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Die Verantwortlichen des Axpo-Linthal-Debakels

Kurt Marti /  Der Axpo-Konzern schreibt 540 Millionen auf Linthal 2015 ab. Die Medien rapportieren brav. Infosperber nennt Ross und Reiter.

Kaum war das Weihwasser über dem neuen Pumpspeicherwerk Linthal 2015 im Glarnerland versprengt, musste der Axpo-Konzern bereits einen Abschreiber von 540 Millionen Franken bekannt geben. Schuld sind laut Axpo die «tiefen Grosshandelspreise». Gegenüber der NZZ erklärte Jörg Huwyler, Leiter Hydro-Energie beim Stromkonzern Axpo: «Unter heutigen Bedingungen würden wir das nicht mehr bauen». Doch wie war es damals vor sieben Jahren, als die Axpo-Verantwortlichen den milliardenteuren Fehlentscheid fällten?


Die Segnung des Pumpspeicherwerks Linthal 2015 (Quelle: axpo)

Fakt ist: Der tiefe Strompreis ist bloss der Auslöser für das Linthal-Debakel, die Ursache liegt im Fehlentscheid der Axpo vom September 2009. Die heutige Begründung der Axpo ist ein reines Ablenkungsmanöver, das die Schweizer Medien brav verbreiteten, ohne nach den damaligen Umständen und den Namen der Axpo-Verantwortlichen zu fragen.

Das Pumpspeicherwerk würde nicht erst «unter heutigen Bedingungen» nicht mehr gebaut, sondern hätte schon unter den damaligen Bedingungen niemals gebaut werden dürfen. Die Manager und Verwaltungsräte fällten damals den folgenschweren Entscheid, obwohl die Warnlampen für das Milliardenprojekt Linthal 2015 längst blinkten:

  1. Es gab schon vor dem Bau Kritik aus den eigenen Reihen: «Wir haben das Projekt damals durchgerechnet und befanden es als zu riskant», erklärte der frühere Axpo-Manager Peter Wiederkehr (siehe Infosperber: «Axpo hat Milliarden in den Glarner Kalk gesetzt»).
  2. Auch der Aargauer Energieingenieur Heini Glauser erinnert sich gegenüber Infosperber noch gut an seinen Besuch im Juli 2006 beim damaligen Axpo-Chef Heinz Karrer, dem er vorgerechnet habe, dass die Rechnung der Axpo für Linthal 2015 nicht aufgehen konnte. Doch Karrer liess sich nicht beirren.
  3. Im Jahr 2009 drückte die Finanz- und Wirtschaftskrise bereits deutlich auf die Stromnachfrage und folglich auf die Strompreise.
  4. Auch das Wachstum der europäischen Solar- und Windstrom-Produktion war zur Zeit des Bauentscheids im Herbst 2009 schon immens.
  5. Selbst das ETH-Institut «Centre for Energy Policy and Economics» (CEPE) warnte bereits im Jahr 2006 in einer Studie vor den sinkenden Margen der Pumpspeicherwerke.

Diese fünf Punkte zeigen deutlich, dass die Axpo-Verantwortlichen im Herbst 2009 einen milliardenteuren Fehlentscheid trafen. Obwohl die Alarmlampen rot leuchteten, träumten die Axpo-Verantwortlichen weiter vom Goldenen Kalb. Deshalb stellt sich heute die Frage nach der Verantwortung der Manager und Verwaltungsräte, die damals an der folgenschweren Entscheidung beteiligt waren und sich nun – mit dem Segen der Medien – in politische Deckung geschlichen haben.

Zwei Axpo-Manager arbeiteten früher für ABB und Alstom

Im September 2009, als die Axpo den Bauentscheid für Linthal 2015 fällte, sassen die folgenden fünf Manager in der Konzernleitung der Axpo Holding AG (nachfolgend Axpo): Heinz Karrer (CEO) und Rolf Bösch (Finanzchef) sowie die Konzernleitungsmitglieder Hans Schulz, Manfred Thumann und Andrew Walo. Sie trugen die operative Verantwortung für die Investitionen von 2,1 Milliarden Franken.

Die beiden Axpo-Manager Thumann und Walo standen vor ihrer Axpo-Zeit jahrelang im Dienste der ABB und der Alstom. Beide Konzerne waren auf lukrative Aufträge für das Pumpspeicherwerk Linthal angewiesen. Dabei ging es um Beträge in der Höhe von mehreren hundert Millionen Franken. Alstom lieferte Turbinen und Generatoren für 270 Millionen Franken und ABB elektrotechnische Ausrüstungen für 124 Millionen Franken.


Axpo-Konzernleitung 2009 (v.l.n.r.): Heinz Karrer, Hans Schulz, Andrew Walo, Rolf Bösch, Manfred Thumann (Quelle: Axpo)

Von den damaligen fünf Mitgliedern der Axpo-Konzernleitung ist heute nur noch Andrew Walo in der Konzernleitung. Er wurde im Jahr 2014 Nachfolger von Axpo-CEO Heinz Karrer, der heute Präsident des Wirtschaftsverbandes Economiesuisse ist. Manfred Thumann ging 2014 vorzeitig in Pension. Thumann sass zusammen mit Hans Schulz auch im Verwaltungsrat des Bündner Repower-Konzerns, der wegen seiner Hunter-Strategie ebenfalls in finanzielle Nöte geriet (siehe Infosperber: «Repower-Debakel: Die Verwaltungsräte haben versagt»). Rolf Bösch war bis 2010 Axpo-Finanzchef.

Mehrere bürgerliche Politiker standen Pate

Im dreizehnköpfigen Verwaltungsrat der Axpo sassen im Jahr der Entscheidung 2009 vier Regierungsräte (drei FDP, ein SVP), eine Regierungsrätin (SVP) und ein Ständerat (FDP). Die restlichen Verwaltungsräte waren Vertreter aus der Privatwirtschaft.

VR-Präsident Robert Lombardini (1949): Der Bündner Elektroingenieur ETH verliess im Jahr 2004 den Urner Dätwyler-Konzern und wurde VR-Präsident der Axpo. Zuvor arbeitete er in leitender Funktion bei Motor Columbus. Im Frühjahr 2016 trat Lombardini altershalber aus dem Axpo-Verwaltungsrat zurück.

Vizepräsident Pankraz Freitag (1952 – † 2013): Der Glarner FDP-Ständerat tanzte immer auf zwei Hochzeiten. Als Glarner Regierungsrat (1998 – 2008) und als Präsident der Regierungskonferenz der Gebirgskantone (Alpen-Opec) hatte er die Interessen der Bergkantone zu vertreten, als Axpo-Verwaltungsrat jene der Stromwirtschaft. Freitag war seit 2001 Mitglied und von 2005 bis 2013 Vizepräsident des Axpo-Verwaltungsrats.

Peter C. Beyeler (1945): Der Bauingenieur ETH und FDP-Politiker war von 2000 bis 2013 Aargauer Regierungsrat und sass von 2001 bis 2013 im Axpo-Verwaltungsrat.

Jakob Brunnschweiler (1950): Der Bauingenieur FH und FDP-Politiker war von 1998 bis 2015 Regierungsrat im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Er sass von 2001 bis Frühjahr 2016 im Axpo-Verwaltungsrat, die letzten fünf Jahre als Vizepräsident.

Reto Dubach (1956): Der Jurist und ehemalige Staatsschreiber des Kantons Schaffhausen sitzt seit 2008 für die FDP in der Schaffhauser Regierung und im Axpo-Verwaltungsrat.

Rita Fuhrer (1953): Die SVP-Politikerin war von 1995 bis 2010 Regierungsrätin im Kanton Zürich. Von 2001 bis 2010 sass sie im Axpo-Verwaltungsrat.

Markus Kägi (1954): Der SVP-Politiker ist seit 2007 Regierungsrat im Kanton Zürich und sitzt seit 2008 im Axpo-Verwaltungsrat.

Peter Reinhard (1954): Der Geschäftsführer der EVP sitzt als Fraktionspräsident seit 1994 im Zürcher Kantonsrat und seit 2005 im Axpo-Verwaltungsrat.

Ueli Betschart (1950): Der Elektroingenieur ETH sitzt seit März 2009 im Axpo-Verwaltungsrat. Von 2003 bis 2012 war er Direktor der «Electrosuisse», dem Verband für Elektro-, Energie- und Informationstechnik.

Ernst Frey (1949): Der Bauingenieur ETH war von 2005 bis 2013 im Axpo-Verwaltungsrat. Er ist VR-Präsident der Ernst Frey AG.

Hans-Peter Härtsch (1950): Der lic. oec. HSG war von 2001 bis 2010 Verwaltungsrat der Axpo. Er ist VR-Mitglied der Flawa Holding AG.

Rudolf Hug (1950): Der Unternehmer sitzt seit 2003 im Axpo-Verwaltungsrat, seit Frühjahr 2016 ist er Vizepräsident. Bis 2013 war er im Vorstand von Swissmem und Economiesuisse.

Rolf Sägesser (1943): Der Bauingenieur ETH war von 2004 bis März 2009 im Axpo-Verwaltungsrat. Als der Bauentscheid für das Pumpspeicherwerk Linthal 2015 im September 2009 bekannt gegeben wurde, war er nicht mehr im Verwaltungsrat.

Hansjakob Zellweger (1945): Der Rechtsanwalt sass von 2004 bis 2012 im Axpo-Verwaltungsrat.

Trotz Misswirtschaft steigende Gehälter

Die Manager und Verwaltungsräte liessen sich grosszügig entschädigen. Die fünf Mitglieder der Konzernleitung kassierten im Jahr 2009 rund 3,6 Millionen Franken und die Verwaltungsräte rund 1,1 Millionen Franken. Die Vergütungen der Regierungsräte und der Regierungsrätin flossen in die jeweilige Kantonskasse.

Ungeachtet der Axpo-Finanzkrise stiegen in den letzten Jahren die Gehälter vor allem der Axpo-Manager kräftig an. Im letzten Jahr bekam die Konzernleitung 4,7 Millionen Franken und der Verwaltungsrat 1,2 Millionen Franken. Während Heinz Karrer im Geschäftsjahr 2008/09 noch 822‘000 Franken einkassierte, heimste der aktuelle Axpo-Chef Andrew Walo im letzten Jahr 1‘132‘000 Franken ein.

Auch zwei Glarner Regierungsräte mischten mit

Neben dem Axpo-Verwaltungsrat gab auch der Verwaltungsrat der Kraftwerke Linth-Limmern AG (KLL) im Herbst 2009 grünes Licht für den Bau des Pumpspeicherwerkes Linthal. An den KLL ist der Axpo-Konzern mit 85% und der Kanton Glarus mit 15% beteiligt.

Im damaligen KLL-Verwaltungsrat sassen die folgenden fünf Personen:

VR-Präsident Rolf W. Mathis (1956): Der Maschineningenieur ETH und frühere Axpo-Manager ist seit 2006 Präsident der KLL. Mathis sitzt in rund zwei Dutzend Verwaltungsräten der Stromwirtschaft, u. a. im VR der Repower (siehe Infosperber: «Repower-Debakel: Die Verwaltungsräte haben versagt»). Mathis gehört auch zu den Drahtziehern der Stromlobby. Er ist Vizepräsident des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes SWV (siehe Infosperber: «Aktion hohle Hand: Das Netzwerk der Wasserkraft»).

Vizepräsident Jörg Huwyler: Er ist Leiter Hydro-Energie beim Stromkonzern Axpo.

Andrea Bettiga-Schiesser (1960): Der frühere Tierarzt sitzt seit 2008 für die FDP in der Glarner Regierung und im Verwaltungsrat der KLL.

Robert Marti (1953): Der BDP-Politiker sitzt seit 1997 in der Glarner Regierung. Seit 2005 ist er Verwaltungsrat der KLL und seit 2015 der Axpo.

Jürg Wädensweiler: Der Axpo-Vertreter sitzt seit 2006 im KLL-Verwaltungsrat und auch in zahlreichen anderen Verwaltungsräten der Energiebranche.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Geschäftsleiter, Redaktor und Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

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4 Meinungen

  • Helmut_Scheben_310
    am 23.09.2016 um 14:41 Uhr
    Permalink

    Bravo! Ist doch erstaunlich. dass man einen solche Analyse im CH-Blätterwald vergeblich sucht

  • am 23.09.2016 um 15:16 Uhr
    Permalink

    Nachdem das Betriebsmodell ’neue Atomkraftwerke› für die Pumpspeicherung vom Erdbeben zerrüttelt und vom Tsunami überschwemmt worden war, haben die diversen hätten-sollen Verantwortlichen die Dreitstigkeit, zu behaupten, bei den gescheiterten grossen neuen Pumpspeicherkraftwerken handle es sich um «die Wirbelsäule der Energiewende». Stimmen tut allerdings, dass nur eine kräftige Energiewende zusammen mit einem sehr hohen CO2-Preis die Rentabilität dieser Werke nochmals herstellen könnte. Setzen sie sich dafür ein, diese Marktwirtschafler? Natürlich nicht! Beim Bund jammern und betteln und lobbyieren, dass sich die Balken biegen ("Aktion hohle Hand") hat Vorrang. Das Prinzip der Organisierten Verantwortunslosigkeit ist in der Schweizer Strombranche umgesetzt, wie kaum sonst in einer Branche.

  • am 23.09.2016 um 15:30 Uhr
    Permalink

    Nun die Grünen schreiben selber, dass die Schweiz 1.0 – 1.4 TWh. Speicherkapazität braucht für die es2050. Der Bund rechnet mit 0.7 TWh. Linth-Limmern hat der Muttsee 0.037 TWh Kapazität. Der Import von Überschüssigem subventioniertem EE Strom aus DE ist an der Misäre Schuld.

  • am 23.09.2016 um 15:57 Uhr
    Permalink

    Die Geilheit auf und der Glaube an neue AKW ist Ursache des Debakels. Schuldig sind die Irrgläubigen. Sie sind, was Axpo angeht, im Artikel zu Recht genannt. Klar, ohne Überkapaziäten in der Stromproduktion wäre es nicht so dramatisch gekommen. Aber an dieser zweiten Ursache haben die genau gleichen Leute sehr erhebliche Mitschuld. Axpo hat allein 1,5 mal die Kapazität von Gösgen oder Leibstadt in Italien in Gaskraftwerken aufgebaut. (Axpo-Werbung: CO2-freie Stromproduktion; Wahrheit: im Inland).

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