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Kupferbergwerk in Kitwe im Norden Sambias © Per Arne Wilson/Wikipedia/CC BY-SA 3.0

Schweiz-Sambia-Connection: Alles andere als bescheiden

Markus Mugglin /  Im Kupferland Sambia spielt die Schweizer Wirtschaft die Hauptrolle – auch wenn das unsere Statistiken nicht offenlegen.

Your text to link…Infosperber-Leserinnen und Leser dürften sich an das vorschnelle Glencore-Lob unseres Aussenministers Ignazio Cassis erinnern, als er im Januar Sambia besuchte. Dass der Rohstoffkonzern die WHO-Grenzwerte für Schwefeldämpfe einhalte, hatte er zwar noch relativiert mit «im Grossen und Ganzen», doch selbst das stellte sich als schöngefärbt heraus. Mehr zu reden gab der Besuch des Aussenministers nicht. Zu Unrecht. Denn die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Sambia sind alles andere als «sehr bescheiden», wie die «Basler Zeitung» (08.01.2019) berichtete.
Unsere Aussenhandelsstatistiken zeichnen zwar durchaus ein eher «bescheidenes» Bild. Sie beziffern die Importe aus dem ostafrikanischen Land für 2017 auf nur rund 240’000 Franken bzw. inklusive Goldimporte auf rund 8 Millionen Franken. Diese Werte geben allerdings nur den Umfang der sambischen Waren an, die Schweizer Boden erreicht haben. Sie sagen aber nichts aus über die eindrückliche Präsenz von Schweizer Unternehmen im Kupferland Sambia.
Aus der Schweiz «ferngesteuert»
«Wer sich das Ausmass der Beteiligung von Schweizer Firmen am sambischen Kupfersektor vor Augen hält, könnte den Eindruck gewinnen, dass der Sektor aus der Schweiz ‹ferngesteuert› wird», fasst Rita Kesselring, Ethnologin und Leiterin der neuen Studie «Valueworks: Effects of Financialization along the Copper Value Chain»*, zusammen, die sie gemeinsam mit Forschenden aus der Schweiz, Deutschland, England, China und Sambia sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der «Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika» (KEESA) verfasst hat. Sie zeichnet den Weg des Kupfers von der Mine bis zum Endkunden nach.
Sambische Handelsstatistiken geben einen ersten Eindruck zur Präsenz von Schweizer Unternehmen. Basierend auf den UN-Comtrade-Angaben werden die Ausfuhren in die Schweiz für das Jahr 2017 auf 3’640’000’000 US-Dollar beziffert – also auf 455-mal mehr als die schweizerischen Statistiken aufführen. Für Sambia ist die Schweiz die wichtigste Exportdestination überhaupt. Der Betrag lässt es erahnen: Schweizer Unternehmen spielen in Sambia eine sehr zentrale Rolle. Angelockt wurden sie von den reichen Kupfervorkommen und deren Vermarktungsmöglichkeiten. Das hätte man insbesondere bei der «Basler Zeitung» wissen können, als dort von den «sehr bescheidenen Beziehungen» die Rede war. Denn einen Monat vor der Reise von Aussenminister Cassis wurden in Basel an einer Konferenz über «The Copper Value Chain» die vielfältigen Verstrickungen schweizerischer Akteure im sambischen Kupfersektor offengelegt.
Die «Swissness» des sambischen Kupfers
Die «Swissness» des sambischen Kupfersektors begann vor rund 20 Jahren. Damals beteiligte sich der Schweizer Bergbau- und Rohstoffkonzern Glencore am Unternehmen «Mopani Copper Mines», dem grössten Arbeitgeber im sambischen Kupfergürtel; später übernahm Glencore die Mehrheit am Unternehmen. Es umfasst zwei Minen, eine Schmelzanlage, eine Raffinerie und auch zwei Kobaltwerke. Der Zuger Konzern kontrolliert zusammen mit drei anderen ausländischen Unternehmen den Kupfersektor des Landes.
Der Schweizer Einfluss reicht aber weit über den Abbau, das Schmelzen und Raffinieren hinaus. Die Studie «Valueworks» legt ein vielfältiges Netz schweizerischer Unternehmen in der Wertschöpfungskette des sambischen Kupfers offen. Sie reicht vom Verkauf über den Transport auf dem Landweg und hoher See, über das Betreiben von Lagerhäusern bis zu vielfältigen Prüfungen und Zertifizierungen.
Neben Glencore spielt auch der in Genf domizilierte Rohstoffhändler Trafigura eine prominente Rolle. Er wirkt als Händler und über die von ihm kontrollierten Impala Terminals und Puma Energy auch als Logistiker und Transporteur mit. Über den Handel ist auch der Zuger Zweig des kanadisch-australischen First Quantum Minerals beteiligt, der in Sambia auch Kupfer abbaut. Als Transporteur kommt mit Mediterranean Shipping Company MSC in Genf die weltweit zweitgrösste Frachtschifffahrtsgesellschaft hinzu. Stark involviert sind auch die Inspektoren und Zertifizierer der Genfer SGS, einer der global ganz Grossen in diesem Geschäftsfeld.
Der Einstieg von Glencore und der anderen Schweizer Unternehmen spiegelt sich in der Entwicklung der sambischen Exportstatistik. Vor 20 Jahren verkaufte Sambia sein Kupfer vor allem an asiatische Länder ausserhalb Chinas und an arabische Länder. Zu Beginn der Nullerjahre stieg Grossbritannien für kurze Zeit zur bevorzugten Exportdestination auf. Ab 2004 wurde es von der Schweiz verdrängt. In nur zehn Jahren stieg der für die Schweiz bestimmte Anteil vorübergehend sogar auf 60 Prozent. 2017 war rund die Hälfte der sambischen Kupferausfuhren für die Schweiz bestimmt. Und selbst das dürfte nach Einschätzung von Rita Kesselring und Ko-Autor Gregor Dobler noch nicht das ganze Schweizer Geschäft erfassen. Kupfer, das Schweizer Händler aus Sambia direkt an ein anderes Land verkaufen, werde nämlich als Export in dieses Land verbucht und nicht als Export in die Schweiz.
Für den Export in die Schweiz verbuchtes Kupfer wird aber nur zum kleinsten Teil in die Schweiz verschifft. Es wird nach dem Verlassen von Sambia weiterverkauft. In welche Länder, lässt sich nicht aus den Handelsstatistiken der Schweiz und Sambias ablesen. Wohin auch immer, das Geschäft wird aus der Schweiz gelenkt und profitabel betrieben – nicht zuletzt dank steuerlichen Vergünstigungen für Rohstoffhändler.
Verschwiegener Rohstoffhandel
In der von der Schweizerischen Nationalbank SNB geführten Statistik über den sogenannten Transithandel finden die Milliardenumsätze des Schweizer Rohstoffsektors ihren Niederschlag. Laut SNB beliefen sich die Einnahmen netto im Jahre 2017 auf 25 Milliarden Franken. Mit einem Anteil von 3,7 Prozent am schweizerischen Bruttonationalprodukt übertreffen sie die gegenüber dem Ausland erzielten Einkünfte der Finanzdienste oder des Tourismus. Doch wo die Schweizer Rohstoffhändler ihre Umsätze machen, wird nicht offengelegt. Denn die Schweizerische Nationalbank publiziert keine Daten, aus denen Rückschlüsse auf einzelne Unternehmen gezogen werden können.
Das Stillschweigen erinnert an die jahrzehntelange Informationssperre über die Golddrehscheibe Schweiz. Die Welt sollte nicht wissen, wie enge Goldbanden die Schweiz mit dem Apartheidregime Südafrika pflegte. Erst 20 Jahre nach der Wahl Nelson Mandelas durfte die Oberzolldirektion die Goldimporte und -exporte nach Herkunfts- und Bestimmungsländern aufschlüsseln.
Auch das Rohstoffhandelsgeschäft ist politisch höchst sensibel. Der Bundesrat schreibt ihm Reputationsrisiken zu. Denn der Reichtum an Rohstoffen erweist sich für ein Land oft als Fluch. Es profitieren oft wenige sehr viel, sehr viele aber wenig bis nichts. Oft werden Menschen von ihren Böden vertrieben, Wasserquellen werden verschmutzt, giftige Emissionen schaden der Gesundheit der lokalen Bevölkerung. Korruption ist weitverbreitet und die Kapitalflucht ist aus armen Rohstoffländern besonders gross.
Auch in Sambia stellen sich diese Fragen und wurden wiederholt von NGOs aufgeworfen. Vor allem wegen der giftigen Schwefeldämpfe und gravierender Gesundheitsprobleme. Es besteht zudem der Verdacht, dass es Preismanipulationen verbunden mit grossen Kapitalabflüssen aus dem Land gibt. Steuern und andere Abgaben waren wiederholt ein Thema. Doch die staatlichen Anstrengungen, den Bergbausektor vermehrt in den Dienst der Entwicklung zu stellen, haben wenig Wirkung erzielt, stellt Rita Kesselring ernüchtert fest.
Aussenminister Cassis hat in einer seiner Reden als Entwicklungsminister mehr Transparenz gefordert: «Ich erwarte Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz in unserer Berichterstattung», forderte er und fragte ergänzend betreffend Politikkohärenz: «Weiss die eine Hand, was die andere macht?» (29.06.2018) Er sprach damit zwar die Transparenz zwischen den verschiedenen Verwaltungsstellen und Departementen an, tat es aber speziell im Kontext einer Afrika-Strategie der Schweiz.
Das Beispiel Sambias zeigt, wie relevant Fragen der Transparenz und der Politikkohärenz tatsächlich sind. Sie deshalb nur für die staatliche Entwicklungszusammenarbeit zu fordern, greift offensichtlich zu kurz.

* Ausführliche Version: Gregor Dobler and Rita Kesselring. 2019. Swiss Extractivism: Switzerland’s role in Zambia’s copper sector. Journal of Modern African Studies, 57(2), 0-0. Die Studie wird demnächst publiziert.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.
Markus Mugglin ist Autor des Buches «Konzerne unter Beobachtung – Was NGO-Kampagnen bewirken können», 2016, 29 CHF.

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 15.03.2019 um 11:02 Uhr
    Permalink

    Handänderungen «auf hoher See» oder anderen Transportrunden (inklusiv entsprechende Zusatzmargen an «unbekannte» Zwischenhändler, möglicherweise ohne Steuerwohnsitz) sind wohl seit jeher Teil des Transfer- und Steuermanipulationsgeschäfts. Aber es gibt ja auch noch «Ursprungsland-Zertifikate» und andere schöne Papiere, welche Transparenz verbessern könnten, so man dies wirklich wollte.

  • am 15.03.2019 um 13:41 Uhr
    Permalink

    Die Schweiz verfügt über die grössten Rohstoff-Ressourcen der Welt, in Form von Abbau-Lizenzen, die mit mehr oder weniger Bestechung billig erworben wurden.

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