boerse

Gerichtsurteil zur Brennelemente-Steuer treibt Aktienkurse der Energieversorger in die Höhe © ARD

Milliardengeschenke für deutsche Atomkonzerne

Red. /  Die Steuerzahlenden müssen AKW-Betreibern nicht nur sieben Milliarden Euro zurückzahlen, sondern auch Atommüllkosten übernehmen.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Brennelemente-Steuer gekippt. Sie sei mit dem Grundgesetz «unvereinbar» und damit auch rückwirkend «nichtig», urteilten die Richter Anfang Juni. Damit können die deutschen Atomkonzerne auf Rückerstattung von rund 7 Milliarden Euro hoffen.
Dieses Milliardengeschenk an die Atomindustrie kam nicht überraschend, stellt das ARD-Magazin «Monitor» fest – die deutsche Regierung habe es «sehenden Auges» in Kauf genommen, möglicherweise sogar einkalkuliert.
Klage mit Ansage
Die Brennelemente-Steuer wurde 2011 bis Ende 2016 erhoben. AKW-Betreiber mussten 145 Euro für jedes Gramm Uran bzw. Plutonium zahlen, das erstmals im Reaktor zum Einsatz kam. Doch bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes kündigten die Atomkonzerne an, gegen die Steuer zu klagen. Sie sahen sich gegenüber anderen Stromerzeugern im Nachteil, die keine vergleichbare Abgabe entrichten mussten.
Laut «Monitor» legten die Atomkonzerne dem Bundesfinanzministerium im Jahr 2010 sogar ein juristisches Gutachten vor, das eine Verbrauchssteuer auf Brennelemente für verfassungswidrig hält. Doch die Regierung sah «keinen Anlass, weitere verfassungsrechtliche Fragen (…) zu thematisieren». Ein sehr teures Versäumnis, kritisiert der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland von der Universität Speyer im Interview mit «Monitor». «Die Regierung hätte ein sicheres Gesetz schaffen können. Das hat sie nicht getan, jetzt müssen der Staat und der Steuerzahler die Folgen tragen.»
«Desaströse Energiepolitik»
Noch deutlicher wird Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Sie bezeichnet die Energiepolitik der deutschen Regierung schlichtweg als «desaströs». Erst vor gut einem Jahr konnten sich die AKW-Betreiber mit einem geschickten Deal von ihrer Verantwortung für den Atommüll billig freikaufen. Obwohl laut Gesetz allein die Verursacher für die Lager- und Entsorgungskosten aufkommen müssten, werden die AKW-Betreiber nur rund 24 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds einzahlen. Damit ist für die Konzerne die Sache erledigt. Für allfällige Mehrkosten bei der baldigen «Endlagerung» kommt allein der Staat auf. Laut Experten deckt dieser Fonds nur einen Bruchteil der Kosten. Schon jetzt ist deshalb klar: Die finanzielle Hauptlast trägt am Ende die Allgemeinheit, die die Atomenergie schon jahrzehntelang mit Steuergeldern subventioniert hat.
Der so genannte «Atom-Deal» fiel für die AKW-Betreiber also äusserst günstig aus – trotz hängiger Milliardenklage. Doch warum bestand kein Politiker in der Verhandlung darauf, dass die Atomkonzerne ihre Klage gegen die Brennelemente-Steuer fallen lassen? Kommissionsleiter Jürgen Trittin («Die Grünen») teilte «Monitor» Erstaunliches mit: Das sei von der Regierung genau so gewollt gewesen. Die Klage sollte nicht Teil der Verhandlungen sein, sondern sogar «explizit ausgeschlossen» werden. Die Anweisung sei schon «bei einer der ersten Sitzungen» direkt aus dem Kanzleramt gekommen.
Für Claudia Kemfert ist diese Haltung nicht nachvollziehbar. Man hätte zumindest vereinbaren müssen, dass die Atomkonzerne bei einem Erfolg der Klage zusätzliche Zahlungen zu leisten hätten, findet sie. Seitens der Regierung heisst es dazu nur: «Eine derartige Klausel wäre von den Unternehmen nicht akzeptiert worden». Das Vorgehen der Regierung lässt laut «Monitor» den Schluss zu: Die 7 Milliarden Euro waren von Anfang an Teil der Verhandlungsmasse. Eine bereits einkalkulierte Summe, die AKW-Betreiber nun quasi weniger zahlen für die Entsorgung des Atommülls.
Dass dieses Geld zum grössten Teil den Stromkunden gehört, welche die neue Steuer mit höheren Stromtarifen berappt haben, davon wollen die Konzerne nichts wissen. Eine Rückzahlung an Kundinnen und Kunden ist für die AKW-Betreiber kein Thema. Das 7-Milliarden-Geschenk soll vor allem den Aktionären zugute kommen, liessen sie «Monitor» wissen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Atomfass

Atommüll Jahrtausende «entsorgen»

Weltweit werden sichere Lagerstätten gesucht. Künftige Generationen sollen damit nichts zu tun haben.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

Eine Meinung zu

  • am 5.07.2017 um 09:53 Uhr
    Permalink

    In der Schweiz ist der grosse Atom-Deal auch gut unterwegs, langfristig eingefädelt und bis hin ins linke Lager gut abgestützt. Vgl. http://bit.ly/grosser-coup
    Auch hier werden die Stromverbraucher bezahlen, aber noch mehr die Steuerzahler. Profitieren werden die Kantone, die an den AKW-Konzernen beteiligt sind und die privaten Aktionäre, besonders der Alpiq. Einer von ihnen ist der Blocher-Spezi Martin Ebner. Es wäre interessant, wenn geklärt werden könnte, ob Ebner nur eigenes Geld in Alpiq hat, oder auch welches von z. B. Christoph Blocher. Vielleicht sollte ein verantwortungsvoller Journalist erproben, ob Blocher zu einem eindeutigen Dementi bereit ist — oder nicht.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...