Kommentar

Frieden zwischen Israel und Palästina ist möglich

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsDer pensionierte Autor war viele Jahre lang ARD-Journalist. Er betreibt heute den Blog sonnenseite.com. ©

Franz Alt /  Israel feiert sein 70-jähriges Bestehen. Der «Judenstaat», dessen Vision Theodor Herzl 1896 veröffentlichte, wurde 1948 Realität.

Juden, 2000 Jahre über die ganze Welt verstreut und verfolgt, haben wieder eine «Heimstatt». Das Land ist heute die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten. Aber hat Israel auch Zukunft?

Präsident Netanjahu feiert in diesen Tagen Israels militärische Stärke und erklärt: «Wir können uns selbst verteidigen. Darin besteht unsere Souveränität.»

  • Reicht aber militärische Stärke für die Zukunftsfähigkeit eines Landes? Wo bleibt die Gerechtigkeit gegenüber den Palästinensern?

700’000 Palästinenser wurden 1948 vertrieben oder mussten fliehen. Israels Kriegsglück war vor 70 Jahren Palästinas Katastrophe schlechthin. Bis heute ist Israel ein Staat auf Kosten Palästinas. Wie aber kann Frieden möglich werden?

Die Ansiedlung von immer mehr Israelis auf palästinensischem Gebiet im Westjordanland ist heute der Hauptstreitpunkt, der einem dauerhaften Frieden im Wege steht. Aber genau darin liegt auch eine Chance.

Die israelischen Siedler könnten die künftige Minderheit in Palästina werden. So wie viele Palästinenser die künftige Minderheit in Israel sind. Beide Minderheiten müssen einen besonderen staatlichen Schutz erhalten. Jerusalem kann die gemeinsame Hauptstadt von Palästina und Israel sein.

Eine Zeit lang müssten wohl die Vereinten Nationen die Minderheiten auf beiden Seiten schützen, notfalls auch militärisch. Die jeweiligen Minderheitenrechte müssten durch internationale Verträge gewährleistet werden, und beide Seiten müssten offen sein für geringfügige Grenzkorrekturen.

Reine Utopie? Unmöglich? Wie war es denn in Europa nach 1945?

Auch hier schien Frieden nach zwei Weltkriegen mit 60 Millionen Toten zunächst unmöglich. Doch die wirtschaftliche Kooperation war die Basis und der Ansporn für Wohlstand und politische Zusammenarbeit. Auch Palästina und Israel und ihre jeweiligen Minderheiten könnten ökonomisch zusammenarbeiten und andere arabische Länder zu einer Nahost-Gemeinschaft einladen – mit dem Ziel, gemeinsam Frieden und Wohlstand zu schaffen. Dabei könnte nach dem Vorbild der Europäischen Union ein neues Wirtschaftswunder entstehen.

Am Anfang müssten natürlich vertrauensbildende Schritte unternommen werden, ähnlich wie beim Überwinden des Kalten Krieges. Den ersten Schritt zur Aussöhnung zwischen Polen und Deutschland gingen die katholischen Bischöfe beider Länder, als sie zueinander sagten: «Wir vergeben und wir bitten um Vergebung.» So entsteht wirklicher Frieden. Das Ziel muss die Aussöhnung der gesamten Region sein.

Dabei könnten die drei abrahamitischen Religionen eine zentrale Rolle spielen. Sie basieren doch alle auf den Werten Liebe, Frieden und Barmherzigkeit. Eine starke politische und spirituelle Persönlichkeit müsste diese Vision, nach der sich Millionen Menschen aller Religionen im gesamten Nahen Osten sehnen, nachhaltig, glaubwürdig und öffentlichkeitswirksam vertreten, ähnlich wie Michail Gorbatschow, der vor über dreissig Jahren den Mut zum ersten Abrüstungsschritt hatte. Vielleicht eine Frau wie Angela Merkel.

Auch kluge Politiker und Religionsführer in Saudi-Arabien und Iran hoffen auf diese Vision. Und ein wachsender, kreativer Nahostfrieden könnte der Schlüssel für den Weltfrieden werden.

Die bisherige Nahostpolitik war und ist zu visionslos. Gerade die Bedeutung der Religionen für den Frieden wurde von den Vereinigten Staaten in allen Verhandlungen übersehen. Die Geschichte nach 1945 lehrt aber, dass selbst der Punkt des tiefsten Konflikts der Beginn zur Versöhnung sein kann. Frieden ist grundsätzlich immer möglich. Das Gegenteil zu behaupten, ist Ideologie und menschenfeindlich.

Voraussetzung für einen Erfolg ist natürlich ein neues, ein anderes Denken – ein Denken «vom Ende her».

Als Vorbild könnte die alttestamentarische Geschichte von der Versöhnung zwischen den beiden verfeindeten Brüdern Jakob und Esau dienen: Vor viertausend Jahren trafen sich diese beiden «Erzfeinde» nach jahrzehntelangem Streit. Jakob hatte Esau betrogen und Esau wollte ihn töten. Als aber Jakob nach einem nächtlichen Traum Esau in einer Demutsgeste um Verzeihung bat, war Esau tief berührt und sagte: «Willkommen, mein Bruder. Unser Land ist gross genug für uns beide.»

Frieden beginnt immer mit einem Traum vom Frieden. Auch Israelis und Palästinenser können heute erkennen, dass ihr «Land gross genug für uns beide» ist. Beide sollten dies vor den Vereinten Nationen bekennen und einander um Verzeihung bitten. Entscheidend wird sein, ob einer den Mut zum ersten Schritt hat. Dieser erste Schritt in eine neue Richtung ist grundlegend.

Seit 2006 gab es drei Kriege zwischen Israel und den Palästinensern und aktuell wieder Krawalle rund um den Gazastreifen. Israelische Soldaten haben in den letzten drei Wochen 32 Palästinenser erschossen. So sieht keine friedliche Zukunft aus. Die dauerhafte Besatzung im Westjordanland ist keine Lösung.

Es gibt aber immer Alternativen. Gerade der militärisch Stärkere kann den ersten Schritt gehen. Frieden ist auch zwischen Israel und Palästina möglich. Diesen ersten Schritt könnte Ministerpräsident Netanjahu tun und vor der UNO erklären: «Wir haben 1948 den Palästinensern Unrecht getan. Dafür bitten wir um Verzeihung. Aber bitte versteht, dass auch Juden nach 2000 Jahren Verfolgung wieder eine Heimat wollen. Wir vergeben und wir bitten um Vergebung. Das Land reicht für uns beide.»

Ohne einen Traum vom Frieden, gibt es keinen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der pensionierte Autor war viele Jahre lang ARD-Journalist. Er betreibt heute den Blog sonnenseite.com.

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20120226um12_51_13

Atommacht Israel und ihre Feinde

Teufelskreis: Aggressive Politik auf allen Seiten festigt die Macht der Hardliner bei den jeweiligen Gegnern.

WandernderJude

Offene/verdeckte Judenfeindlichkeit

Antijudaismus und Antisemitismus sind eine speziell gegen Juden gerichtete Form von Fremdenfeindlichkeit.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

5 Meinungen

  • am 25.04.2018 um 12:33 Uhr
    Permalink

    Könnte als «Gebet» gelten in allen Kirchen, Moscheen und Synagogen! Ich würde noch ergänzen: Alle heiligen Bücher in den Schrank, arbeitet mit Verstand und mit euren besten Einsichten, lasst die Götter zuschauen! Sie werden euch nicht hindern.

  • am 25.04.2018 um 13:51 Uhr
    Permalink

    Oh, ist das ein guter Artikel ! spricht mir direkt aus und in die Seele ! Ich bin voll mit der Muslimischen Kultur – und Ländern vernetzt -privat und beruflich – und meine Frau ist Jüdin. Wir teilen Beide dieses in diesem Artikel so gut formulierte Gefühl, dass dieser «ewig» dauernde Konflikt seinem Ende entgegen geht – mit letzten Momenten von dramatischem Sich-Aufbäumens auf beiden Seiten (wie es oft der Fall ist bevor echter Friede möglich wird – siehe Deutschland/Frankreich …) Danke an dem Autoren und danke, das veröffentlicht zu haben.

  • am 25.04.2018 um 20:47 Uhr
    Permalink

    Ist es gerecht, wenn die Palästinenser, ein unschuldiges Volk, dafür bestraft werden, dass sich der Deutsche Staat des Völkermords an seinen jüdischen Volksgenossen schuldig gemacht hat und nicht dafür büssen musste? Den Juden steht Wiedergutmachung zu, aber nicht auf Kosten Unschuldiger.

  • am 26.04.2018 um 08:36 Uhr
    Permalink

    „Eine Zeit lang müssten wohl die Vereinten Nationen die Minderheiten auf beiden Seiten schützen, notfalls auch militärisch“

    Israel sitzt via USA als Vetomacht in der UNO. Die UNO ist deshalb leider eine sinnfreie Institution.
    Was Sie als Friedens-Träumer von der Realität trennt, ist, dass es in der Welt keineswegs um Frieden geht, sondern um Macht. Pax Americana. Die USA hat den 2. WK benutzt (im letzten Augenblick, mit den völlig unnötigen Atombomben – Hitler war zu dem Zeitpunkt ein halbes Jahr tot), um sich als Imperium hervorzutun, was von Vielen als „Frieden“ angesehen wurde. Dieses Imperium ist, auch wegen des Internets, etwas am Bröckeln. Die Verquickung von Israel und den USA lässt nicht unbedingt auf Frieden hoffen.
    Der kleine Bürger wie Sie und ich wollen Frieden. Die grossen Player Macht. Nicht das Gleiche.

  • am 28.04.2018 um 15:57 Uhr
    Permalink

    Als ich vor 65 Jahren zur Schule ging, wurden wir über Galiläa, Judäa und Samaria unterrichtet. Habe nachgeschaut und las folgendes:- «nach der Hinrichtung Jesus haben wir über die römischen Kaiser die Ausrottung der Juden aus ihrer Heimat gelernt!» So ungefähr haben wir die traurige Geschichte gelernt: »…unter seinen Nachfolgern, die von den zunehmend schwachen und unfähigen Kaisern Caligula, Claudius und Nero eingesetzt wurden, verstärkte sich der Einfluss der revolutionär-messianischen Gruppen immer mehr, bis im Jahre 66 nach Christus der letzte große Aufstand sich erhob, der als „Jüdischer Krieg“ in die Geschichte eingehen sollte und erst im Jahre 70 mit der Zerstörung des Tempels zu Jerusalem endete. Und während in der Folgezeit die jüdische Bevölkerung innerhalb des Römischen Reiches immer stärker dezimiert wurde, schließlich zu einem schattenhaften Rest herabsank, erfuhr die Bewegung des Mannes, der als einer der zahlreichen jüdischen Aufrührer von Pilatus hingerichtet worden war, wachsende Aufmerksamkeit und Bedeutung, die bis in unsere Gegenwart reicht». Wohnt die heutige jüdische Bevölkerung nicht in ihrer angestammten Heimat, ja oder nein oder wurden wir mit Lügen unterrichtet? Die alte geographischen Karten beweisen es doch: die Juden wohnen heute in ihrer zurückgewonnenen Heimat. Und die Arabern sind die Fremden!

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...