insgesamt 60 Vorstösse zur Schweizer Energiepolitik. Dabei folgte er mehrheitlich dem Nationalrat. Hier die wesentlichen Beschlüsse:

Was der Ständerat befürwortet hat

o «Es dürfen keine Rahmenbewilligungen zum Bau neuer Kernkraftwerke erteilt werden.» Das beschloss der Ständerat per Motion und folgte damit wörtlich dem Nationalrat. Sein Bewilligungsverbot ergänzte der Ständerat – im Unterschied zum Nationalrat – mit dem Zusatz: «Damit wird kein Technologieverbot erlassen.» Auch die nukleare Forschung soll weiter geführt werden. Diese Beschlüsse sollen im revidierten Kernenergiegesetz verankert werden, nicht in der Bundesverfassung. Das heisst: Das Volk kann darüber nur entscheiden, wenn das fakultative Referendum gegen die Gesetzesrevision ergriffen wird.

o Der Ständerat verlangt vom Bundesrat eine «Strategie», um den künftigen Schweizer Strombedarf ohne Atomenergie und möglichst unabhängig vom Ausland sicher zu stellen. Dazu soll die Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz «zielführend verstärkt» werden. Das Gleiche wollen Bundes- und Nationalrat.

o Die Schweiz soll am europäischen AKW-Stresstest teilnehmen. Das verlangt eine Motion von Anita Fetz (SP/BS), die der Ständerat überwies (und die der Nationalrat später wohl ebenfalls akzeptieren wird).

o Der Ertrag der bestehenden CO2-Abgabe auf Brennstoffen, deren Ertrag mehrheitlich an die Bevölkerung und Wirtschaft zurück erstattet wird, soll künftig vollständig zur Subventionierung von Gebäudesanierungen verwendet werden. Die Lenkungsabgabe würde damit in eine Förderabgabe umgewandelt, dürfte aber nicht weiter erhöht werden. Eine entsprechende Motion von Ständerat Pankraz Freitag (FDP/GL) unterstützte der Ständerat mit hauchdünner Mehrheit; damit sie überwiesen wird, braucht sie allerdings noch die Zustimmung des Nationalrats.

o Der Bundesrat soll den Stromverbrauch von Geräten und Anlagen zwar begrenzen, aber nicht so schnell und konsequent, wie das der Nationalrat beschlossen hatte. So hat der Ständerat die verbindlichere Motion von Nationalrat Ruedi Noser (FDP/ZH) verwässert.

o Die Bewilligungsverfahren für Stromnetze und Kraftwerke, die erneuerbare Energie nutzen, sollen gestrafft und beschleunigt werden, ebenso die Behandlung von Einsprachen. Der Ständerat überwies dazu mehrere Motionen aus dem Nationalrates.

o Strom aus neuen erneuerbaren Energien soll stärker quersubventioniert werden: Der Ständerat unterstützte dazu die Motion von Nationalrätin Brigitte Häberli, die fordert, dass der «Deckel» der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) aufgehoben wird. Er folgt damit dem Nationalrat.

o Das Ausbauziel für die Wasserkraft soll von zwei auf fünf Milliarden Kilowattstunden Jahresproduktion erhöht werden. Das beschloss der Ständerat analog zum Nationalrat – und programmiert damit einen Konflikt mit dem Naturschutz.

o Der Bund soll die Nutzung von Erdwärme (Tiefe Geothermie) speziell fördern. Der Ständerat unterstützte dazu zwei Motionen von Ratsmitglied Felix Gutzwiler (FDP/ZH).

Mit der Unterstützung dieser und weiterer Vorstösse im Parlament ist nichts endgültig entschieden. Denn zur Umsetzung muss der Bundesrat entsprechende Gesetzesänderungen beantragen. Damit kommen die entsprechenden Forderungen später erneut vors Parlament und allenfalls vors Volk.

Was der Ständerat abgelehnt hat

o Die Laufzeit der bestehenden Kernkraftwerke wird NICHT auf 50 Jahre begrenzt. Eine entsprechende Motion zog Ständerätin Anita Fetz (SP/BS) am Mittwoch zurück, um die absehbare Ablehnung abzuwenden. Damit sollen, so beschloss auch der Nationalrat, die alten Schweizer Atomkraftwerke unbefristet weiter laufen, nämlich so lange, wie die Aufsichtsbehörde Ensi sie als sicher beurteilt. Eine Befristung der Lebensdauer der bestehenden Atomkraftwerke auf 45 Jahre sieht hingegen eine von den Grünen lancierte Volksinitiative vor.

o Das Verbandsbeschwerde-Recht für Energieprojekte soll NICHT abgeschafft werden, wie das der Nationalrat beschlossen hat. Mit diesem Entscheid kommt der Ständerat den Umweltverbänden entgegen.

o Der Bund soll KEINE Energiespar-Standards für Neubauten und Altbau-Sanierungen verordnen. Eine entsprechende Motion von SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger lehnte der Ständerat ab.

o Die Subvention von Gebäudesanierungen soll NICHT mit der Pflicht zur verbrauchsabhängigen Heizkosten-Abrechnung (VHKA) verknüpft werden. Entsprechende Motionen aus dem Nationalrat lehnte der Ständerat deutlich ab.

Nicht alle Vorstösse, die der Ständerat gestern ablehnte, sind endgültig vom Tisch. Der Bundesrat wird nächstes Jahr eine Vorlage präsentieren, die zeigt, welche Mittel notwendig sind, um den beabsichtigten langfristigen Ausstieg aus der Atomenergie umzusetzen. Damit können abgelehnte Begehren dem Parlament erneut vorgelegt werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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