Sperberauge

Kein Zufall: Von der NZZ zur PR

Kurt Marti © Christian Schnur

Kurt Marti /  Dem Sprung des NZZ-Inlandchefs in die PR-Branche ging ein harmloses, zweiseitiges Interview in der NZZ voraus.

Der NZZ-Inlandchef Michael Schoenenberger wird per 1. Januar 2021 Partner der PR-Agentur Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten (HNS). Wie es dazu kam, wollte die Online-Plattform persoenlich.com von Schoenenberger wissen. Seine Antwort: «Ich habe diverse HNS-Partner im Rahmen von Anlässen mehrheitlich zufällig getroffen.»

Zufällig? Nicht ganz. Am 21. Januar 2020 erschien in der NZZ ein harmloses, zweiseitiges NZZ-Interview mit dem HNS-Partner Victor Schmid. Dabei profilierten sich der NZZ-Inlandchef Schoenenberger und der NZZ-Feuilletonchef René Scheu als Stichwortlieferanten.

Schmids Botschaft: Die PR-Agentur HNS ist gar keine PR-Agentur. Denn PR-Agenturen würden «die Leute an der Nase» herumführen, weil sie ihre Kunden bloss zu «gesinnungsethischem Verhalten» verleiten würden. Die HNS-Konsulenten hingegen würden ihren Kunden nahelegen, «sich verantwortungsethisch zu verhalten».

Das heisst in den Worten von Schmid: «Handelt, statt bloss zu reden, und sprecht dann von dem, was ihr getan habt!» Zuerst der Tatbeweis, dann das Sprechen über die guten Taten.

Das tönt schön und gut. Aber als LeserIn des NZZ-Interviews möchte man allzu gerne wissen, ob sich die HNS-Konsulenten selber an diese hehren Ideale halten und ob es konkrete Beispiele aus der HNS-Praxis gibt, die dieser Theorie widersprechen? Doch Fehlanzeige. Schoenenberger und Scheu blieben brav.

Ein konkretes Beispiel gefällig? Kein Problem: Im Jahr 2012 war das Image des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) durch die Atomfilz-Kritik der beiden Experten Walter Wildi und Marcos Buser ziemlich ramponiert.

In der Not rief der Ensi-Rat (Aufsichtsgremium des Ensi) einen PR-Mann der HNS-Konsulenten zu Hilfe, weil dieser «über ein entsprechendes Netzwerk verfügte», wie die damalige Ensi-Rats-Präsidentin Anne Eckhardt in einer Medienmitteilung offenherzig bekannte.

Ein Rohrkrepierer. Denn die PR-Agentur HNS war über ihr Netzwerk Teil des Problems, das Atomfilz heisst, und damit wenig glaubwürdig als kommunikative Vermittlerin von Glaubwürdigkeit. Wie Infosperber schon mehrmals berichtete (Unheimlicher PR-Filz: Wer mistet den Augiasstall? und Perfide Methoden gegen Atomkritiker Marcos Buser), funktionierte die HNS-Agentur als Informations-Drehscheibe all jener Institutionen, die in der Kritik der Experten Walter Wildi und Marcos Buser standen. Konkret: Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), das Bundesamt für Energie (BFE), die Atomaufsicht Ensi samt Ensi-Rat und die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra). Aber auch der Stromkonzern Alpiq als AKW-Betreiber gehörte dazu, für den die HNS-Konsulenten ein Lobbypapier verfassten.

Ausgerechnet die atomvernetzte PR-Agentur HNS sollte also das angeschlagene Image der Atomaufsicht aufpolieren und die Atomfilz-Kritik mit einem verantwortungsethischen Tatbeweis kommunikativ parieren. Stattdessen lieferten die HNS-Konsulenten mit ihrer Vernetzung einen weiteren Tatbeweis für den blühenden Atomfilz – und blieben damit kläglich im gesinnungsethischen Sumpf der PR-Branche stecken.

Übrigens: Zum HNS-Netzwerk gehörte auch die NZZ, wie aus einem HNS-Papier vom 18. Januar 2013 im Auftrag des Ensi-Rats hervorgeht. Darin heisst es:

HNS Papier für den Ensi-Rat

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES).

Zum Infosperber-Dossier:

Ensi

Atomaufsichtsbehörde Ensi

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi entscheidet darüber, ob AKWs noch sicher genug sind.

Lobbyist_Hand

Macht und Einfluss von Lobbys

Für Anliegen zu lobbyieren ist legitim. Doch allzu mächtige Lobbys korrumpieren Politik und Gesellschaft.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 13.11.2020 um 12:07 Uhr
    Permalink

    Danke, Kurt Marti: Der sitzt …

  • am 13.11.2020 um 17:06 Uhr
    Permalink

    Seit ich gehört habe, ist schon ein paar Jährchen her, dass Schmid sich in trauter Runde gerühmt hatte, einem Kunden in zwei Stunden ein Webkonzept zusammengeschustert zu haben und dafür CHF 20’000 kassiert zu haben, ziehe ich den Hut vor diesem PR-Mann. Denn entweder gilt, was er erzählt hatte, dann ist er ein mehr als tüchtiger Geschäftsmann, oder er ist ein Vorläufer von Trump und erzählte bereits lange bevor Trump auf der politischen Bühne erschienen ist, Fakenews.

    Das Interview in der NZZ habe genau als das, als das es Marti beschreibt, in Erinnerung. Ein PR-Gespräch in eigener Sache. Den seinen gibts der Herr in der NZZ.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...