fairstesteuer_ch

Schlagzeile in der NZZ – in einem ganzseitigen Inserat © NZZ

Offener Brief an NZZ-Chefredaktor Eric Gujer (II)

Christian Müller /  Auf einen Offenen Brief der Erbschaftssteuer-Promotoren Meili hat Eric Gujer nicht geantwortet. Aber die Meilis geben nicht auf.

Die Erbschaftssteuer, über welche die Schweizerinnen und Schweizer am 14. Juni 2015 abstimmen, scheidet die Geister. Laut zu hören sind vor allem die Stimmen der Gegner. Die Unternehmer behaupten, die Steuer würde die Existenz zahlloser kleiner und mittlerer Betriebe gefährden und damit unzählige Arbeitsplätze kosten, die Reichen behaupten einmal mehr, die Schweiz sei ein Land der Neider. Beide Argumentationen stehen auf schwachen Füssen: Die kleinen und mittelständischen Betriebe, die sogenannten KMUs, können gemäss der Initiative nämlich mit einer deutlich kleineren Steuer rechnen, und wer sich auch nur ein bisschen in der Soziologie auskennt und auch das eine oder andere Land im Umfeld der Schweiz ein bisschen genauer kennt, weiss es: Die Schweizerinnen und Schweizer fallen gerade nicht auf durch Neid! Im Gegenteil! Bei der Volksabstimmung im Jahr 1984 zum Beispiel, bei der es um die Beibehaltung bzw. die Aufhebung des Schweizer Bankgeheimnisses ging, haben 73 Prozent für die Beibehaltung des Bankgeheimnisses gestimmt. Die Reichen dürfen reich sein! – Eine Nation der Neider? Blödsinn.

Auch Reiche sind für die Erbschaftssteuer

Aber sei’s drum, es gibt auch etliche Reiche, die sich für eine Annahme der Initiative, also für die Einführung der bundesweiten Erbschaftssteuer einsetzen. Zu besonderer Beachtung haben es die drei Brüder Daniel, Marcel und Martin Meili gebracht, die durch eine Erbschaft reich geworden sind und jetzt eine halbe Million Franken in die Werbung für die Initiative einsetzen.

Zu ihren Aktivitäten für die Einführung der Erbschaftssteuer und also für ein Ja zur Initiative am 14. Juni gehörte ein offener Brief an «NZZ»-Chefredaktor Eric Gujer, in dem sie ihn darauf aufmerksam machten, dass die Idee einer Erbschaftssteuer ursprünglich eine Idee des Liberalismus ist, jener Geisteshaltung also, auf die sich die «NZZ» noch immer beruft. «Infosperber» hat darüber berichtet.

«NZZ»-Chefredaktor Eric Gujer hat, wen wundert’s, nicht geantwortet. Nun haben die Brüder Meili Geld gesammelt für ein ganzseitiges Farbinserat in der «NZZ» zugunsten der Erbschaftssteuer. Und siehe da, dieses Inserat ist nun tatsächlich in der «NZZ» vom Samstag, 30. Mai 2015, erschienen. Mit etlichen Namen von Personen, die Geld für diese Anzeige beigesteuert haben.

Immerhin! Wobei man davon ausgehen kann, dass die «NZZ» nicht nur die 20’000 Franken (*) für die Anzeige kassieren wollte, sondern auch erkannte, dass eine Ablehnung des ganzseitigen Inserates deutlich mehr Publizität bewirkt hätte, als es die Veröffentlichung der Anzeige nun tut.

Das Inserat für die Erbschaftssteuer ist auf einer linken Seite der «NZZ» vom 28. Mai platziert, ein Inserat gegen die Erbschaftssteuer drei Seiten weiter hinten auf einer rechten Seite. Hat da die «NZZ» mit der Platzierung auch gleich einen nonverbalen Kommentar zur Initiative abgegeben? Oder ist sie dem Know-how der Anzeigenabteilung gefolgt, das besagt, dass rechtsliegende Anzeigen eine deutlich höhere Beachtung erhalten? Man darf rätseln.

Die ganzseitige Anzeige schliesst am unteren Rand ab mit dem Hinweis auf ein spezielles Webportal: www.fairste-steuer.ch. Es lohnt sich, diesen Link anzuklicken.

* * * * * *

(*) An die 20’000 Franken für die ganzseitige Anzeige kamen etwas über 11’000 Franken durch Crowdfunding zusammen, den Rest bezahlten die Brüder Meili.


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4 Meinungen

  • am 1.06.2015 um 12:49 Uhr
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    Wie ich andernorts schon einmal geschrieben habe: Die «fairste Steuer überhaupt», die Erbschaftssteuer, wurde zusammen mit der Schenkungssteuer in Schweden – also dem Wohlfahrtsstaat schlechthin – 2004 ersatzlos abgeschafft, weil sie «nicht der allgemeinen Gerechtigkeit dient».[1] Vielleicht möchten die Herren Meili mal dazu Stellung nehmen?

    [1] Ernst Johannsson: Erbrecht in Schweden, in: Rembert Süß (Hrsg.): Erbrecht in Europa, 2. Aufl. 2008, S. 1319, Fussnote 214.

  • am 1.06.2015 um 13:42 Uhr
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    In meiner naiven Weltsicht gibt es bessere und schlechtere Verteilungen von Reichtum. Sicher nicht, was wir heute haben, aber vermutlich auch nicht, dass alle gleich viel haben. Es müsste ein Konsens über eine anzustrebende Verteilung gesucht werden, und dann alle Steuern so gestaltet werden, dass die Entwicklung langsam aber sicher in diese Richtung geht.

    Mit Erbschaftssteueren liessen sich dann andere – vermutlich «ungerechtere» Steuern senken – warum streuben sich so viele vermeintlich Liberale dagegen, sind es vielleicht wie sich Herr Gujer der NZZ etwa selber bezeichnet – doch Neoliberale? Gibt es überhaupt noch «echte» Liberale?

  • am 1.06.2015 um 13:55 Uhr
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    Seit wann dienen Steuern dazu, Fairness oder Gerechtigkeit in der Bevölkerung zu schaffen?
    Ganz nach dem Motte «Neid ist geil!» dient die Zwängereit der Befürworter inklusive laufender Anpassung der Argumente einzig das Gesicht nicht zu verlieren.

    Fakt ist, dass das bei einer Annahme:
    a) die Kantone per saldo weniger Steuer-Einnahmen haben werden,
    b) die neuen Steuereinnahmen nie ausreichen werden, um die AHV zu sanieren,
    b) die Unternehmen (gerade die Kleinen, welche von der Steuer ausgenommen würden) noch stärker der staatlichen Willkür ausgeliefert sein werden (MEI lässt grüssen),
    c) Vermögen damit insgesamt mindestens dreimal versteuert wird (Einkommens-St., Vermögen-St. und Erbschafts-St.).

  • am 16.06.2015 um 23:47 Uhr
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    Ich bin mit Leonhard Loew gar nicht einverstanden. Neid ist nicht geil, sondern nobel weil es ein Gerechtigkeitempfinden ist. Leute und Institutionen, die Neid miesmachen, sind sehr verdaechtig.

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