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Freie Einreisen in andere Länder sind in Zeiten von Corona fast unmöglich geworden. © pixabay (Gerd Altmann)

Corona-Reiseverbot: Der WHO waren die Hände gebunden

Monique Ryser /  Die Weltgesundheitsorganisation hätte Reiseverbote aussprechen sollen - wird gefordert. Nur: Sie durfte nicht.

91 Prozent der Weltbevölkerung können nicht mehr frei reisen. Dies ergab eine Untersuchung des Pew Research Centers. Einer der Ersten, der sein Land für Ausländer schloss, war US-Präsident Donald Trump. Einen Tag nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO am 30. Januar die internationale Notstandslage ausgerufen hatte, verbot er Einreisen aus China. Und als Europa zum Hotspot der Corona-Virus-Infektionen wurde, war die Einreise aus Europa fast nur noch US-Bürgern vorbehalten.
In der Zwischenzeit gibt es fast kein Land mehr, das seine Grenzen nicht zumindest teilweise geschlossen hat. Der Weltgesundheitsorganisation wurde verschiedentlich vorgeworfen, dass sie nicht rechtzeitig Reisebeschränkungen verfügt habe. So hat auch China, wo Sars-CoV-2 ausgebrochen ist, zuerst die Stadt Wuhan, dann die Provinz Hubei hermetisch abgeriegelt. Experten sind sich einig, dass damit die Verbreitung des Virus nicht verhindert, aber zumindest verlangsamt werden konnte. Das gab den anderen Weltregionen mehr Zeit, sich vorzubereiten.
Reiserestriktionen scheinen also zumindest zu Beginn eines Ausbruchs eines von vielen Mitteln zu sein, eine Pandemie zu bekämpfen. Aber ausgerechnet eine entsprechende Empfehlung darf die WHO nicht abgeben. Denn die Uno-Organisation muss sich bei ihren Entscheiden strikt nach den Internationalen Gesundheitsvorschriften, International Health Regulations, richten. Diese wurden 2005 erneuert. Nicht von der WHO, sondern von den 196 Mitgliedstaaten. Ziel war damals, ein Gleichgewicht zwischen öffentlicher Gesundheit, Handel und Reisen sowie Menschenrechten zu finden. Die in den 1980er Jahren entdeckte Krankheit Aids hatte ein Schlaglicht darauf geworfen, dass viele Länder einreisende Menschen aufgrund von Krankheiten diskriminierten. So haben die USA erst 2010 ein Einreiseverbot für Aids-Infizierte aufgehoben. Auch andere Krankheiten waren seit den 1950er Jahren Grund dafür, dass die Einreise verweigert werden durfte. Die USA waren nicht die Einzigen. Alleine wegen Aids gibt es auch heute noch in 48 Ländern Vorschriften für Einreisende, die von Meldungen bis zu obligatorischen Aids-Tests gehen, wie Unaids rapportiert.
Die Freiheit der Menschen und ihre grundlegenden Rechte sollen gemäss den heute gültigen internationalen Gesundheitsvorschriften demnach nur im äussersten Fall eingeschränkt werden. Auch der Handel von Waren soll möglichst frei bleiben, damit in der Krise benötigte Güter frei zirkulieren können. Der WHO wurde so ins Regelbuch geschrieben, Reise- und Handelsbeschränkungen zu vermeiden – und damit umzusetzen, was die Mitgliedsländer 2005 beschlossen hatten.
15 Jahre sind eine lange Zeit und heute reisen sehr viel mehr Menschen über den Erdball als damals. Aber auch der Warenverkehr ist sehr viel globaler als damals. Das Thema Reisebeschränkungen und Schliessung der Grenzen wird im Nachgang der Krise sicher wieder auf der Tagesordnung stehen. Der Grat zwischen der Möglichkeit, aus einer Epidemie keine Pandemie werden zu lassen, und der Diskriminierung von kranken Menschen und dem Unterbruch von wichtigen Lieferketten bleibt aber schmal.


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Eine Meinung zu

  • am 23.04.2020 um 11:31 Uhr
    Permalink

    Absolute Sprachlosigkeit meinerseits nach diesem Artikel. Die WHO ist zu 80% privat finanziert. Sollen globale Konzerne und Stiftungen von sehr reichen Menschen etwa eine Empfehlung durch eine Pseudo-UNO Organisation aussprechen, an die sich dann Staaten halten, dürfen?

    Die Angst macht die Menschen wieder empfänglich für 1933 und 1984. Wieso lernen wir nicht aus der Vergangenheit?

    Zum Beispiel wird die Pest und die spanische Grippe immer wieder als Warnhinweis herangezogen. Auf die klimatischen Veränderungen während der Pest und das Ende des 1.WK’s während der spanischen Grippe, wird dann aber nicht hingewiesen. Zu beiden Zeiten war die Gesellschaft stark geschwächt und unterernährt.

    Treten wir vom postfaktischem Zeitalter ins absolute Propagandazeitalter?

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