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Abwahlkandidat 2023: Der freisinnige Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis. © srf

Bundesrat zum Mosambik-Skandal: «Wir prüfen nicht»

Thomas Kesselring /  Es sei Aufgabe der Banken, illegale Fluchtgelder und Geldwäscherei den Behörden zu melden, erklärte Bundesrat Ignazio Cassis.

Red. Thomas Kesselring fasst Antworten des Bundesrats zum Mosambik-Skandal zusammen, bei dem die Credit Suisse eine wichtige Rolle spielt.
Im Frühjahr 2016 waren die geheimen Kredite, welche die Credit Suisse London an mosambikanische Firmen vergeben hatte, im ganzen Umfang aufgeflogen. Darauf stellte der Weltwährungsfonds IWF die Zahlungen an Mosambik ein, und die Geberländer, darunter die Schweiz, sistierten ihre Budgethilfe. Wenige Monate später erklärte sich Mosambik für zahlungsunfähig.
Diese Gelder fehlen heute dem mosambikanischen Staatshaushalt. Deswegen spart das Land im ohnehin schwachen sozialen beziehungsweise Bildungs-Bereich. Die Zahl neu eingestellter Lehrkräfte für alle Schulstufen beispielsweise wird nächstes Jahr um fast drei Viertel gekürzt, von 8306 im Jahr 2017 auf 2213 im Jahr 2018. Die Schülerzahlen sollen aber um 4 bis 7 Prozent steigen.1 Man müsse eben die Klassen vergrössern, tröstet Finanzminister Maleiane. Diese umfassten allerdings bisher schon je 40 bis 50 Schüler.
In der Schweiz haben mehrere SP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier am 4. Dezember 2017 die Fragestunde dazu genutzt, um dem Bundesrat zur Schuldenkrise Mosambiks ein paar Fragen zu stellen. Im Folgenden als Dokumentation die Fragen und Anworten:

Fragen von Carlo Sommaruga:

«Credit Suisse und VTB sowie der damalige Staatschef Armando Guebuza und Geheimdienstchef Gregorio Leao organisierten einen 2-Milliarden-Kredit, der Mosambik in den Abgrund riss. Das meiste Geld versickerte in Bankgebühren, Korruption und rostigen Schiffsruinen.

  • Klärt der Bundesrat ab, ob in der Schweiz Vermögenswerte von Armando Guebuza, Gregorio Leao und deren Entourage liegen?
  • Wird er diese blockieren, bis Gerichte geklärt haben, ob es sich um ehrlich verdientes Geld handelt oder nicht?»

Antwort von Bundesrat Ignazio Cassis:
«Es ist nicht Sache des Bundesrates, zu prüfen, ob in der Schweiz Vermögenswerte unter der Kontrolle von politisch exponierten Personen oder deren Angehörigen deponiert sind. Es obliegt den Finanzintermediären, die dem Geldwäschegesetz unterstehen, ihren Verpflichtungen hinsichtlich der erhöhten Sorgfalt gegenüber dieser Kundschaft nachzukommen und im Falle eines begründeten Verdachts, dass Vermögenswerte aus kriminellem Ursprung stammen, Kontakt mit der Meldestelle für Geldwäscherei beim Bundesamt für Polizei aufzunehmen. Die Vermögenswerte müssen dann vom Finanzintermediär gesperrt werden, sobald das Kommunikationsamt beschliesst, diese Informationen an eine Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln. Dieses System hat sich bewährt und gilt auch für Bankbeziehungen mit Kunden aus Mosambik.
Zur zweiten Frage: Obwohl der Bundesrat die Sperrung von Vermögenswerten anordnen kann, unterliegt diese Massnahme einer Reihe von Bedingungen, die das Gesetz über Vermögenswerte unerlaubter Herkunft vorsieht. Eine solche Blockierung ist im Wesentlichen präventiv, da sie im Falle eines Machtwechsels im Herkunftsstaat Mittel angeblich rechtswidrigen Ursprungs sichern soll, im Allgemeinen sogar bevor ein Antrag auf Unterstützung an die Schweiz gestellt wird. In diesem Fall ist anzumerken, dass der ehemalige Präsident Mosambiks bereits im Jahr 2015 sein Amt niedergelegt hat. Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 16. August 2017 zur Interpellation Naef ‹Schuldenkrise in Mosambik, Insolvenz, Korruption und Credit Suisse› feststellte, sind zudem Untersuchungen über die Umstände in Gang, unter denen Mosambik Kredite bewilligt wurden, und die Schweiz fordert weiterhin eine umfassende Untersuchung aller betroffenen Finanzströme.»

Carlo Sommaruga hakt nach:
«Sollte man sich im Departement nicht die Möglichkeit überlegen, die Situation, soweit sie die Entwicklungspolitik der Schweiz in Mosambik gefährdet, vor die Bundesanwaltschaft zu bringen und sie mit der Überprüfung, ob ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nicht angebracht wäre, zu beauftragen?»

Antwort von Bundesrat Ignazio Cassis:
«Ich habe Ihnen gesagt, dass es nicht Sache des Bundesrates ist, sondern der Finanzintermediäre, zu überprüfen, ob in der Schweiz Vermögenswerte unter der Kontrolle von politisch exponierten Personen deponiert worden sind. Gleichzeitig habe ich Ihnen auch gesagt, dass meine Abteilung offen dafür ist, das Thema in dem von Ihnen genannten Sinne zu untersuchen, ob es Spielraum für Verbesserungen in der Rechtsgrundlage gibt.»

Fragen von Cédric Wermuth:
«Die Firma Kroll erstellte für die Staatsanwaltschaft in Mosambik einen Audit-Bericht über den geheimen 2-Milliarden-Kredit der Credit Suisse und VTB an Mosambik. Demnach verletzte die Credit Suisse zentrale, selber definierte Kriterien: keine Zustimmung der Zentralbank; keine gerichtliche Überwachung; keine Berichterstattung an den IWF. Wer sorgt nun für eine strafrechtliche Untersuchung wegen ungetreuer Geschäftsführung, Verletzung der Sorgfaltspflichten und fehlender Verhütung von Korruption?»
Antwort des Bundesrats:
«Wenn interne Richtlinien der Bank nicht eingehalten worden sind, ist eine strafrechtliche Untersuchung nicht zwingend angezeigt. Es stellt sich die Frage, ob dadurch auch – nationale oder internationale – bankenrechtliche Pflichten verletzt worden sind. Deren Prüfung obliegt vorab der Bankenaufsicht. Ergäben sich dabei Verdachtsgründe für ein strafbares Verhalten nach schweizerischem Recht, so wären die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. Voraussetzung für ein Strafverfahren in der Schweiz ist zudem die Zuständigkeit der schweizerischen Behörden. Diese ist namentlich dann gegeben, wenn sich eine Straftat zumindest teilweise in der Schweiz abgespielt hat.»

Fragen von Barbara Gysi:

«Credit Suisse und VTB organisierten für Mosambik einen 2-Milliarden-Kredit, der das Land in den Abgrund riss. Das meiste Geld versickerte in Bankgebühren, Korruption und verrosteten Schiffsruinen. Zu Recht stoppten die Geberstaaten im Mai 2016 die Budgethilfe.

  • Bis wann erreicht die Schweizer Entwicklungshilfe für Mosambik wieder das Niveau von 2015?
  • Stehen nun basisnahe Projekte zugunsten der Bevölkerung sowie die Stärkung der Zivilgesellschaft und der Good Governance im Fokus der Hilfe?»

Antwort von Bundesrat Ignazio Cassis:

«Als die versteckten Schulden Mosambiks publik wurden, beschloss die Schweiz zusammen mit anderen Gebern, jeden ihrer Beiträge zu überprüfen. Das Niveau von 2015 wird aufgrund der wegfallenden Budgethilfe auf absehbare Zeit nicht erreicht. Der Bundesrat sieht hingegen keine Kompensation der beendeten Budgethilfe durch Projekte der Entwicklungszusammenarbeit vor. Da Mosambik eines der ärmsten Länder der Welt ist, bleibt es weiterhin ein Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit … Die Schweiz wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die mosambikanische Bevölkerung öffentliche Basisdienstleistungen erhält, insbesondere im Wasser- und Gesundheitsbereich…»
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Der parlamentarische Vorstoss in England
In Grossbritannien befasst sich die Politik ebenfalls mit dem Mosambik-Skandal. Nicht weniger als 81 Parlamentarier aus sechs Parteien verlangen eine Gesetzesänderung, um die Wiederholung von Fällen, wie sie sich in Mosambik ereignet haben, in Zukunft zu verhindern .

Eine vom Labour-Abgeordneten Roger Godsiff am 11.07.2017 eingereichte Motion haben 81 Parlamentsmitglieder (aus sechs verschiedenen Parteien) unterzeichnet. In dieser Motion bringen die Unterzeichner ihre «Besorgnis über die angeblichen geheimen Darlehen zum Ausdruck, die in London ansässige Banken [Credit Suisse und VTB] im Jahr 2013» mosambikanischen Unternehmen gewährt und in verfassungs- und gesetzwidriger Weise «mit mosambikanischen Regierungsgarantien» versehen haben. Da «mehr als 90 Prozent der internationalen Anleihen von Staaten südlich der Sahara nach britischem Recht geschuldet werden», fordern sie «Massnahmen, um sicherzustellen, dass alle Kredite nach britischem Recht, die Regierungen gewähren oder mit staatlichen Garantien versehen werden, (…) öffentlich bekannt gemacht werden und den Rechtsvorschriften des betreffenden Landes entsprechen müssen».
Ferner fordern sie «weitere Verbesserungen im Schuldenerlass-Gesetz von 2010 (Debt Relief (Development Countries Countries Act), um sicherzustellen, dass auch Geierfonds, die bei britischen Gerichten hohe Gewinne erstreiten wollen, vereinbarte Umschuldungen respektieren.»

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Infosperber-DOSSIER:

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FUSSNOTEN:
1 República, Proposta do plano econômico e social para 2018 (Wirtschafts- und Sozialplan für 2018), vom 29.09.17, S.6, S.26, quadro 15, und S.29, quadro 18; mit google auffindbar! Vgl. dazu Joseph Hanlon, Mozambique News, Reports and Clippings, no. 373: http://www.open.ac.uk/technology/mozambique/sites/www.open.ac.uk.technology.mozambique/files/files/Mozambique_393-4Dec2017_No-debt-payments_economic.pdf

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Professor Kesselring ist auch Mitglied von Rat Kontrapunkt sowie von Actares.

Zum Infosperber-Dossier:

AfrikaHilfe

Afrika: Ausbeutung und Hilfe

Die Industriestaaten profitieren von Hungerlöhnen und Kinderarbeit. An Korruption sind sie oft beteiligt.

Flagge_Mosambik

Credit Suisse im Mosambik-Skandal

Mit einer russischen Bank hat die CS zwei Milliarden Kredit gesprochen – ohne geforderte Sorgfaltspflicht.

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Eine Meinung zu

  • am 7.12.2017 um 13:29 Uhr
    Permalink

    Nun es scheint aufgrund der Antworten von Bundesrat Cassis auch nicht Sache des Bundesrats zu sein, den Ruf der Schweiz in dieser leidigen Sache zu schützen. Die internationale Presse wird die Schweiz in den Fokus setzen, die nicht bereit ist, im eigenen Stall aufzuräumen!

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