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«Energiestadt»: Von Umweltverbänden initiiert – zukünftig von «Burson-Marsteller» beworben? © bm/es

Öko-Millionen für Atom-PR-Agentur vor dem Richter

Kurt Marti /  Die PR-Agentur «Burson-Marsteller» möchte ihr Atom-Image abstreifen und buhlt um Öko-Gelder. Zunächst aber sprechen die Richter.

Die Kampagne der Atomlobby gegen die Ausstiegs-Initiative läuft noch bis am Wochenende auf vollen Touren. Mitten drin steht die PR-Agentur «Burson-Marsteller» als Sprachrohr der Atomindustrie. Wie Infosperber schon mehrmals berichtete, ist das «Nuklarforum Schweiz» (NF) im Berner Büro von «Burson-Marsteller» (BM) einquartiert. Bis vor zwei Jahren wurde das «Nuklearforum» gar vom Bundesamt für Energie (BFE) mit einem Jahresbeitrag von 3‘600 Franken unterstützt. Acht von rund 40 BM-Beschäftigten lobbyieren unter der Leitung von NF-Geschäftsführer Beat Bechtold, der gleichzeitig BM-Direktionsmitglied ist, für den Weiterbetrieb der alten AKW, für den Bau neuer AKW und gegen die erneuerbaren Energien und die Ziele der Energiestrategie 2050.

Die international tätige PR-Agentur ist bekannt für ihre Kampagnen für die Erdöl-, Chemie- und Pharmakonzerne. Beispielsweise in Brüssel vertritt «Burson-Marsteller» die Interessen des US-amerikanischen Erdöl- und Erdgas-Giganten «ExxonMobil», wie dem EU-Transparenzregister zu entnehmen ist. Letztes Jahr war «Burson-Marsteller» in der Schweiz wochenlang wegen der unrühmlichen Kasachstan-Affäre um die FDP-Nationalrätin Christa Markwalder in den Schlagzeilen.

Frage der Vereinbarkeit

Wegen der jahrelangen Atom-Propaganda aus dem Berner Büro von «Burson-Marsteller» und aufgrund der internationalen Aktivitäten war es höchst erstaunlich, ja sogar ein Affront, dass das BFE Ende Oktober einen happigen Öko-Kommunikationsauftrag ausgerechnet an «Burson-Marsteller» vergab: Für rund 3,6 Millionen Franken verteilt auf fünf Jahre soll die umstrittene PR-Agentur die Kommunikation für das Projekt «Energiestadt» übernehmen, das die Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz zum Ziel hat, und das ursprünglich von der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) und vom WWF initiiert wurde.

Dabei stellt sich sogleich die Frage nach dem Interessenkonflikt beziehungsweise der Unvereinbarkeit der Mandate. Konkret geht es darum, ob die Ausschreibungs-Bedingung «Keine unvereinbaren Mandate» erfüllt war. Denn diese Klausel verlangt: «Die Agentur betreut aktuell und während einer allfälligen Zusammenarbeit mit dem BFE keine Mandate, die nicht mit den Zielen des BFE vereinbar sind.»

BFE sieht «keine Konflikte»

Es ist folglich keine Überraschung, dass zur Zeit beim Bundesverwaltungsgericht (BVG) eine Beschwerde gegen die Mandatsvergabe des BFE hängig ist, wie BVG-Medien-Sprecher Rocco R. Maglio auf Anfrage von Infosperber bestätigt. Weitere Angaben, insbesondere zur Identität des Beschwerdeführers sowie über das erwartete Urteilsdatum, konnte Maglio nicht machen.

Infosperber hat bei zwei konkurrierenden PR-Agenturen nachgefragt. Stefan Wyer von der «Dr. Schenker Kommunikation», die das Mandat bisher ausgeführt hat, gibt sich verschlossen. Wyer, der frühere Mitarbeiter von CVP-Bundesrätin Ruth Metzler, nimmt grundsätzlich «zum Vergabeverfahren keine Stellung». Gaby Wyser, Firmenleiterin der «Weissgrund AG», hingegen gibt bekannt, dass «das Verfahren noch nicht abgeschlossen» sei.

Keine Unvereinbarkeits-Probleme sieht das BFE, wie die Handelszeitung bereits früher berichtete, und wie das BFE auch gegenüber Infosperber bestätigt. Laut BFE ist die Frage möglicher Interessenkonflikte «in aller Offenheit angesprochen worden». Dabei sei das BFE zum Schluss gekommen, dass sich «keine Konflikte ergeben», weil das Mandat mit dem Nuklearforum Ende Jahr auslaufe und andere Mitarbeiter das «Energiestadt»-Projekt bearbeiten würden.

Acht Mitarbeiter wechseln zum Nuklearforum

Auf Anfrage von Infosperber nimmt Geschäftsleitungsmitglied Tim Frey zur erstaunlichen Metamorphose von «Burson-Marsteller» vom Atom-Sprachrohr zum Lautsprecher für die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz Stellung. Laut Frey, der von 2009 bis 2012 Generalsekretär der CVP war, verlässt das achtköpfige Nuklearforum-Team um Beat Bechtold auf Ende Jahr «Burson-Marsteller» und wird «direkt vom Nuklearforum angestellt».

Durch diesen Rückzug des Nuklearforums habe sich für «Burson-Marsteller» «eine neue Situation» ergeben. Er selber habe die Offert-Eingabe geleitet und er sei es auch, der das «Energiestadt»-Projekt in Zukunft leiten werde – sofern das Bundesgericht die hängige Beschwerde ablehnt. Bereits im August hatte der «Blick» berichtet, dass das Nuklearforum das Mandat nach der Atom-Abstimmung vom 27. November «aus Kostengründen» zurückziehe.

Trotz der bevorstehenden Abspaltung des Nuklearforums und dem Ausscheiden eines Fünftels der Belegschaft hat «Burson-Marsteller» ein erhebliches Problem mit der Glaubwürdigkeit. Auch wenn Frey bekennt, dass er damals als CVP-Generalsekretär die «Motion Schmidt» mitgetragen habe. Bekanntlich hat der Walliser CSP-Nationalrat Roberto Schmidt nach Fukushima im April 2011 im Nationalrat die Motion «Schrittweiser Ausstieg aus der Atomenergie» eingereicht und darin die gesetzliche Festlegung des Zeitpunkts der AKW-Stilllegung verlangt. Inzwischen wollen allerdings Schmidt und seine Parteifreunde von einem konkreten Stilllegungszeitpunkt nichts mehr wissen.

Ob «Burson-Marsteller» neben dem Nuklearforum-Mandat weitere, unvereinbare Mandate hat, lässt sich mangels Transparenz nicht überprüfen. Auf der Homepage der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) fehlen die BM-MitarbeiterInnen und ihre Mandate. Gegenüber Infosperber erklärt Frey: «Wir führen keine öffentliche Mandatsliste, sind aber umfassend transparent gegenüber unseren Kunden. In Bezug auf den Energiesektor wie auch in Bezug auf Bundesmandate haben wir kein konkurrierendes Mandat.» Offenbar fördert das BFE die Transparenz nicht, sonst würde das Bundesamt nur PR-Unternehmen berücksichtigen, die ihre Mandate auf der SPAG-Hompage öffentlich deklarieren.

Fragen, die das Gericht klären muss

Die fehlende Transparenz, das aktuelle Atom-PR-Mandat und das internationale ExxonMobil-Mandat von «Burson-Marsteller» in Brüssel lassen die Frage der Unvereinbarkeit offen. Dass das BFE «kein Problem» sieht, ist kein Garant für die vorschriftsgemässe Abwicklung der Auftragsvergabe. Das BFE zeigte in Bezug auf die Zusammenarbeit mit PR-Agenturen nicht immer die nötige Sensibilität und Einsicht, wie Infosperber gezeigt hat (siehe: «Unheimlicher PR-Filz: Wer mistet den Augiasstall?»)

Deshalb ist es nun am Bundesverwaltungsgericht, die folgenden Fragen zu klären:

  • Fällt das aktuelle Nuklearforum-Mandat, das noch bis Ende 2016 läuft, unter die Unvereinbarkeits-Klausel der Ausschreibung, welche verlangt: «Die Agentur betreut aktuell und während einer allfälligen Zusammenarbeit mit dem BFE keine Mandate, die nicht mit den Zielen des BFE vereinbar sind.»
  • Wirkt die Unvereinbarkeits-Klausel auch über die Beendigung des NF-Mandats auf Ende Jahr hinaus?
  • Hatte und hat «Burson-Marsteller» weitere Mandate, die nicht mit den Zielen des BFE vereinbar sind?
  • Wie sind die Mandate von «Burson-Marsteller» auf internationaler Ebene, insbesondere von ExxonMobil in Brüssel, bezüglich der Unvereinbarkeit zu bewerten?
  • Welchen Stellenwert hat das Kriterium der Glaubwürdigkeit bei einer solchen Auftragsvergabe?

Fragliche Auslagerung

Strittig ist auch die Auslagerung solcher Mandate an teure PR-Agenturen mit Stundenansätzen von 250 bis 300 Franken, was Tageshonoraren von 2‘000 bis 2‘400 Franken entspricht. Gerade das Beispiel des Nuklearforums, das aus Kostengründen das Mandat zurückzieht und die bisherigen BM-Mitarbeiter direkt anstellt, zeigt klar und deutlich, dass damit offenbar Kosten gespart werden können. Das dürfte auch beim «Energiestadt»-Projekt der Fall sein und im finanziellen Interesse der über 400 Energiestädte liegen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Geschäftsleiter, Redaktor und Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

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