Volvic

Der Danone-Konzern verbraucht in Volvic 10 mal mehr Wasser als alle 4500 Bewohner/innen zusammen © wikipedia

Danone-Konzern hielt Wasser-Gutachten zurück

Tobias Tscherrig /  Der Danone-Konzern fördert in Volvic riesige Mengen an Wasser. Nun versiegt ein Bach. Ein warnendes Gutachten blieb geheim.

In Zusammenarbeit mit dem Journalisten-Kollektiv «We Report» und der Unterstützung durch «Journalismfund.eu» veröffentlichte «Die Zeit» kürzlich eine Recherche, die den Kampf um die Ressource Wasser einmal mehr beispiellos skizziert. Im Mittelpunkt steht der Danone-Konzern aus Paris mit 25 Milliarden Euro Jahresumsatz, der in der französischen Gemeinde Volvic riesige Mengen Wasser fördert, in Flaschen abfüllt und dabei verspricht, «nur so viel Wasser zu entnehmen, wie es die Natur erlaubt.»

Die von der «Zeit» aufgedeckte Realität sieht anders aus: Seit Jahren beobachten Anwohnerinnen und Anwohner, dass die lokalen Bäche weniger Wasser führen, während an einem einzigen Tag mehr als 200 Lastwagen und einige Dutzend Güterzüge die Abfüllanlage von Danone in Volvic verlassen und Mineralwasser in Plastikflaschen an die Supermärkte in aller Welt liefern. Nun ist ein Bach versiegt – und der Konzern hat ein warnendes Gutachten zurückgehalten.

Ortsansässiger Unternehmer gegen Weltkonzern
«Die Zeit» beruft sich in ihrer Recherche auf vertrauliche Dokumente, die auch der französischen Internetzeitung «mediapart» vorliegen. Diese Dokumente sollen nicht nur den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen der massenhaften Förderung von Mineralwasser und der Wasserknappheit der Region erhärten, sondern auch darauf hindeuten, dass der Danone-Konzern und die Behörden seit Jahren von diesem Zusammenhang wissen.

Es ist der ortsansässige Unternehmer Edouard de Féligonde, der sich gemäss der «Zeit»-Recherche mit dem Weltkonzern Danone anlegt. Seit Jahrhunderten betreibt die Familie von de Féligonde in der Nähe von Volvic eine Fischzucht, die sogar zum historischen Erbe von Frankreich erklärt wurde. Das Wasser für die verpachteten Becken der Fischzucht stammt eigentlich vom Bach Gargouilloux, der auch Trinkwasser für die Region liefert. Allerdings sitzt de Féligonde seit zwei Sommern auf dem Trockenen, der Zubringer-Bach liefert kein Wasser mehr. Wie die «Zeit» schreibt, soll es rund acht Millionen Euro kosten, die Fischzucht wieder herzurichten. Das Geld wolle sich de Féligonde von Danone holen, denn der Konzern sei schuld am Wassermangel.

Kein einfaches Unterfangen, wie die «Zeit» schreibt: «Den Zusammenhang zwischen Mineralwasserförderung und versiegenden Bachläufen konkret zu beweisen ist schwierig. Bisher war die genaue Vernetzung des Wassersystems nicht öffentlich bekannt.»

Interne Dokumente erhärten Verdacht
Dank internen Dokumenten, die teils aus dem Inneren des Lebensmittelkonzerns und teils von der lokalen Kommission «Comité de suivi» stammen, die aus Behörden- und Unternehmensvertretern besteht, welche sich regelmässig über die Auswirkungen der Danone-Entnahmen auf den Zustand des Grundwassers austauschen, ist es der «Zeit» nun gelungen, die Ursprünge der Wasserknappheit in der Region zu rekapitulieren.

Demnach begann der Ärger um das Wasser in Volvic im Sommer 2015. Ein aussergewöhnlich heisser Sommer, die Regierung des Departements Puy-de-Dôme musste eine halbe Million Euro für die von Dürre betroffenen Landwirte bereitstellen. Gleichzeitig gehe aus den Unterlagen der Komission hervor, dass die Wasserentnahmen von Danone in Volvic um etwa 15 Prozent über dem Jahresschnitt gelegen hätten. Ein Szenario, dass sich zwei Jahre später wiederholte: In den Monaten Juli und August sei Danones Wasserverbrauch gemäss den Dokumenten «leicht angestiegen» – während für die Bürgerinnen und Bürger im gesamten Departement strenge Wasserauflagen galten.

Weiter ging es im Jahr 2018: Der Konzern zog die Produktion an, während im Departement der Dürre-Notstand ausgerufen wurde. Und trotz Protesten habe die Präfektur im nahen Clermont-Ferrand dann während des heissen Sommers 2020 für die Dauer von sechs Monaten noch einmal eine «vorübergehende Erhöhung der Abflussmenge» genehmigt. Danone wolle eine neue Entnahmestelle testen, hiess es als Begründung. Das Wasser aus dieser Entnahmestelle sollte dem Grundwasser später wieder zugeführt werden. Allerdings sollte der Konzern das «Gesamtresultat» dieses Vorhabens selber überwachen, sei in den Genehmigungsunterlagen zu lesen.

Konzern wusste mindestens seit 2015 Bescheid
Obwohl die Wasserentnahmen durch Danone in Volvic gemäss den Kommissions-Dokumenten also zugenommen haben, widerspricht eine von Danone engagierte PR-Agentur und antwortet der «Zeit»: «Seit einigen Jahren betreiben wir Wasserspar-Massnahmen, die dafür gesorgt haben, dass wir unsere Entnahmen deutlich verringern konnten.» Und weiter: «Angesichts der anhaltenden Dürre senken wir seit 2017 Jahr für Jahr unsere Entnahmen während der Sommer-Monate.»

Diese Sätze sind nicht die einzigen Ungereimtheiten, die die Wasserknappheit in Volvic umgeben. So überwache zum Beispiel auch die Danone-Tochterfirma «Société des eaux de Volvic» die Folgen der Wasserentnahmen in der Region. Und diese kenne offenbar auch den Bach Gargouilloux. Als Danone im Sommer 2015 die Wasserentnahmen in Volvic erhöht habe, seien in einem internen Papier der Danone-Tochterfirma «Auswirkungen der Pumpmassnahmen auf die Trinkwasser-Entnahmestelle des Gargouilloux» nachgewiesen worden.

Daten der Umweltbehörde Dreal hätten zusätzlich ergeben, dass die Fliessgeschwindigkeit des Gargouilloux zwischen 2013 und 2019 um rund 85 Prozent gesunken sei – was als Indiz für ein Problem an der Quelle gilt.

Klimawandel soll schuld sein
Danone sieht das anders und verweist gegenüber «Die Zeit» auf hydrogeologische Forschungen. Die Probleme am Gargouilloux hätten «grösstenteils natürliche Ursachen», zum Beispiel den Klimawandel. «Unsere Entnahmen haben keinen wesentlichen Einfluss auf die nachgelagerten Gewässer und erlauben es dem gesamten Wasserkörper, sich zu erneuern.» «Die Zeit» kommentiert diese Darstellung mit der Frage: «Aber tut er es auch, gerade in den trockenen Sommern der letzten Jahre?»

Denn rund um Volvic hat Danone allein im Jahr 2018 etwa 2,7 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Boden gepumpt, was innerhalb von zwanzig Jahren einer Verdoppelung der geförderten Menge entspricht. Damit verbrauche Danone mittlerweile zehnmal mehr Wasser als alle 4500 Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde zusammen.

Wissenschaftliche Arbeit: PR-Agentur verweist auf Vertraulichkeit
Die These von den Auswirkungen der immensen Wasserentnahmen auf die Wasserknappheit wird auch in einer wissenschaftlichen Untersuchung aus dem Jahr 2012 gestützt. So weit so gut – aber auch hier bemerkte «Die Zeit» einige Ungereimtheiten. So habe der Autor in dem Papier eine zu Danone gehörende E-Mail-Adresse angegeben, weiter werde Danone in den Danksagungen als «co-tutor» erwähnt. Ausserdem habe ein Mitarbeiter von Danone in dem Gremium gesessen, das die gesamte Arbeit begutachtet habe. Zudem sei die vollständige Arbeit auch acht Jahre nach der Erstellung noch immer unter Verschluss, gemäss einer Suchmaschine für wissenschaftliche Arbeiten sei sie erst ab dem 1. Januar 2023 frei zugänglich.

Allerdings liegt der «Zeit» auch diese Arbeit vor. Und einige der vielen Ergebnisse lassen aufhorchen. Betreffend einer der Pumpstellen für Volvic-Mineralwasser, dem Clairval-Brunnen, ist nachzulesen: «Die Entnahmen des Clairval-Brunnens haben einen mehrere Tage messbaren Einfluss auf die Goulet-Galerie.» Die Goulet-Galerie ist die Trinkwasserschicht, die als grösstes Reservoir der Bevölkerung dient. Der Gargouilloux speise sich aus dieser Schicht, heisst es in der Arbeit weiter. Jener Bach also, der inzwischen kaum noch Wasser führt.

«Die Zeit» befragte Danones PR-Agentur nach diesen Sachverhalten – und erhielt keine Antwort. Die Agentur verwies stattdessen auf die «Vertraulichkeit» der acht Jahre alten Arbeit.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Eine Meinung zu

  • am 4.10.2020 um 16:00 Uhr
    Permalink

    Die Einen verteilen Gift auf dem Acker, den Anderen ist die (daraufhin notwendige) Wasseraufbereitung in der heimischen Wasserversorgung zu teuer. Worauf man am Puy-Du-Dôme um Wasser zu streiten beginnt, weil jeder hierzulande meint er müsse zur noblen PET-Flasche aus Frankreich greifen: Massen-Kopfverbretterung.

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