Kommentar

Der AfD fehlen die «richtigen» Flüchtlingsbilder

Jürg Müller-Muralt © zvg

Jürg Müller-Muralt /  AfD-Spitzenmann Alexander Gauland jammert, dass es zu wenig knackige Flüchtlingsbilder gibt, um den Leuten Angst zu machen.

Alexander Gauland hat ein Problem: Ihm sind die Bilder abhandengekommen. Das sei mit ein Grund, weshalb die AfD derzeit nicht mehr ganz so en vogue ist wie auch schon, findet der Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland (AfD), und sagt in einem Interview mit dem Bund: «Uns fehlen die dramatischen Bilder im Fernsehen: Flüchtlinge auf der Balkanroute oder an der griechischen Grenze.» Gauland weiss: «Wenn die Bilder fehlen, droht die Angst vor Überfremdung zu verschwinden».

Das ist natürlich schlimm für eine Partei, welche die Angst zu ihrem Geschäftsmodell gemacht hat. Denn «bei der AfD steht das A für Angstmacherei», schreibt Heribert Prantl, Inlandchef der Süddeutschen Zeitung, in seinem neuen Buch «Gebrauchsanweisung für Populisten». Eine gute Politik, findet Prantl, «müht sich, die Ängste der Menschen zu verkleinern, der Extremismus heisst die Ängste willkommen». Aber eben: Wie soll man Ängste bewirtschaften, wenn das dazu nötige Bildmaterial fehlt? Da müsse man, sagt Gauland, «viel mehr erklären, um sie (die Ängste, J.M.) wieder sichtbar zu machen.» Das ist erstens mühsam und zweitens, so muss man daraus schliessen, lesen die AfD-Wählerinnen und -Wähler nicht so gerne.

Man kann es Alexander Gauland wohl einfach nicht recht machen. Als das Flüchtlingselend auf der Balkanroute sichtbar war und nicht nur Schlagzeilen, sondern auch entsprechend verwertbares Bildmaterial generierte, forderte die AfD Grenzschliessungen und die Vorsitzende Frauke Petry konnte sich auch einen Schiessbefehl auf Flüchtende vorstellen. Und jetzt, nachdem die EU mit der Türkei den Flüchtlingsdeal abgeschlossen hat und die Populisten aller Schattierungen südlich von Deutschland die Balkanroute erheblich schwieriger begehbar gemacht haben, ist es auch wieder nicht recht. Denn mit dem Flüchtlingsstrom ist auch der Nachschub an aussagekräftigem Propagandamaterial zurückgegangen.

Die «falschen» Flüchtlingsbilder

Zwar gibt es immer noch Flüchtlingsbilder, aber andere: Da die Flüchtenden wieder vermehrt über das Mittelmeer kommen, werden erneut kenternde Boote und dramatische Rettungsaktionen zwischen Libyen und Sizilien gezeigt. Aber solche Bilder, das spürt Gauland wohl instinktiv ganz richtig, eignen sich für eine wirkungsvolle Angstpropaganda kaum. Ums nackte Überleben kämpfende, durchnässte, erschöpfte Menschen, ertrinkende Frauen, Kinder und Männer, Leichensäcke auf den Schiffen der italienischen Küstenwache: Mit solchen Bildern jagt man den Deutschen einfach keinen nachhaltigen Schrecken ein, der dann auch noch politisch etwas hergibt. Im Gegenteil: Bei einigen Leuten könnte das gar so etwas wie Empathie, Mitleid, vielleicht sogar einen Helferimpuls auslösen. Und das sind nun weder die Ziele noch die Kernkompetenzen der AfD.


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