Kommentar

«Putin-Versteher» ist eine erfreuliche Nachricht

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Der Exxon-CEO und vorgeschlagene US-Aussenminister Rex Tillerson kann als Russland-Kenner die USA vor Dummheiten bewahren.

«Freund des Kremls wird Aussenminister» und «Zu enge Bande mit Russland» titelt die NZZ und kritisiert, den USA könnte es künftig an «harter Haltung» fehlen. Ähnlich wie andere Medien titelt die «Finanz und Wirtschaft»: «Ein Putin-Versteher wird US-Aussenminister».
Unterschwellig wird die Botschaft verbreitet, ein Handlanger Moskaus käme an die Macht. Tatsächlich aber ist es erfreulich, wenn im Weissen Haus einer mitredet, der die russische Politik und die russischen Interessen versteht. In der internationalen Politik ist nichts gefährlicher als die Gegenseite zu verteufeln und ständig mit Drohgebärden und Boykotten aufzuwarten. Denn eine derart feindliche Haltung stärkt in den betroffenen Ländern stets die radikalen, nationalistischen Kräfte und schwächt Kräfte der moderateren Opposition, die angesichts der Drohgebärden als Weichlinge dastehen. Die Radikalisierung der Gegenseite wird dann zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
Dieser Mechanismus, der eine gefährliche Eskalation nach sich zieht, hat sich in der Geschichte schon x-Male wiederholt und zu unnötigen und vermeidbaren Kriegen geführt.
Doch die Versuchung zur Schwarz-Weiss-Malerei ist gross, weil man innenpolitisch damit punkten kann. Für die Republikaner in den USA war das Anschwärzen Russlands als grössten Feind der USA sozusagen Programm. Dort die Bösen, hier die Guten. Ein solches Feindbild kann dazu führen, dass das Wahlvolk nach Hardlinern ruft und vernünftige Kompromisse als Schwächen sanktioniert.
Die Russen und die russischen Interessen zu verstehen, zu versuchen sich in deren Haut zu versetzen, bedeutet nicht, seine Interessen und Werte aufzugeben. Aber das Verstehen ist eine Voraussetzung für gute Verhandlungslösungen. Diese haben die Sicherheitsbedürfnisse der Russen ebenso zu berücksichtigen wie die Sicherheitsbedürfnisse des Westens. Statt weiter Aufrüsten wäre gegenseitiges Verstehen und Abrüsten gefragt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor hat in Genf internationale Beziehungen studiert.

Zum Infosperber-Dossier:

Kalter_Krieg

Der Kalte Krieg bricht wieder aus

Die Grossmächte setzen bei ihrer Machtpolitik vermehrt wieder aufs Militär und gegenseitige Verleumdungen.

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9 Meinungen

  • am 14.12.2016 um 11:55 Uhr
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    Die Völker in Kriege zu treiben war für die Eliten schon immer mit Propaganda und Agitation verbunden den kein halbwegs normaler Mensch mit Heim, Familie, Freunden, Sozialem Umfeld und Lebensraum, mit gesundem Herzen und Verstand greift einfach so ein anderes Land und dessen Einwohner an… der Hass wird auch heute einzig und alleine von den Eliten dazu missbraucht sich Vorteile zu verschaffen und dazu wird jederzeit das Opfern von Millionen Menschen hingenommen…

  • Helmut_Scheben_310
    am 14.12.2016 um 21:07 Uhr
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    Seit den US-Wahlen greift eine Medienhysterie um sich, wie man sie selten erlebt hat. Noch bevor Trump überhaupt eine einzigen Tag regiert hat, sehen die deutschen Medien Europa plötzlich nackt «ohne den amerikanischen Schutzschild» da stehen. Ja, für was um Himmels willen brauchen wir hier einen amerikanischen Schutzschild? Aha, das hatte ich fast vergessen: Putin hat ja schon alles vorbereitet, um in Deutschland und der Schweiz einzumarschieren. Seine Untergrund-Kommandos operieren bereits in der Schweiz.So konnte man jedenfalls vor ein paar Monaten in einem Interview mit einem dissidenten russischen «Journalisten» im Tagi-Magazin lesen. In den USA ist die Hysterie nicht minder ausgeprägt. Jetzt ist man schon so weit zu behaupten, dass Trump mit Hilfe russischer Hacker die Wahlen gewonnen hat. Ehemalige amerikanische CIA-Analysten sind der Sache nachgegangen und kommen zu dem Schluss, dass es sich um ein Ammenmärli handelt. Die Publikation von Hillarys Mail-Verkehr geht auf ein Leck zurück, das mit russischen Hackern nichts zu tun hat, sagen sie. Wie sagte Henry Kissinger in einer Podiumsdiskussion: Wenn ich mich an die Stelle von Putin versetzte, müsste ich zu der Annahme kommen, der Westen will in Moskau Regime Change. Ist Kissinger ein Putin-Versteher? Jawohl. Die Putin-Versteher sind diejenigen, die nüchtern und sachlich denken können. Die Dämonisierung Putins ist keine Politik sondern ein Ersatz für das Fehlen von Politik. Auch das ist ein Zitat von Kissinger.

  • am 15.12.2016 um 09:41 Uhr
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    Dass diese Nomination eine «erfreuliche Nachricht» dastelle, ist allerdings, Herr Gasche, schon eine extrem schräge Aussage — gelinde gesagt. Es gäbe ja sicher auch noch andere, geeignetere Leute im Land (USA), die in der Lage wären, Russland und die Beziehungen der USA zu Russland kompetent und neutral zu beurteilen, als der CEO von Exxon und guter-Freund-nicht-ohne-speziellen-Grund von Putin, geeigneter für die Beurteilung und geeigneter als Staatssekretär. Dies zwanghafte und unüberlegte Art, eine andere Meinung zu vertreten als die Mainstream-Medien, erinnert an … die Weltwoche. Nicht gut.

  • am 15.12.2016 um 10:10 Uhr
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    Ich möchte noch hinzufügen, dass die democrats rundum Clinton und Obama bei den Wahlen 2016 die Russen viel übler dargestellt haben als die Republikaner rundum Trump.

    Herr Gasche schreibt von «Verhandlungslösungen» zwischen USA und Russland. Ich habe leider den Eindruck, dass die USA überhaupt kein Interesse an Verhandlungslösungen mit Russland hat. Hoffentlich irre ich mich, aber ich glaube nicht, dass sich dies mit Trump als Präsi ändert, egal wie oft er gesagt hat, dass er die Beziehungen mit Russland wieder beruhigen will. Denke mal das war ein Teil der Taktik um Präsi zu werden, denn auch in Amerika gibt es viele Leute, welche die aggressive Aussenpolitik der US-Regierung gegenüber Russland schon lange nicht mehr gutheissen !

    Im Westen (in erster Linie in der USA) ist der militärische Komplex DIE Grundlage für die Wirtschaft. Die USA könnte es sich auf keinen Fall leisten, ihre imperialistische Aussenpolitik zu beenden und seinen militärischen Apparat zurückzufahren und auf «Landesverteidigung» zu reduzieren. «Aber so würde man doch die Kosten senken», denkt man sich da, oder ? Richtig, aber die US-Waffenkonzerne, die einen erheblichen Teil zur US-Wirtschaft beitragen, könnten nicht mehr in alle Welt Waffen verkaufen, wenn die USA keine Konfliktherde mehr schüren würde. Man könnte keine wertvollen Ressourcen (Öl, Gas etc.) mehr stehlen gehen in Ländern wie Irak, Afghanistan, Lybien, Syrien unter dem Vorwand «des Helfens».

  • am 15.12.2016 um 10:17 Uhr
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    @Vogelsanger. Ich wollte nicht sagen, Tillerson sei eine gute Wahl. Als Russland-Kenner könnte er dazu beitragen, dass mehr verhandelt statt boykottiert wird. Ich finde es falsch, dass die Ernennung Tillersons mit dem Argument kritisiert wird, er kenne und verstehe Russland.

  • am 15.12.2016 um 14:42 Uhr
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    Wer wirklich mal genau hinschaut stellt fest das die US Regierungen kaum jemals Verhandlungen und Vereinbarungen eingehalten haben wenn dies nicht in deren Kram passt. Die Geschichte seit den Vereinbarungen zu Lybien zeigt das seitdem die RF nicht mehr gewillt ist den dummen Pudel zu machen und das macht sich jetzt in grandioser Konfusion bemerkbar. Gut !

    Nicht zu vergessen das die USA seit ihrer Gründung ca, 1780 nur ein paar Jahre ohne Krieg verbracht hat. Der Rest der Zeit hinterliess Millionen Tote, Opfer, Kriege, Zerstörung, Plünderungen… Afghanistan, Irak, Lybien, Syrien und viele mehr waren alle säkulare Gesellschaften mit gleichen Rechten für Mann und Frau ganz ohne fanatische Religionswächter. In Syrien sind bis heute besonders viele Frauen in hohen Positionen und das war aicb der Fall in andsren Staaten is die USA diese Gesellschaften in die religiöse Steinzeit bombardierten.

    Demokratie und Freiheit haben die USA bis heute niemandem gebracht… Selbstbestimmung,der Völker schon gar nicht noch annerkennt man die Jurisdiktion anderer Organisation und Staaten an. In den Haag werden ausnahmslos Feinde der USA angeklagt… Es ist in der Tat so das man auf der sicheren Seite ist wenn man die in den Medien über Jahre herumgereichten Feinde der USA als diejenigen anerkennt die sich den Hegemonialansprüchen dieser Nation wiedersetzen.

  • am 17.12.2016 um 13:37 Uhr
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    Ich möchte dazu auch was sagen.

    Der Herr Gasche hat vollkommen recht, wenn Er mit seinem Statement die Sache mal auf’s Tapet bringt.

    Wir sind bald im Jahr 2017. Die Demokratie ist zum einfältigen Konsum und skrupellosen Business degeneriert. Unserer Raffgier hat die Meisten von uns soweit verblöden lassen, dass wir mit unseren paar jämmerlichen Kröten jeden Schrott reinziehen, der irgend wie noch Action oder Profit verspricht.
    Dies muss nun halt mal so sein, damit unser korruptes Wirtschaftssystem funktioniert.
    Wer da nicht mitmachen kann, braucht eine dicke Haut und viel Kreativität.
    Es gibt auf der Welt kaum etwas profitableres als Krieg. Da kann man so richtig absahnen. Wahrscheinlich ist es auch ein ganz spezielles Vergnügen, in einem fernen Land, fremde Leute zu drangsalieren und abzuknallen.
    Wer heute im Demokratie-Business mitspielt hat schon verloren, wenn Er/Sie Skrupel zeigt.
    Ich will sagen: Was heute als Demokratie gelebt wird, bewirkt Ungerechtigkeit und unsägliches Leid. Diese Demokratie ist Friedens-untauglich, und in höchstem Masse reformierungsbedürftig.
    Es gibt noch viel zu tun, fangen wir an. (Bevor es zu spät ist)
    Gibt’s noch Fragen???

  • Portrait.Hanspeter Guggenbühl.2020
    am 18.12.2016 um 12:56 Uhr
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    Wenn man gute oder verständige Leute schlecht machen will, dann macht man aus ihnen Hauptwörter: Versteher, Gutmensch, etc. Gute Lehrerinnen lehrten uns: Weniger Substantive

    Hanspeter Guggenbühl

  • am 24.12.2016 um 11:56 Uhr
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    Ich hab es immer schon komisch gefunden, wenn Leute sich brüsten mit der Mitteiilung: «Das kann ich nicht verstehen» oder «Dafür habe ich gar kein Verständnis». Man gibt doch damit zu, ein Defizit zu haben, und sollte an dessen Überwindung arbeiten. (Etwas andere wäre «Das billige ich nicht».)

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