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Das Wachstum der (Bau-)Wirtschaft verschlingt mehr Energie als gespart wird © NelsonLuizWendel/Flickr_Baustelle

Energieverbrauchsrekord wegen Wirtschaftswachstum

Hanspeter Guggenbühl /  Die Schweiz verbrauchte 2010 mehr Energie denn ja. Grund: Das Wachstum der Wirtschaft war stärker als die Energiepolitik.

Förderprogramme für Energieeffizienz, Energieetiketten sowie Subventionen für Gebäudesanierungen haben den langfristigen Trend nicht gewendet: Letztes Jahr verbrauchten Unternehmen, Haushalte und Verkehr in der Schweiz mehr Energie denn je. Diesen von Infosperber schon im März geschätzten Befund bestätigten jetzt die offiziellen Daten des Bundesamtes für Energie: Mit total 911 550 Terajoule (das entspricht umgerechnet pro Kopf rund 3200 Liter Heizöl) war der gesamte End-Energieverbrauch 2010 um 4,4 Prozent höher als im Vorjahr und um 1,8 Prozent höher als im bisherigen Rekordjahr 2008.

Erneuerbare Energie marginal

Unterschiedlich verlief die Entwicklung bei den einzelnen Energieträgern: Gegenüber dem Vorjahr wuchs der Verbrauch von Erdgas mit 10,8 Prozent überdurchschnittlich, jener von Strom (plus 4,0 %) und Erdölprodukten (plus 2,3 %) unterdurchschnittlich. Erdöl, Erdgas und Strom machen zusammen 91 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs aus.

Der Rest entfällt auf Kohle, Fernwärme, Industrieabfälle, Holz sowie «übrige erneuerbare Energien» wie Umweltwärme und Solarenergie. Diese übrigen Erneuerbaren erzielten 2010 zwar die höchsten Wachstumsraten, aber auf tiefem Niveau. Denn ihr Anteil am Gesamtenergieverbrauch beträgt lediglich 1,6 Prozent. .

Klimaziel erneut verfehlt

Aus den Daten über den Öl-, Gas- und Kohleverbrauch lässt sich die Klimabilanz abschätzen: Der inländische CO2-Ausstoss stieg 2010 gegenüber dem Vorjahr um rund 3,5 Prozent und lag damit deutlich über dem Stand von 1990. Damit hat die Schweiz das Kyoto-Protokoll im Jahr 2010 noch stärker verletzt als in den beiden Vorjahren. Denn dieser Vertrag verpflichtet die Schweiz, die Emissionen von CO2 und weiteren klimawirksamen Gasen in der Periode 2008 bis 2012 um acht Prozent unter das Niveau von 1990 senken, wobei diese Reduktion mindestens zur Hälfte im Inland erfolgen muss.

Kurzfristig ist der Mehrverbrauch und höhere CO2-Ausstoss im Jahr 2010 vor allem auf die kühleren Wintermonate und das Wachstum der Wirtschaft zurück zu führen. So stieg das teuerungsbereinigte Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP real) 2010 um 2,6 Prozent gegenüber 2009, nachdem es 2009 gegenüber dem Vorjahr gesunken war. Das BIP real ist der wichtigste Gradmesser für die Entwicklung der Bevölkerung und der Wirtschaftsleistung pro Kopf; beide Faktoren sind 2010 grösser geworden.

Der Spiegel der Wirtschaft

Auch langfristig besteht ein enger Zusammenhang: Wächst die Wirtschaft, so wächst tendenziell der Verbrauch von Energie, insbesondere von Elektrizität. Während Regierungen und die meisten Ökonomen das Wachstum der Wirtschaft als Erfolg feiern, strebt die Energie- und die Klimapolitik eine Reduktion des Energieverbrauchs und CO2-Ausstosses an. Das ist auch im jüngsten Jahrzehnt misslungen: Von 2000 bis 2010 wuchs das BIP real um 16 Prozent, der Stromverbrauch um 14 und der Energieverbrauch insgesamt um 6 Prozent; dies bei jährlichen witterungsbedingten Schwankungen.

Immerhin wuchs der Energiebedarf insgesamt seit der Jahrtausendwende weniger stark als die Wirtschaft. Verbrauchsvorschriften, Förderprogramme und Subventionen haben die Energieeffizienz von Gebäuden, Autos und Geräten erhöht. Aber nicht genug. Das Wachstum der Menge überwog die Effizienzsteigerungen. Zudem gab es innerhalb des Energieverbrauchs eine Verlagerung – weg vom Erdöl, hin zur Elektrizität.

Umkehr im laufenden Jahr?

Obwohl die Schweizer Wirtschaft 2011 – abgeschwächt – weiter wächst, wird der Verbrauch im laufenden Jahr kaum weiter steigen. Das liegt weniger an der Energie- oder Klimapolitik als an zwei äusseren Einflüssen: Die ersten drei Wintermonate im Jahr 2011 waren extrem warm; das senkte den Bedarf an Heizenergie. Zudem verringert der sinkende Euro-Kurs die Differenz zwischen billigem Benzin in der Schweiz und teurerem Benzin in den umliegenden Staaten. Damit schwindet der Anreiz zum Tanktourismus, was den Benzinabsatz in der Schweiz vermindern dürfte.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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