Bundesministerium

Aus der Website des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung © BWZ

Deutscher Klartext zur deutschen Entwicklungshilfe

Christian Müller /  Heiner Flassbeck, ehemaliger Chefökonom der UNCTAD, hält seinen Landsleuten den Spiegel vor. Ein Muster an Deutlichkeit.

Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist, sagte einst Johann Wolfgang Goethe. Und auch wir, soweit wir als abgeschottete Eidgenossen mit dem Ausland überhaupt noch kommunizieren, wissen es. Wenn etwas, das man gerne möchte, nicht geht, sagt der Engländer, äusserst höflich: It might be difficult, es dürfte schwierig sein. Der Deutsche sagt: Es geht nicht. Punkt.

In vielen Fällen mag das etwas hart tönen. Und es mag dazu beigetragen haben, dass sich die Schweizer vor allem in den letzten Jahren gegen die Einwanderung auflehnten. Es kommen ja nicht mehr die auf der Baustelle singenden italienischen Muratori. Es kommen die Deutschen, die sagen, was ist.

Manchmal macht solcher Stil aber auch Spass. Zum Beispiel, wenn man von aussen zuhört, wie die Deutschen untereinander «diskutieren». «Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch», sagte 1984 Joschka Fischer im Bundestag. In der öffentlichen Debatte, notabene, nicht am heimlich abgehörten Telefon wie das «Fuck the EU» der US-amerikanischen Diplomatin Victoria Nuland.

Heiner Flassbeck, ein deutscher Wirtschaftswissenschafter, war von 2003 bis 2012 Chefökonom der UNCTAD, der United Nations Conference on Trade and Development, der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung. Jetzt ist ihm, in Anbetracht des Wehklagens der deutschen Politiker über die Flüchtlingsströme, der Kragen geplatzt.

Wir müssen etwas in den Herkunftsländern der Flüchtlinge tun – welch ein Hohn!

«Wir müssen etwas in den Herkunftsländern der Flüchtlinge tun – welch ein Hohn!», schrieb Flassbeck auf seiner eigenen Website flassbeck-economics, um dann so weiterzufahren:

«Landauf und landab kann man von deutschen Politikern aus allen Lagern in diesen Tagen den gleichen Sermon hören: Wir müssen etwas in den Herkunftsländern tun, wir müssen humanitäre Hilfe leisten, wir müssen die Lage in den Ländern verbessern, wir müssen und wir müssen…

Erstens, dazu ist es zu spät. Wer etwas in den Ländern ändern will, braucht Ideen und einen langen Atem, beides hat die Politik nicht. Humanitäre Hilfe in Flüchtlingslagern in anderen Ländern ändert nichts, aber auch gar nichts an dem derzeitigen Zustrom von Flüchtlingen und der Situation in den nächsten Monaten.

Und zweitens: Das offizielle Deutschland hat sich in den vergangenen vierzig bis fünfzig Jahren nie wirklich für die Probleme der Entwicklungsländer interessiert und tut es auch heute noch nicht. Ich war gestern bei meinem ehemaligen Arbeitgeber, der UNCTAD in Genf, anlässlich des sogenannten Trade and Development Boards eingeladen (das ist formal die Vertretung aller UN-Mitglieder bei UNCTAD). Mit einigen anderen Ökonomen sollte auf der Grundlage von Eingangsreferaten über die wirtschaftliche Lage in der Welt diskutiert werden, über die spezifischen Probleme der Entwicklungs- und Schwellenländer und die systemischen Schwierigkeiten, denen sich die Entwicklungsländer gegenübersehen.

Der Diplomat, der Deutschland vertritt, kam eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung, legte seine Jacke ab und verschwand für die nächsten zwei Stunden, nur um danach kurz seine Jacke wieder abzuholen und endgültig zu gehen. So also geht der offizielle Vertreter Deutschlands mit den Sorgen der Entwicklungsländer um in einer Zeit, in der alle Politiker seines Heimatlandes von der Notwendigkeit schwadronieren, sich mit den Ursachen der Flüchtlingsströme auseinander zu setzen!»

Und in diesem Stil weiter…

Den ganzen Artikel von Heiner Flassbeck findet man hier.


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3 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 18.09.2015 um 12:20 Uhr
    Permalink

    Für die Probleme der Entwicklungsländer hat sich tatsächlich niemand interessiert, man zahlte bloss Milliarden. Wenn man sich schon nicht interessiert, sollte man das Geld anderer Leute , die noch arbeiten, dafür fairerweise auch nicht ausgeben. Noch interessant zu diesen Fragen wäre die Meinung von Infosperber-Mitarbeiter und Afrikakenner Al Imfeld.

  • am 19.09.2015 um 04:40 Uhr
    Permalink

    die Entwicklungshilfe ist real gescheitert. Aber sie ist zu einer Entwicklungshilfe-Industrie geworden an der bis in die Unctad viele Gutmenschen gute Löhne kassieren. Diese zu entwickelnden Länder/Gesellschaften funktionieren bis heute nur als Diktaturen mit entsprechender Korruption. Woher nehmen wir uns das Recht das ändern zu wollen? Offensichtlich war das bis heute nicht möglich. Die notwendigen Aenderungen müssen von innen aus diesen Ländern/Gesellschaften kommen, wenn sie das überhaupt wollen. Meine Meinung ist politisch sehr unkorrekt. Ich erlaube mir sogar zu sagen, dass die UNO und ihre Untergesellschaften bis heute nichts gebracht haben, ausser Spesen nichts gewesen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 19.09.2015 um 08:12 Uhr
    Permalink

    @Stimmt so nicht, geht von zu hohen Ansprüchen an Uno aus, welche im Ansatz nicht als Weg zur Weltrepublik zu deuten ist. Die Kritik an dem, was man in Entwicklungszusammenarbeit umtaufte, ohne dass diese real wurde, müsste vom Einzelfall ausgehen. Vielleicht müsste sie knallhart interessenbezogen sein, so bezogen auf Migrationsströme. Also weder Kolonialismus noch Mission, weder christliche noch humanitäre. Gewiss war nicht alles falsch, was versucht wurde, weder der kritisierte Albert Schweitzer noch das humanitäre Projekt von Roger Federer, welches über den hoffentlichen Nutzen der Imagepflege und der Neidvermeidungsstrategie eines erfolgreichen Mannes dient, als Eigeninitiative aber wohl immer noch zu respektieren.

    Es bleibt dabei, dass ein unabhängiger Kenner wie Al Imfeld wohl mehr zu sagen hätte als ein beamteter und hochbezahlter Diplomat, dessen Aussagen mithin auch der Rechtfertigung seines Standes dienen. Noch interessant ist, dass die Afrikapolitik Chinas ausschliesslich seinen Interessen dient. Chinas Ideologie hat den Vorteil, dass es von der westlichen (linken) Intelligenz weniger kritisiert wird als weiland die Geschäftstätigkeit von Marc Rich, die nie mit Entwicklungshilfe verwechselt wurde, was immer sie – auch im Vergleich zur Entwicklungshilfe – gebracht haben mag. Sicher ist, dass auch Rich auf die Korruption in Afrika «angewiesen» war. Netto hätte ich auch lieber Sozialhilfe in der Schweiz als in einem Bergwerk zu Bedingungen des 19. Jhds zu schuften.

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