Kommentar

"Blochermüde" oder: Das Echo vom Herrliberg

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Wie der «Tages-Anzeiger» den «politisch irrelevanten» und «höchst neurotischen» Blocher-Kult fördert.

»Wir sind blochermüde.» Dieser Satz stand auf einem Transparent, das die Stadtzürcher SP auf den Platzspitz trug. Am gleichen Tag war der Zürcher SVP-Präsident Christoph Blocher mit Mähdrescher, Treicheln und Parteivolk auf den Zürcher Münsterhof marschiert. Beide Demonstrationen widmeten sich dem Verhältnis Schweiz-EU. Das war am 23. September 1995.

In den folgenden 16 Jahren und 186 Tagen publizierte der «Tages-Anzeiger» (TA) Hunderte von Artikeln über den Rechtspopulisten aus Herrliberg. Dann kam für TA-Redaktor Jean-Martin Büttner die Abkupferstunde: «Man fühlt sich Blocher-müde», schrieb er am 28. März 2012 auf Seite 1 des TA. Und auf Seite 9 notierte er unter dem Stichwort «Blochermüde» (hier ohne Bindestrich): «Ein mächtiger alter Mann besteht auf Ansprüchen, in denen sich immer weniger wieder erkennen. Das alles kommt einem sinnlos vor. Mühsam, anstrengend, politisch irrelevant und höchst neurotisch.»

Leserinnen und Leser wunderten sich. Denn der Umstand, dass «Man» (und nicht nur Büttner) «blochermüde» ist, liess erwarten, der «Tages-Anzeiger» werde seine Rolle als Echo vom Herrliberg nun beenden. Doch die Freude oder Furcht dauerte nur 24 Stunden, denn:

– Am 29. März meldete der TA auf Seite 1: «Im April muss sich Blocher erklären». Seite 3 der gleichen TA-Ausgabe war gefüllt mit drei weiteren Artikeln über Christoph Blocher.

– Am 30.März titelte der TA wiederum auf Seite 1: «Blocher stellt seine Ämter zur Verfügung». Auf Seite 3 folgte: «Christoph Blocher stellt seine Parteiämter zur Verfügung». Der Text wurde garniert mit einem Interview – mit Christoph Blocher.

– Am 31. März stand auf TA-Seite 1: «Blochers Immunität: Ein Fall für den Gutachter». Und auf Seite 3: «Zwei Tage könnten über Blochers Immunität entscheiden.»

Am 1. April erschien im TA kein Blocher-Text, weil am Sonntag kein «Tages-Anzeiger» erscheint. Denn der TA hält es mit der Bibel: «Gib uns unseren täglichen Blocher», aber: «Am Sonntag sollst Du ruhn». In aller Ruhe las ich darum nochmals den Büttner Text vom 28. März über den «politisch irrelevanten» und «höchst neurotischen» Blocher-Kult: «Man habe ihn schon oft totgeschrieben, sagt er (Blocher) jeweils. Er wird weiter alles dafür tun, dass ihn keiner totschweigt. Also wird der Lärm um ihn anhalten, mit den Medien als Lärmverstärker.» Wie wahr!


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Zeitungen_1

Kritik von Zeitungsartikeln

Printmedien üben sich kaum mehr in gegenseitiger Blattkritik. Infosperber holt dies ab und zu nach.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

3 Meinungen

  • am 3.04.2012 um 17:04 Uhr
    Permalink

    Von Leuten die nichts geleistet haben über die wird nicht gesprochen.

  • am 3.04.2012 um 18:32 Uhr
    Permalink

    Es ist wieder mal deutlich zu spüren wo „links“ seine Schwerpunkte setzt.
    Blocher verteidigt die Aussenlinie, die linken führen einen „internen“ Kampf.
    Kann auch als Leistung angesehen werden, … in meinen Augen jedoch eher Vergeudung an guten Energien ! …
    Wer wird ihn ersetzen, den modernen Prügelknabe, wenn er wirklich mal aufgibt ?

    C. Bruderer

  • am 3.04.2012 um 19:25 Uhr
    Permalink

    Da haben Sie recht C. Bruderer, die links gerichteten sind nur neidisch dass sie selber keinen solchen Mann in ihren Reihen haben.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...