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Bau der Staumauer des Axpo-Pumpspeicherwerks Linth-Limmern im Kanton Glarus © axpo

ETH-Studie: Pumpspeicherwerke sind Kostentreiber

Kurt Marti /  Wirtschaftspräsident Heinz Karrer liess ein kostentreibendes Pumpspeicherwerk bauen und fordert heute «kompetitive Energiepreise».

Im April 2014 verbreitete der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) die Meldung, die Rentabilität der bestehenden Schweizer Wasserkraftwerke sei «stark gefährdet». Infosperber forderte den Lobbyverband VSE auf, diese Behauptung mit Fakten zu belegen. Darauf behauptete der VSE, die durchschnittlichen Gestehungskosten bestehender Schweizer Speicher- und Laufwasserkraftwerke würden «bei rund 7 Rp./kWh» liegen. Infosperber widerlegte diese Behauptung aufgrund bisheriger Studien und zeigte auf, dass die Gestehungskosten für Lauf- und Wasserkraftwerke viel tiefer liegen, nämlich bei 4,8 bis 5,7 Rp./kWh. Kostentreiber hingegen sind die Pumpspeicherkraftwerke mit 7 Rp./kWh (siehe Infosperber: «Das PR-Märchen von der unrentablen Wasserkraft»).

Kostensteigerung von 44 Prozent innert dreier Jahre

In einer neusten Studie des ETH-Instituts «Centre for Energy Policy and Economy» CEPE im Auftrag des Bundesamtes für Energie BFE werden die damaligen Feststellungen von Infosperber bestätigt. Laut CEPE-Studie sanken die durchschnittlichen Gestehungskosten des Schweizer Wasserkraftstroms von 2000 bis 2008 und stiegen dann u. a. «wegen dem erhöhten Finanz- und Amortisationsaufwand» der Pumpspeicherwerke wieder an.

Die Rede ist von den Milliardeninvestitionen in neue Pumpspeicherkraftwerke (Linth-Limmern/Axpo; Nant de Drance/Alpiq), welche laut CEPE-Studie die Produktionskosten der Pumpspeicherwerke von 6,8 Rp./kWh im Jahr 2010 auf 9,8 Rp./kWh im Jahr 2013 hochtrieben, kalkuliert mit einem WACC von 4,5 % (Weighted Average Cost of Capital/Gewichteter durchschnittlicher Kapitalkostensatz). Das entspricht einer Kostensteigerung von sagenhaften 44 Prozent innert dreier Jahre. Von 2000 bis 2013 betrugen die durchschnittlichen Produktionskosten der Pumpspeicherwerke 7,4 Rp./kWh, jene der Lauf- und Speicherkraftwerke lagen mit 4,7 Rp./kWh bis 5,9 Rp./kWh bedeutend tiefer (siehe CEPE-Grafik).

Economiesuisse fordert «kompetitive Energiepreise»

Neben den kostentreibenden Investitionen in die Pumpspeicherwerke ist laut der CEPE-Studie der tendenziell gegen Null sinkende «Spread», d.h. die Preisdifferenz zwischen den Spitzen- und Schwachlastperioden, ein wichtiger Grund für die mangelnde Rentabilität der Pumpspeicherwerke. Davor hat eine weitere CEPE-Studie bereits im Jahr 2006 eindringlich gewarnt: «Wenn langfristig zu Marktpreisen gepumpt werden muss, dann lohnen sich diese Projekte nicht.» Solche Warnungen wurden von den verantwortlichen Verwaltungsräten und Managern der Schweizer Stromkonzerne in den Wind geschlagen, weil sie sich von den kurzfristig lockenden Gewinnen in die Falle locken liessen.


Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer, früher Axpo-Chef

Zum Beispiel der Stromkonzern Axpo baut zurzeit das Pumpspeicherwerk Linth-Limmern im Kanton Glarus, das über zwei Milliarden Franken verschlingt und dessen Rentabilität in den Sternen steht. Der heutige Economiesuisse-Präsident und frühere Axpo-Chef Heinz Karrer forderte letzte Woche vor den Medien «kompetitive Energiepreise». Einerseits predigt also Karrer «kompetitive» Strompreise, andererseits ist er mitverantwortlich für den Bau der kostentreibenden Pumpspeicherwerke. Ist das nicht ein Widerspruch, der an seiner Glaubwürdigkeit und jener der Economiesuisse kratzt?

Kostentreibende Pumpspeicherung ist «nachvollziehbar»

Von einem Widerspruch will Karrer auf Anfrage nichts wissen. Im Gegenteil, für den Prediger tiefer Energiepreise «ist es nur nachvollziehbar, dass die Gestehungskosten der Wasserkraft wegen der Gestehungskosten der Pumpspeicherkraftwerke zugenommen haben», denn «die letzten grossen Wasserkraftinvestitionen» seien auf das Konto der Pumpspeicherwerke gegangen.

Ob und in welchem Umfang das Projekt über den Zeithorizont von 80 Jahren rentiere, hänge «von verschiedenen, insbesondere auch politischen Faktoren ab. Unter anderem stellt sich die Frage, ob im europäischen Binnenmarkt längerfristig Kapazitätsmärkte eingeführt und wie diese genau ausgestaltet werden. Dies beeinflusst die Volatilität in erheblichem Masse und diese wiederum die Rentabilität».

Eine elegante Umschreibung für eine milliardenschwere Fehlinvestition, die auf absehbare Zeit den Strompreis kostentreibend beeinflussen wird. Ist Karrer also ein Wasserprediger? Überhaupt nicht, meint Karrer, indem er das Credo der freien Marktwirtschaft beteuert: «Ich habe mich sowohl in meiner Zeit als Axpo-CEO wie auch in meiner jetzigen Funktion als Präsident von Economiesuisse immer für eine vollständige Öffnung der Märkte mit adäquater Regulierung und damit für kompetitive Energiepreise in der Schweiz eingesetzt.»

Karrer lässt die Katze aus dem Sack

Schön gesagt, aber bleiben wir bei der Realität «kompetitiver Energiepreise». Wer also soll für die Fehlinvestition in das Pumpspeicherwerk Linth-Limmern jetzt und in den nächsten Jahren zahlen? Soll es «eine staatliche Intervention» sein, wie es die CEPE-Studie vorschlägt? Nein, sagt Karrer, er habe sich «sowohl in meiner damaligen wie auch in der jetzigen Funktion gegen Subventionen für die Wasserkraft ausgesprochen». Den Investitionsentscheid habe die Axpo getroffen und entsprechend trage die Axpo «die damit verbundenen Chancen und Risiken».

Damit ist die Katze aus dem Sack: Die Risiken tragen weder der ehemalige Axpo-CEO Heinz Karrer, noch die gutbezahlten Verwaltungsräte, sondern die Stromkundinnen und Stromkunden über den Strompreis. Diese versteckte Art von Subventionen garantiert auch weiterhin, dass die grossen Schweizer Stromkonzerne trotz Milliardenverlusten nicht pleitegehen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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