Kommentar

Energiezukunft wandelt sich von Fall zu Fall

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Der Zeithorizont von Energieprognosen ist meist länger als ihre Gültigkeit. Das gilt global ebenso wie national.

Der Weltenergie-Ausblick der internationale Energieagentur (IEA), der alle Jahre wieder erscheint wie das Christkind, prognostiziert die Energiezukunft jeweils für die folgenden 25 Jahre. Das ist eine lange Zeit. Viel kürzer ist der Wandel dieser Prognosen: Erst wurde dem Erdöl das grösste Wachstum voraus gesagt. Als sich die Meldungen über den bevorstehenden «Peak Oil» häuften und die Ölpreise stiegen, rückte Kohle an die Spitze der Wachstumsparade – verbunden mit einer düsteren Sicht auf den Klimawandel. Dieses Jahr prophezeit die IEA dem Erdgas bis 2035 die höchste Zuwachsrate. Gleichzeitig befördert sie die USA, den bislang grössten Öl-und Gas-Importeur, zum baldigen Energie-Exporteur.

Die neuste IEA-Prognose ist plausibel – aus heutiger Sicht. Aber sie wird ebenso wenig eintreffen wie alle früheren Ausblicke. Denn die Verhältnisse ändern sich. Neue Techniken wie etwa das «Fracking» von Erdgas bringen alte Voraussagen schnell zum Einsturz. Und sie können auch neue Prognosen schnell über den Haufen werfen, wenn sich eine neue Technik als Irrweg entpuppt. Der Gang der Wirtschaft, deren Booms und Krisen sich ebenso wenig voraus sagen lassen, beeinflusste den Energiekonsum bisher stärker, als die – meist schwache – Energiepolitik es tat.

Damit fragt sich: Macht es überhaupt Sinn, Prognosen und Szenarien auszuarbeiten oder Ziele bis zum Jahr 2050 zu setzen, wie das etwa die die Schweizer Regierung mit ihrer «Energiestrategie 2050» vorsieht? Jawohl, solche Szenarien und Strategien sind sinnvoll, um zu zeigen, wohin die Reise gehen kann und gehen soll. Falsch wäre es aber zu glauben, dass sich die Wirklichkeit im Jahr 2050 an das halten wird, was der Bundesrat heute ins Gesetz schreibt. Beispiel: Es ist Augenwischerei, ein präzises Ausbauziel von 24 220 Gigawattstunden (GWh) Strom aus erneuerbarer Energie fürs Jahr 2050 in ein heute zu revidierendes Energiegesetz zu schreiben, wie es der Bundesrat in seiner Vernehmlassungs-Vorlage tut. Relevanter und zuverlässiger als ferne Ziele sind griffige politische Mittel, welche die Entwicklung in die angepeilte Richtung steuern.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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