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Bestohlenes Afrika - was Sambia mit Rüschlikon zu tun hat, zeigt die Dokumentation auf ARTE. © STEPS international

Armut für Sambia – Profit für die Schweiz

Robert Ruoff /  ARTE zeigt heute «Afrika - der ausgeraubte Kontinent». Am Beispiel der Ausbeutung in Sambia und der Steuermillionen für die Schweiz

Die Schweiz ist weltberühmt für ihre Seen und Berge, für Schokolade und Käse, für Pharma, Lebensmittel und Banken. Jetzt wird sie noch ein bisschen weltberühmter: mit dem Rohstoffriese Glencore (neu: Glencore+Xstrata). Der Dokumentarfilm «Afrika – der ausgeraubte Kontinent» macht die Schweiz beziehungsweise Rüschlikon am Zürichsee beziehungsweise Zug am Zugersee weltweit noch etwas berüchtigter. Er zeigt die Beziehungen zwischen Glencore mit Sitz in der Schweiz und Sambia, einem der zwanzig ärmsten Länder der Welt.

Der Film läuft nicht nur über ARTE (22.20 Uhr), sondern er wird im Rahmen des Projektes «Why Poverty?» von insgesamt 70 Fernsehstationen ausgestrahlt, darunter BBC World, das 180 Länder erreicht.

Doch schön der Reihe nach.

Kein Steuergeld für Afrika

Der Film beginnt wie ein Märchen: «Rüschlikon ist eine kleine Schweizer Gemeinde in der Nähe von Zürich. Es ist eine der reichsten Gemeinden der Schweiz, kaum Arbeitslosigkeit, keine sozialen Probleme. Eines Tages erhielt der Gemeindepräsident vom Steueramt des Kantons den Hinweis, sie sollten für die Gemeinde ein Bankkonto halten, auf das 360 Millionen einbezahlt werden könnten.» So ungefähr läuft der Text.

Der Grund: Glencore, bis dahin ein privates Unternehmen, war an die Börse gegangen und der CEO Ivan Glasenberg, Besitzer von 15 Prozent der Glencore-Aktien, hatte dabei zwischen fünf und acht Milliarden Schweizer Franken verdient (die Schätzungen gehen auseinander). Ivan Glasenberg wohnt in Rüschlikon.

Worauf sich in Rüschlikon die Gruppe «Solidarität Rüschlikon» mit dem Vorschlag meldete, den Steuersatz nur um fünf statt sieben Prozent zu senken (wie die Gemeinde vorschlug), und jedes Jahr eine Million Schweizer Franken als Unterstützung für die Bevölkerung zu verwenden, die von Glencores Bergbau betroffen war. Glencore sieht sich immer wieder schwerer Kritik ausgesetzt: wegen Menschenrechtsverletzungen, gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen, Vergiftung von Boden und Grundwasser. Und wegen Steuermanipulationen. In Peru, Kolumbien, Kongo oder eben Sambia.

Der Vorschlag von «Solidarität Rüschlikon» wurde von einer stark besuchten Gemeindeversammlung abgelehnt. «Man darf hier reich sein», sagt der Gemeindepräsident vor der Kamera,»aber man sollte es nicht so zeigen».

Virtueller Handel – realer Profit

In der Schule hat man uns das wirtschaftliche Erfolgsmodell der Schweiz so erklärt (es ist eine Weile her): Die Schweiz hat keine Rohstoffe. Also holt sie die Rohstoffe günstig aus aller Welt – vor allem aus der Dritten Welt -, veredelt sie hier mit gut ausgebildeten Arbeitskräften und verkauft sie entsprechend teuer wieder in alle Welt. Das hat uns Schüler stolz gemacht.
Glencore hat wie manche andere dieses Modell zeitgemäss verfeinert. Das Unternehmen baut den Rohstoff weltweit ab, zum Beispiel Kupfer in Sambia, importiert ihn in die Schweiz und bringt ihn dann zu den Orten, wo er gebraucht wird. Die Schweiz ist deshalb einer der grössten Kupferimporteure der Welt. Mit dem feinen Unterschied, dass das Kupfer nie real in die Schweiz kommt sondern nur virtuell, auf dem Papier. Zum Zweck der Steueroptimierung. Nicht der Rohstoff wird veredelt sondern der Gewinn wird vermehrt. Auf Kosten der Armen, zum Beispiel in Sambia.

Nicht nur die chemische Veredelung, auch dieses Verfahren zur Gewinnmaximierung hat einen Namen: «Transfer Pricing». Das Kupfer wird, auf dem Papier, von einer Glencore-Tochterfirma zur anderen Glencore-Tochterfirma transferiert, zu einem steuerlich günstigen Preis, bis es, auf dem Papier, im Steuerparadies Schweiz ankommt. Für Sambia bedeutet das einen massiven Verlust an Steuereinnahmen: 2006 hat Glencore für 3 Milliarden Dollar Kupfer exportiert und 50 Millionen Steuern bezahlt. Und im gleichen Jahr hat Sambia für 150 Millionen Dollar Strom an Glencore geliefert – ein gewaltiges Verlustgeschäft.

Für die Schweiz mit dem Firmensitz in Zug und dem Wohnsitz gut verdienender Manager ist es ein Millionengeschäft.

Armut in Sambia – Profit in der Schweiz

Der Film zeigt diese und andere eindrückliche Zahlen. Die Multis haben in 10 Jahren für 29 Milliarden Rohstoffe (Kupfer, Kobalt) aus Sambia herausgezogen. Sambia gehört dennoch bis heute zu den zwanzig ärmsten Ländern der Welt. Rund achtzig Prozent der Einwohner von Sambia leben mit etwa zwei Dollar pro Tag.

Der Film zeigt aber noch etwas anderes: die Geschichte dieser Armut ist auch die Geschichte eins Systems. Darin spielen korrupte Politiker eine Rolle, die das Land in die Abhängigkeit von Weltbank und Internationalem Währungsfonds IWF geführt haben. Dazu gehört die Politik dieser Kreditgeber, die schliesslich soviel Druck ausüben, dass sich die gleichen Politiker zum Verkauf der letzten Quelle des Wohlstands – der Rohstoffminen – an ausländische Unternehmen gezwungen sehen. Zu einem schlechten Preis und zu schlechten Bedingungen. Dazu gehören Internationale Organisationen wie die OECD, deren Handelsregeln zugunsten der Grossunternehmen spielen. Und dazu gehören Unternehmen wie Glencore, die alle diese Bedingungen erbarmungslos für sich ausnutzen.

Rüschlikon ist die Schweiz

Norwegen hat zusammen mit einer Gruppe von Staaten versucht, Sambias Regierung zu besseren Steuervereinbarungen mit Glencore und anderen zu verhelfen. Ohne Erfolg – das Vorhaben ist an einem Regierungswechsel in Sambia gescheitert. Aber mit der gegenwärtigen Regierung eröffnen sich neue Möglichkeiten.

Rüschlikon profitiert von der Ausbeutung in Sambia, Peru, Chile, Kolumbien mit Steuereinnahmen in Millionenhöhe. Wie andere Gemeinden im Kanton Zürich, sei es durch den Finanzausgleich, sei es durch den Wohnsitz anderer Glencore-Manager.

Der Film «Afrika – der ausgeraubte Kontinent» erinnert die Welt an diese Tatsachen. Die Welt wird die Namen der Gemeinden schnell vergessen. Aber sie wird den Anteil der reichen Schweiz an der Armut in der Welt in Erinnerung behalten.


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2 Meinungen

  • am 28.11.2012 um 13:54 Uhr
    Permalink

    Ausgezeichnete Beiträge auf ARTE. Leider sehen sich die meisten Schweizerinnen und Schweizer lieber eine seichte Serie an statt die «Why poverty» Dokus, der Blick in den Spiegel ist danach einfacher und es schläft sich besser…

  • am 28.11.2012 um 20:51 Uhr
    Permalink

    …und wohlweislich hat das löbliche Schweizer Fernsehen darauf verzichtet diese Beiträge zu zeigen: Es hätte ja zufällig jemand in die Sendung hineinzappen und erschrecken können.
    Liebi Schiizer, schlofed wohl, Eure Grossbanken und und Multis wachen sorgsam über Euch (und sich).

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