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Das 1,8 Milliarden teure Pumpspeicher-Kraftwerk «Nant de Drance» lässt sich kaum mehr stoppen © Michel Martinez/IWB

Strom: Wer zu früh baut, den bestraft der Markt

Hanspeter Guggenbühl /  Die Stromriesen Axpo und Alpiq bauen teure Pumpspeicher-Kraftwerke. Das billigere Grimselprojekt hingegen wird auf Eis gelegt.

Zu den frühen Warnern gehört der Aargauer Energieplaner und AKW-Gegner Heini Glauser. Am 19. Dezember 2005, als die alten Speicher- und Pumpspeicher-Kraftwerke im Wasserschloss Schweiz noch hohe Profite in die Kassen spülten, schrieb er als Gastautor in der NZZ: «Die Preisdifferenz zwischen Band- und Spitzenenergie wird abnehmen. Es erstaunt daher, dass heute (Pumpspeicher-) Projekte wie Pilze aus dem Boden schiessen, die wahrscheinlich erst dann betriebsbereit werden, wenn die heutigen Margen Vergangenheit sind.»

2005 planten Schweizer Stromproduzenten vier grosse Pumpspeicher-Kraftwerke. Mit dem Axpo-Projekt «Linthal 2015» (Glarus) und dem Alpiq-SBB-Projekt «Nant de Drance» (Wallis) sind heute zwei dieser Strombatterien im Bau. Die Investitionskosten für beide Werke mit zusammen rund 2000 Megawatt Leistung belaufen sich auf vier Milliarden Franken (siehe Tabelle: «Daten der Pumpspeicher-Projekte»). Pro Kilowatt Leistung betragen die Investitionen also rund 2000 Franken.

Wie hoch die Margen sein müssten

Wie hoch der Gewinn oder Verlust ausfällt, den diese teuren Werke während ihrer geplanten 80jährigen Laufzeit erzielen, das werden erst unsere Urenkel erfahren. Ausrechnen lässt sich aber heute schon, unter welchen Bedingungen Gewinne oder Verluste resultieren. Diese Rechnung hat Glauser für das Alpiq-Projekt «Nant de Drance» erstellt. Sie basiert auf folgenden Annahmen: Die Amortisationsfrist beträgt 30 Jahre, der Kapitalzins 1,5 Prozent, der Preis für den Pumpstrom drei Rappen pro Kilowattstunde (kWh).

Mit diesen Daten rechnete er aus, wie hoch der Erlös aus dem Stromverkauf sein muss, um nur die Kapitalkosten und den Strombedarf der Pumpen zu decken, wenn das Kraftwerk während 2500 Jahresstunden Wasser mit voller Kraft hochpumpt und während 2000 Stunden mit Volllast turbiniert, also Strom produziert. Das Resultat dieser optimistischen Annahmen: Es braucht einen Verkaufspreis von mindestens acht Rappen pro kWh respektive eine Marge von fünf Rappen zwischen Pump- und produziertem Spitzenstrom. Das gleiche Resultat ergibt sich für das Werk «Linthal 2015».

Die Regeln der Rentabilität-Rechnung

Die obige Kosten- und Ertragsrechnung lässt sich mit andern Annahmen variieren. Aus den Resultaten lassen sich folgende Regeln zur Rentabilität ableiten: Je weniger lang Pumpspeicher pro Jahr betrieben werden, desto grösser wird die notwenige Preisdifferenz zwischen verpumptem und produziertem Strom. Oder: Je teurer der Pumpstrom ist, desto stärker fällt der Energieverlust zwischen Pumpen und Produzieren ins Gewicht, und desto höher muss wiederum die Preisdifferenz sein. Beispiel: Halbiert sich die Produktionsdauer auf tausend Volllaststunden/Jahr, und steigt der Preis für Pumpstrom von drei auf sechs Rappen/kWh, was beides gut möglich ist, so erhöht sich die notwendige Marge auf rund zehn Rappen/kWh.

An Extremtagen gibt es solch hohe Margen. Im langjährigen Durchschnitt aber war das Preisgefälle zwischen Bandstrom, der zum Pumpen verwendet wird, und Spitzenstrom, den Speicher- oder Pumpspeicher-Werke produzieren, viel kleiner. Und: Auf dem europäischen Strommarkt ist diese Differenz auf ein bis zwei Rappen pro kWh geschrumpft, seit subventionierte Solar- und Windkraftwerke temporär Überschüsse produzieren und damit den Profit von alpinen Speicherwerken schmälern.

Die Zweifel an der Wirrschaftlichkeit wachsen

Nicht nur Gegner wie Heini Glauser, auch Befürworter der Pumpspeicherung zweifeln inzwischen an der Rentabilität ihrer Projekte: «Linthal 2015» werde während seiner 80jährigen Lebenszeit «wohl weniger gut rentieren als geplant», räumte Axpo-Chef Heinz Karrer bei einer Baubesichtigung im Mai 2011 ein. Und der Verwaltungsrat der Kraftwerke Oberhasli (KWO) beschloss vor zwei Wochen, sein Projekt «Grimsel 3» zu sistieren mit der Begründung: «Derzeit können Pumpspeicherwerke nicht wirtschaftlich betrieben werden.»

Auf Anfrage ergänzt KWO-Chef Gianni Biasiutti: «Künftig lassen sich solche Kraftwerke nicht mehr allein aus der Marge zwischen Pump- und Spitzenstrom finanzieren.» Um ihre schwankende Produktion auszugleichen, müssten die Produzenten von Wind- und Solarstrom einen Beitrag an die Bereitschaftsleistung dieser hydraulischen Strombatterien bezahlen.

Das Billigste wird sistiert, zwei Teure werden gebaut

Die Sistierung vom «Grimsel 3» ist von besonderem Belang, weil die budgetierten Investitions- und Kapitalkosten für dieses Projekt pro Kilowatt Leistung nur halb so hoch sind wie die Kosten der andern grossen Projekte (siehe Tabelle). Dieser Entscheid verdüstert die die Rentabilitäts-Aussichten von «Linthal 2015» und «Nant de Drance» zusätzlich. Diese Projekte lassen sich kaum mehr stoppen, weil Hunderte von Millionen Franken dafür bereits verbaut sind.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben», soll Michail Gorbatschow einst gesagt haben. Bei den Pumpspeicher-Projekten kann auch der Umkehrschluss richtig sein: Wer zu früh baut, dem droht die Pleite.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Autor des am 16. April 2013 erschienenen Buchs «Energiewende – Und wie sie gelingen kann», Rüegger-Verlag, 25 Franken.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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Eine Meinung zu

  • am 12.04.2013 um 10:56 Uhr
    Permalink

    Für Natur und Landschaft ist der Verzicht, resp. die Sistierung des Grimselprojekts auf jeden Fall ein Gewinn.

    Energiepolitisch ist aber wichtig, dass die Energieversorgung regionalisiert wird statt internationalisiert, und künftige Investitionsentscheide nicht allein von den «Dinosauriern» der Stromindustrie getroffen werden. Sondern von Vertretern derer, die das Ganze bezahlen müssen.

    Es ist unhaltbar, dass die grossen Stromkonzerne wie AXPO überwiegend den Kantonen gehören, aber wie grosse Privatunternehmen wirtschaften. Und sich um Stellungnahmen unabhängiger Experten unter Hinweis auf ihren «Versorgungsauftrag» foutieren. Auch die Parlamente haben da gefälligst nicht dreinzureden. Dazu manipulieren sie mit unserem Geld auch noch die öffentliche Meinung via Kundeninfos.

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