Kommentar

Ein «Reset» in der Medienpolitik – dank Sommaruga?

Catherine Duttweiler © Zug

Catherine Duttweiler /  Schweizer Verleger erhoffen sich von Simonetta Sommaruga eine neue Medienpolitik. Die Zeit der engen SRG-CVP-Allianz ist vorbei.

Auch diese Woche hat sich die Verlagsbranche wieder zur traditionellen Dreikönigstagung getroffen. Anlass und Teilnehmerzahl spiegelten den Zustand der darbenden Medien: weniger Gäste als früher und ein frühes Ende. Doch eines ist gleich geblieben: Noch immer werden die Trends und Themen des Jahres an der Tagung in Zürich gesetzt. Der Anlass vom Mittwoch markierte den Anfang einer neuen Medienpolitik.

Das Bundesgesetz über die elektronischen Medien, das Bundesrätin Doris Leuthard kurz vor ihrem Rücktritt präsentierte und die dominante Rolle der SRG festigen sollte, hat kaum mehr Chancen. Stattdessen stiess die protektionistische Forderung der Zeitungsverleger nach einer Vervierfachung der indirekten Presseförderung auf erstaunlich gutes Echo: Die staatlich subventionierte Zeitungszustellung soll ausgebaut werden, so der «grösste Wunsch» von Verlegerpräsident und Tamedia-Chef Pietro Supino im Eröffnungsreferat. Die anwesenden Medienpolitiker aus dem Nationalrat reagierten positiv. Doch noch ist nichts entschieden.

Speziell bei CVP-Präsident Gerhard Pfister rannte Supino wohl nach vorgängiger Absprache offene Türen ein. In einem geistreichen Referat fragte der Christdemokrat, ob es denn ein eigenes Gesetz brauche, um die Medien im technologischen Wandel und einer «unglaublich stürmischen Entwicklung» zu begleiten: «Ein Gesetz sollte eine Haltbarkeit von wenigstens zehn Jahren haben.» Als Alternative will Pfister lieber auf «kleine und temporäre Massnahmen» setzen, der Aufstockung der indirekten Presseförderung auf neu 120 Millionen Franken pro Jahr stimmte er ausdrücklich zu. Damit ging der Parteichef auf Distanz zur SRG und zur abgetretenen Medienministerin Doris Leuthard. Die Zeiten der engen CVP-Allianz zwischen Bundesrätin, Parteispitze und Chefbeamten in der SRG sind damit definitiv vorbei. Mit dem Wechsel an der Departementsspitze sind offenbar die letzten Bisshemmungen weggefallen. Pfister schilderte, wie er bisweilen von SRG-Kadern unter Druck gesetzt worden sei.

Dass es soweit kam, hat sich die SRG vor allem selber zuzuschreiben. Die Institution hat viel Goodwill verspielt, den ihr führende Politikerinnen und Medienleute im Abstimmungskampf zur No-billag-Initiative entgegengebracht hatten. Denn kaum hatte sie diesen gewonnen, gebärdete sie sich wie ein profitorientiertes Unternehmen, das ohne Rücksicht auf föderalistische Vielfalt und regionale Empfindlichkeiten die politische Berichterstattung in der Zürcher Agglomeration konzentrieren will.

Kommt hinzu, dass der Ende Juni letzten Jahres vorgeschlagene Entwurf fürs Mediengesetz einen Geburtsfehler hat: Es geht in keiner Weise auf die brandaktuellen Manipulationsgefahren im Internet und den sozialen Medien ein, welche gerade für eine direkte Demokratie wie die Schweiz besonders bedrohlich sind. Der zweite, unzeitgemässe Fehler: Das Mediengesetz soll, so die Idee Leuthards, die Position der SRG weiter stärken. Entgegen anders lautender Vorschläge sollen nur gerade sechs Prozent aus dem Gebührentopf von aktuell 1,2 Milliarden Franken an private Anbieter gehen, weitere Zahlungen an den Presserat und die ebenfalls kriselnde SDA sind marginal. Damit können die Verleger wie schon seit vielen Jahren zurecht lautstark beklagen, dass die SRG mit Gebührengeldern kostenlose Onlineangebote erstellt, die für eine Wettbewerbsverzerrung sorgen – wo doch die gedruckten Medien, so Supino, «die wichtigste Informationsquelle für demokratische Meinungsbildung» geblieben seien.

Der auf zehn Jahre befristete, 120 Millionen schwere Gegenvorschlag des Tamedia-Chefs hat allerdings ebenfalls mehrere Schönheitsfehler: Vom Bundesmanna sollen erstens vorwiegend die grossen Medienkonzerne profitieren statt wie bislang nur die bedürftigen Regionalzeitungen mit einer Auflage von bis zu 40’000 Exemplaren. Zweitens soll neben der Postzustellung auch die Frühzustellung unterstützt werden, die derzeit von einer Posttochter unzuverlässig umgesetzt wird; dabei würden erstmals die grossen Medienunternehmen begünstigt, die heute ausgeschlossen sind – während die bereits heute subventionierte Regional- und Lokalpresse kaum stärker begünstigt würde. Drittens dürfte die Übergangslösung den Überlebenskampf von todgeweihten Printpublikationen verlängern, anstatt die überfällige zukunftsorientierte Förderung des regionalen Service public neu zu lancieren. Supinos Vorschlag ist ein palliativer Ansatz, von dem vor allem die börsenkotierten Medienunternehmen profitieren, welche aufgrund harter Sparmassnahmen schon bald einen nicht allzu schlechten Geschäftsabschluss 2018 vorlegen dürften.

Es ist daher völlig offen, ob der von Pfister und weiteren anwesenden Nationalräten wohlwollend aufgenommene Vorschlag im Parlament tatsächlich mehrheitsfähig ist. Wer die Schweizer Medienvielfalt wirklich absichern will, sollte besser langfristig in relevante journalistische Inhalte statt kurzfristig in die Zeitungslogistik investieren – so wie dies skandinavische Länder seit vielen Jahren erfolgreich praktizieren. Denn Regionalzeitungen haben schon immer einen viel umfassenderen Service public geliefert, als es die SRG jemals leisten kann: Sie berichten vielerorts kontinuierlich und kenntnisreich über die Dorfpolitik, was den Rahmen der SRG-Sendegefässe sprengen würde.

Die wichtige Aufgabe von regionalen Zeitungen und Portalen könnte man – ähnlich wie bei den Lokalradios und -Fernsehsendern – mit Leistungsaufträgen regeln und finanziell abgelten, wenn man die direkte Demokratie auf dem Lande fördern will. Aber offenbar geht es den grossen Schweizer Verlagen noch zu gut, als dass sie darauf einsteigen würden – auch nicht nach dem Krisenjahr 2018, in welchem Publikationen wie Le Matin, L’Hébdo und die Tageswoche eingestellt, die Basler Zeitung verkauft und die SDA einer dramatischen Sparrunde unterworfen wurde. Noch immer befürchten die grossen Verleger, der Staat könnte sich ungebührlich in Auswahl und Gestaltung redaktioneller Inhalte einmischen – eine Sorge, die sich bislang bei den Lokalradios und -Fernsehen kaum bewahrheitet hat.

Vor genau einem Jahr hat die Eidgenössische Medienkommission eine technologieneutrale, direkte Medienförderung verlangt – von der gerade auch kleinere Regionalredaktionen mit Print- und Onlineverbreitung stark profitieren könnten. Die neue Medienministerin Simonetta Sommaruga hat nun die Chance, derlei Vorschläge unbefangen zu prüfen. Das Ende der achtjährigen CVP-Dominanz in der Medienpolitik birgt die Chance eines Neuanfangs, das hat selbst der Präsident der Christdemokraten in aller Konsequenz erkannt. Und wer weiss: Vielleicht ist die Dreikönigstagung bereits in einem Jahr wieder für eine Überraschung gut.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Catherine Duttweiler hat als langjährige Chefredaktorin des «Bieler Tagblatts» selbst miterlebt, wieviel überdurchschnittlichen Einsatz es für regionale Verlage und Redaktionen braucht, um mit beschränkten Mitteln täglich eine Qualitätszeitung veröffentlichen zu können.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 13.01.2019 um 15:04 Uhr
    Permalink

    Mediengesetz: Wir brauchen echte Forumsmedien.

    Wenn der Mediennutzer in den politisch entscheidenden Kommentaren die gleiche Position in immer wieder neuer Form vorgesetzt bekommt – und dies noch in wohlgesetzten Worten und Bildern – so ist die Chance gross, dass er sich diese Meinung zuletzt zu seiner eigenen macht. Ich wünsche mir Forumsmedien, wo ein echter Dialog zwischen den Positionen stattfindet. Das ist wohl Wunschdenken. Nicht einmal die gebührenfinanzierte SRG schafft diese Ausgewogenheit. Auch die „Republik“ ist nur Sprachrohr ihrer Macher.

    Mit dem neuen Mediengesetz müssen deshalb Forumsmedien gefördert werden, wo nicht der Werbeertrag, Lobbyisten-Gelder oder die politische Haltung des Verlegers die politische Ausrichtung bestimmt.

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