Kommentar

SVP und Medien: Niveau auf neuem Tiefpunkt

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Die SVP operiert mit immer primitiveren Werbe-Sujets. Und einzelne Schweizer Medien stellen dafür den besten Platz zur Verfügung.

Sonntagszeitungen! Noch vor Jahren dachte man bei der Nennung dieses Presse-Genres an echte, genau recherchierte News – und auch an leichte Unterhaltung fürs Wochenende. Heute sind die Sonntagszeitungen vor allem die Plattform für grossformatige Anzeigen und die dazu notwendigen PR-Texte, für Parteien-Gezänk und für peinliche Home-Stories über Promis jeglicher Provenienz. Geschmacklos, ärgerlich, mehr und mehr aber auch langweilig.

Wer den «Sonntag» vom 10. Juli zur Hand nahm und sich wenigstens auf einen üblicherweise guten Kommentar von Chefredaktor Patrik Müller freute, wurde schon auf der Frontseite geschockt: Nein, diesmal keine Anzeige für eine grosse Automarke, sondern für die SVP! Eine Drittelseite gross! Und was für eine! Die SVP unterstellt in Riesenlettern: «Das wollen Linke, Nette und ihre Experten: Ivan S. soll weiter vergewaltigen!»

Selbst wenn Ivan S. eine Symbolfigur für die zahlreichen Einwanderer vor allem aus dem Balkan ist: Die Unterstellung, jemand wolle, dass er weiterhin Frauen vergewaltige, ist absolut monströs und ein weiterer Tiefpunkt im SVP-Stil der politischen Auseinandersetzung. Tiefer geht’s nicht mehr. Der Neofaschismus ist schon verdammt nahe.

Dass die SVP mit ihrem penetranten, widerlichen, aber politisch leider erfolgreichen Fremdenhass eine Werbung betreibt, bei deren Anblick es einem speiübel wird, ist das eine. Dass aber eine grosse Schweizer Tageszeitung eine solche politische Anzeige und in dieser Übergrösse auf der Frontseite zu platzieren bereit ist, ist das andere.

Wo sind wir nur hingekommen?! Prostituierte, die für Geld Sex anbieten, sind gesellschaftlich immer noch geächtet (es sei denn, sie tun es in der Villa des italienischen Premiers, dann werden sie von einem österreichischen Industriellen in die Wiener Oper eingeladen). Verleger aber, die für Geld übelste, verleumderische Werbung verbreiten und dafür den besten Platz in ihren Medien zur Verfügung stellen, sind dagegen gern gesehene Gäste an Promi-Treffen jeder Art, wie der «Sonntag» es in seinem Foto-Feature zum Jubiläum von Blocher-TV in der gleichen Ausgabe bildintensiv verdeutlicht.

Nicht alles ist in den letzten 50 Jahren auf dieser Welt schlechter geworden. Etwa in der Medizin, in der Informatik, in der Meteorologie und in vielen anderen Wissenschaften sind Fortschritte zu verzeichnen, die uns im guten Sinne des Wortes weitergebracht haben und weiterbringen. Grund, nur die Vergangenheit hochzujubeln und die Gegenwart zu verteufeln, gibt es nicht. Im politischen Bereich allerdings ist «Fortschritt» hierzulande nur schwer erkennbar. Während im arabischen Raum junge, zukunftshungrige Menschen ihr Leben für eine bessere, demokratischere Welt einsetzen, sind wir hier im Musterland der Demokratie geradezu hektisch daran, diese unsere grösste Errungenschaft zu untergraben und zu zerstören – und dies mit gnädiger Unterstützung von hiesigen grossen Medien.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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