Kommentar

Präsidiale Neujahrskärtchen auch für Autokraten

Dominique Strebel © zvg

Dominique Strebel /  Die damalige Bundespräsidentin Doris Leuthard verschickte 2010 sehr selektiv Weihnachts- und Neujahrsgrüsse an Staatsoberhäupter.

Doris Leuthard verschickte Ende 2010 nur gerade an 29 Staatsoberhäupter Neujahrsgrüsse. Darunter waren etwa der kasachische Präsident Nursultan Nazarbayev und das azerbaidschanische Staatsoberhaupt Ilham Aliyev, nicht hingegen der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg.

Wer Ende Jahr Neujahrsgrüsse verschickt, will damit seine Kontakte pflegen. Es sind entweder Freunde, Bekannte oder wichtige Geschäftspartner, die ein nettes Kärtchen erhalten. Darum ist die Liste der Neujahrskarten (Weihnachts_und_Neujahrsgrüsse_2010) der Bundespräsidentin ein wichtiger Gradmesser für das Netzwerk der Schweiz in der Welt.

Die Analyse der Empfänger von netten Worten aus dem Bundeshaus zeigt nun Erstaunliches: Da werden zwar die Grossen der Welt wie Barack Obama, Dmitri Medvedev, HU Jintao oder Ban Ki-moon sowie die Oberhäupter der umliegenden europäischen Staaten nett gegrüsst, aber bei den weiteren Staaten trifft die Schweiz eine sehr spezielle Auswahl.

Offenbar gehören der kasachische Präsident Nursultan Nazarbayev und das aserbaidschanische Staatsoberhaupt Ilham Aliyev zum Freundesnetzwerk der damaligen Bundespräsidentin Doris Leuthard, nicht aber etwa der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg.

Auf die Frage, wieso denn das so sei, meint UVEK-Pressesprecher Harald Hammel: »Doris Leuthard hat beim Versenden von Neujahrsgrüssen eine persönliche Auswahl vorgenommen”. Auf die direkte Frage, ob denn der EU-Kommissionspräsient nicht zur persönlichen Auswahl von Bundesrätin Leuthard gehört, äussert er sich nicht. Zumindest grüsste Leuthard damals nicht auch noch Muammar al-Gaddafi.

Die Weihnachtsgruss-Liste wurde vom UVEK übrigens wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Auf eine erste Anfrage Ende November 2011 gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz des Bundes antwortete UVEK-Pressesprecher Dominique Bugnon, die Liste könne nicht herausgegeben werden, weil der Schutz der Privatsphäre der betroffenen Personen vorgehe. Auf Rückfrage von Justizblog, weshalb die Privatsphäre von Staatsoberhäuptern und weiteren Politikern, die eine Neujahrskarte von unserer Bundespräsidentin erhalten haben, so schützenswert sei, antwortete Bugnon: »Es ist nicht an uns zu bestimmen, ob politische Persönlichkeiten noch eine Privatsphäre haben, sondern einzig und allein diese zu respektieren”.

Einsicht wurde Justizblog erst nach 15 Monaten Ende Januar 2013 gewährt, nachdem der eidgenössische Öffentlichkeits -und Datenschutzbeauftragte eine Schlichtung eingeleitet hatte.
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Dieser Beitrag stammt von Dominique Strebels Blog.

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Eine Meinung zu

  • am 4.03.2013 um 19:14 Uhr
    Permalink

    Wieso ausgerechnet Kasachstan und Aserbaidschan? Die Frage ist tatsächlich gut. Mit persönlichen Verbindlichkeiten kann das ja wohl kaum erklärt werden. Welche Interessen hat die Schweiz dort? Oder geht es eher um sehr, sehr spezifische Wirtschaftsinteressen? Könnte sich lohnen, dort mal genauer hinzuschauen. Auch die besondere enge Freundschaft der Schweiz mit Katar, die aus dem üblichen Rahmen fällt – nicht nur bei den Neujahrkärtli – verdient eine vertiefte Beobachtung.

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