Kommentar

kontertext: Fertigmacherlis

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsHeinrich Vogler, geboren 1950 in Basel. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie der Politik. War Journalist ©

Heinrich Vogler /  Wer nicht in das eigene Politweltbild passt, wird verunglimpft. Hauptdarstellerin: die Brechstange.

Tosend tobt der Kampf des Marketing- gegen den Aufklärungsjournalismus. Die Nerven im Krieg um das schwindende Gut Aufmerksamkeit liegen immer blanker. Der Spiegel verkauft seit Jahren jeden Montag ein dickes Heft voll Häme, Hohn und Verächtlichmachung. Wenn ein Journalist oder, seltener, eine Redakteurin ein armes Schwein von Opfer durch die Gegend treibt, hat dies eine gewisse Tradition. Der Wiener Publizist Karl Kraus (1874–1936), Misogyniker und ätzendster Stilist des Spotts, scheint auch für helvetische Gazetten immer noch als Referenzfigur herhalten zu müssen. Sie ahnen schon, das kann nicht so gut herauskommen, wie die Epigonen es sich vorgestellt haben. Denn «Journalisten schreiben, weil sie nichts zu sagen haben, und haben etwas zu sagen, weil sie schreiben». Das ist etwas pauschal, aber Kraus hat so unrecht nicht, wenn er die Dialektik des Gewerbes darauf herunterbricht.

Zuerst die Moral

Wir befinden uns auf hochmoralischem Terrain. Wenn Journalisten aus ihrer Warte falsches Verhalten anprangern, gerieren sie sich als Richter über Richtig oder Falsch, über Gut und Böse. Eine mediale Abreibung ist stets ein Stück praktische Philosophie. Wenn ein Dreckschleuderer sein Opfer ins Unrecht setzt, hätte er zu bedenken, dass diese seine «Wahrheit» zunächst einmal nichts anderes ist als seine persönliche Meinung. Eine verbale mediale Giftladung ist etwas sehr Relatives, durch den subjektiven Standpunkt des Bellenden Gefärbtes. Tritt allerdings Verächtlichkeit hinzu, dann vergiftet Hohn das Opfer. Wäre der Journalist vorausschauend, müsste er den Kantschen Umkehrschluss bedenken. Dieser lautete sinngemäss: Teile nur so viel aus, wie du, wenn du selbst Zielscheibe wärst, auch verkraften könntest.

Meinungsjournalismus

In letzter Zeit häufen sich Versuche von Journalisten, sei es aus rein politischen oder aus meinungsjournalistischen Motiven, die Welt durch einen Hämefilm zu betrachten. Dies hat zur Folge, dass mehr oder weniger exponiert in der Öffentlichkeit stehende Bürgerinnen und Bürger Zielscheibe von Hohn werden. Vor rund zehn Jahren wurde in den USA eine Welle von Meinungsjournalismus losgetreten, die inzwischen auch in Europa angekommen ist. Journalisten schüren Ängste und Wut und überziehen Politiker mit Häme. «Ich hoffe, dass Barack Obama scheitert», rief Amerikas bestbezahlter Radiotalker Rush Limbaugh seinem Millionenpublikum im Januar 2009 zu (FaZ 6.1.2009). Dies war eine der vielen Provokationen des konservativen Meinungsjournalismus, wie er inzwischen immer öfter an die Stelle von nüchterner politischer Analyse tritt.

Von rechts gebellt

In der jüngsten Vergangenheit waren auch in der Schweiz rechtskonservative Blätter dabei, sich auf linke Exponentinnen aus Wissenschaft und Politik einzuschiessen. Die Weltwoche hatte den renommierten Sozialhistoriker Philipp Sarasin, Ordinarius der Universität Zürich (u.a. Spezialist für Foucault- und Wissenschaftsgeschichte) angeschwärzt. Das Blatt warf dem streitbaren Wissenschaftler vor, seiner Geliebten Svenja Goltermann eine Professorenstelle an der Uni Zürich verschafft zu haben. Dabei handle es sich um «Vetterliwirtschaft», «Beziehungskorruption» sowie «extreme Befangenheit» (Der Landbote 14.07.17). Das Zürcher Obergericht hat den Redaktor Philipp Gut in dieser Causa sowohl straf- wie zivilrechtlich verurteilt. Die NZZ hat nun Sarasin nochmals zum Thema gemacht (NZZ 29.11.17) und versucht den Geisteswissenschaftler, wenn auch auf die sanftere Tour, zu diskreditieren. Urs Hafner macht einerseits einen Kotau vor dem «brillante(n) Historiker», unterschiebt Sarasin aber andererseits, er vertue seine Zeit als produktiver Wissenschaftler mit «dem publizistischen Kampf gegen alles, was er für Rechtspopulismus hält». Politische Publizistik als Zeitverschwendung? Was, wenn die Zeitumstände den wachen Blick des Professors in die gegenwärtige Welt hinaus erforderten? Im Online-Magazin «Geschichte der Gegenwart» bringt Sarasin den Kontext für sein Engagement auf den Punkt: «Demokratie braucht nicht nur müde Parlamentsdebatten über den Standort der neuen Kläranlage, Demokratie braucht den Streit über Grundsätzliches. Das ist der Streit über existenzielle Interessen und Ängste, über Werte oder die zynische Verachtung von Werten, über Ideologien und Weltanschauungen, und dieser Streit lebt halt auch ein Stück weit von den Bösartigkeiten, die man dem politischen Gegner anhängt.»

Fokus Frau

Was den Zürcher Meinungsherolden der linke Geschichtsprofessor, ist der Basler Zeitung die streitbare Genderforscherin Franziska Schutzbach. Die radikale Feministin hatte auf ihrem privaten Blog im Mai 2016 zum Widerstand gegen rechtsnationale Kräfte in Europa aufgerufen (vgl. kontertext vom 22.11.2017). Dabei wollte sie nötigenfalls auch demokratische Spielregeln ausser Kraft setzen, was natürlich angreifbar ist und prompt die Abfertigungssecurity der Basler Zeitung auf den Plan rief. In einer vierteiligen, missionarisch gefärbten Heimzahlung wurde die Abweichlerin durch das Blocherblatt abserviert. Als das Opfer schon ausser Gefecht war (ihre befristete Dozentur an der Universität Basel war ausgelaufen), knallte der selbsternannte Testfeminist Michael Bahnerth zur Abrundung des publizistischen Bürgerwehreinsatzes mit beachtlicher Energie und Lautstärke noch den Deckel auf die entleerte Pandorabüchse («Schutzbachs Schutzblech», Baz 30.11.17). Um eine Person fertig zu machen, pathologisiert man sie. Bahnerth mutmasst, dass die Feministin vom Weg abgekommen sei, weil sie wohl das hätte, «was man bei Männern einen erhöhten Testosteronspiegel nennt». Abgesehen von der schieren Frivolität solcher Kleinholzprosa, wird hier direkt auf die Frau gespielt. Grundtenor der simulierten Empörung: Wie kann frau nur so blöd sein!
Im Hause BaZ läuft noch ein anderes mehrstufiges Verfahren. Und zwar gegen die Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann. Die Politikerin, die auch Kulturministerin des Basler Stadtkantons ist, tut sich angesichts der Opposition gegen ihre defensive Arbeit und gegen ihre Person durch das quasi Monopolblatt am Platz und teilweise auch durch ihre eigene Partei des Grünen Bündnisses sichtlich schwer. Mit Ackermanns Inauguration im Februar dieses Jahres brachte sich die BaZ in Stellung. Sie liess das Konterfei der Musikerin auf dem Regierungsfoto durch PR Berater Klaus J.Stöhler kommentieren: «Die neue Regierungspräsidentin im leicht optimierten Schlabber-Look vertritt das Basel der einfachen Leute, der Musikanten und Flanierer.» (BaZ 08.02.17.) In bisher sechs Folgen versucht sich wiederum Michael Bahnerth als Szenarist. In fiktiven Dialogen unterhält sich Präsidentin Ackermann mit ihrer Infochefin. In Folge VI (Baz 9.12.17) wird die Schutzbach- Kampagne gleichsam mit der Ackermann-Kampagne fusioniert:
«Ich bin soo verletzt, Elisabeth.»
«Oh je. So als Frau verletzt? #metoo-mässig? Diese Männer. Sind doch alles potenzielle Grüsel. Vor allem die Bürgerlichen. Weil (sic) immer behaupten, ich mache alles falsch, ist für mich auch eine Form von Missbrauch …»
«Das liegt daran, Elisabeth, dass sie weniger Eier haben, äh, also weniger Testosteron-gesteuert sind, meine ich. Übrigens, hast Du diese sexistische Schweinerei von Bahnerth über Gendrismus gelesen? Voll unter der Gürtellinie wieder.» Noch Fragen?
Ob die Angegriffene die mediale Geissel mit links ignoriert? Dadurch fiele ein Teil der Aggression des Verfassers auf diesen selbst zurück. Noch gibt es in unserer Gesellschaft Vorstellungen von Anstand, die sich als gängige Normen bewähren. Hier wird dies ausgehebelt und die Häme als zivilcouragierter, anarchistischer Akt inszeniert.
Eine Gegenprobe bleiben solche Schreibtischhelden der Leserschaft noch schuldig. Wie wäre es, wenn die BaZ ihr Mütchen auf ähnliche Weise, sagen wir mal, an SVP-Frau Martullo-Blocher abkühlte? Wäre doch eine Herausforderung für einen Journalisten, mit so etwas seinen Job zu riskieren.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Heinrich Vogler, geboren 1950 in Basel. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie der Politik. War Journalist / Redaktor bei Radio DRS und SRF 2 Kultur. Arbeitete als Kultur- sowie jahrelang als Literaturredaktor. Bis zur Pensionierung Ende 2015. War freier Literaturkritiker für Berner Zeitung, Tages-Anzeiger und NZZ.

    Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe Autorinnen und Autoren über Medien und Politik. Sie greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Zur Gruppe gehören u.a. Bernhard Bonjour, Rudolf Bussmann, Silvia Henke, Anna Joss, Mathias Knauer, Guy Krneta, Johanna Lier, Alfred Schlienger, Felix Schneider, Linda Stibler, Ariane Tanner, Heini Vogler, Rudolf Walther.

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2 Meinungen

  • am 12.12.2017 um 14:15 Uhr
    Permalink

    Auf meiner Print-Version der BaZ steht noch immer «Basler Zeitung» und nicht «Blocherblatt». Verunglimpfung von links?
    Die Verurteilung des Weltwoche-Journalisten wird im Infosperber fast wöchentlich erwähnt. Mehrwert? Argumentationsverstärker? Verunglimpfung von links?
    Martullo wird aus Berlin kritisiert. Verunglimpfung vom Blick?
    Nun freue ich mit auf die 7. Folge von Bahnerts «Theater im Präsidialdepartement». Ist einiges spannender als das dauernde BaZ-Bashing hier im Infosperber.

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