Sperberauge

NZZ: Hier registrieren …

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Eine böse Satire in der NZZ – und niemand hat es so gewollt …

Satire und Humor sind ein schwieriges Thema. Wo der eine lauthals lacht, schüttelt der andere verständnislos den Kopf. Auch zwischen den Ländern gibt es da grosse Unterschiede. In der Schweiz, wo man fast alles über «die Bösen da oben» sagen darf, ist die Satire-Kultur ja ziemlich verarmt, im Gegensatz etwa zu Ländern, die bis 1990 zum sogenannten Ostblock gehörten. Da war Satire bitternötig, weil vieles nicht gesagt werden durfte und deshalb in Satire verpackt werden musste – verständlich für die Hellhörigen, unverständlich für die blinden Beamten des Staatssicherheitsdienstes.

Spätestens seit es das Internet und die digitalen Web-Portale gibt, gibt es aber nun auch eine neue Form der Satire: die zufällige Satire, entstehend aus unkontrolliertem Beieinanderstehen verschiedener Inhalte und Werbeanzeigen. Ein wunderschönes Beispiel war heute, am 24. Dezember 2016, auf der Website der NZZ zu sehen:

Ein sogenannter Screenshot – ein «Foto» der Website NZZ online am Morgen des 24.12.2016. Das «Hier registrieren» gehört zu einer Werbung der Tankstellen-Vereinigung AVIA.

Maria und Josef mit ihrem neugeborenen Kind auf der Flucht, verfolgt von den Häschern des Herodes. Flüchtlinge! Echte Flüchtlinge! Und darüber die Anweisung: Hier registrieren! Eine populäre Forderung der Rechtspopulisten ist ja, dass kein Flüchtling über die Grenze darf, der nicht registriert ist.

Komplettiert wurde das Bild in der NZZ mit dem darunter stehenden Artikel des Feuilleton-Redaktors Uwe Justus Wenzel, in dem dieser darlegt, dass mit der Geburt Jesu auch die Freiheit geboren wurde.

Wie wahr! Für Millionen von Menschen auf unserer Erde gibt es zwar die Freiheit, oft allerdings nur gerade die eine – die Freiheit zu flüchten, wenn sie am Verhungern oder von Bomben bedroht sind.

Nur: registrieren sollten sie sich alleweil … Die Grenzpolizei lässt grüssen.
Weihnachten 2016!

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

3 Meinungen

  • am 24.12.2016 um 17:36 Uhr
    Permalink

    Gut beobachtet und treffend kommentiert. Merssi infosperber für deine Beiträge!

  • am 25.12.2016 um 08:43 Uhr
    Permalink

    Sogar im redaktionellen Teil kommt es manchmal zu unfreiwilliger böser Satire. Hier zum Beispiel im TagesAnzeiger:
    https://plus.google.com/u/0/photos/photo/111245735898925642165/6362729890266794818?icm=false
    Direkt beieinander die Meldungen: «Westen fordert Ende der Angriffe in Aleppo», «USA schicken weitere Soldaten nach Syrien» und «UNO fordert Waffenruhe in Syrien».

    Spannend ist, dass die Widersprüchlichkeit dieser Meldungen von der Redaktion offenbar nicht bemerkt wurde. Jedenfalls wurde dazu nichts geschrieben. Läuft also unter «unfreiwillige, unbemerkte Zufallssatire».

  • am 25.12.2016 um 15:07 Uhr
    Permalink

    Also Maria und Joseph hatten wahrscheinlich größere Sorgen, als sich darüber aufzuregen, dass jemand sie registrieren will.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...