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Das Magazin der «New York Times» bringt Licht hinter die Diffamierungskampagne © NYT

«Schimpfwörter sind von gelenkten Medien erfunden»

upg /  Jetzt kommt das Dementi vom griechischen Finanzminister selber. Werden Tagesschau und Tages-Anzeiger darüber informieren?

Über die Rufmordmaschine gegen den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis hat Infosperber am 20. Mai 2015 berichtet. Während einer Sitzung der EU-Finanzminister in Brüssel hätten ungenannte Teilnehmende ihren griechischen Kollegen Varoufakis als «Spieler», «Amateur» und «Zeitverschwender» beschimpft. Das hatten die «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens sowie der «Tages-Anzeiger» und der «Bund» prominent berichtet. Sie hatten dafür nicht darüber informiert, worüber inhaltlich debattiert wurde.
Im neusten Magazin der «New York Times» erklärt Varoufakis:
«Die Medien verbreiteten Lügen, für welche sie nicht allein verantwortlich sind…Sie wurden von EU-Kreisen mit Angaben gefüttert, die wahrheitswidrig sind.»
Die Worte, mit denen er angeblich während des EU-Ministertreffens in Riga beschimpft worden sei, seien nie gefallen: «Das kann ich mit aller Sicherheit dementieren» (wörtlich: «mit jeder Faser meines Körpers»). Als Beweis besitze er eine Tonaufnahme der dreistündigen Sitzung, zitiert ihn das NYT-Magazin. Diese Tonaufnahme könne er nicht veröffentlichen, weil die Verhandlungen vertraulich waren. Dass Verhandlungen zwischen Staaten aufgezeichnet werden, ist üblich. (Nachtrag vom 22.5.2015: Die heutige NZZ berichtet, dass Varoufakis seine Tonbandaufnahme zuerst bestätigt, dann «gegenüber Journalisten» wieder dementiert habe. Diese Meldung beruhte auf einer Quelle aus dritter Hand. Am 25. 5.2015 hat Veroufakis bestätigt, dass er einen Mitschnitt der Sitzung besitze.)
«Infosperber» hat darüber berichtet, welche anonymen Einflüsterer aus EU-Kreisen die Medien als «Quelle» benutzten.
Vor Varoufakis selber hat bereits sein italienischer Amtskollege Pier Carlo Padoan, der am Ministertreffen dabei war, öffentlich dementiert, dass es diese Beleidigungen bei dem Treffen gegeben habe. Doch dieses Dementi haben die Medien ignoriert.

Seriöse Medien verbreiten keine von anonymen Quellen geäusserten Beleidigungen. Umso mehr, wenn nicht einmal darüber informiert werden kann, wer denn der Beleidiger namentlich ist.

Warum sich die SRF-«Tageschau» im aktuellen Fall nicht an diesen Grundsatz gehalten hat, liess das Fernsehen auf Anfrage von «Infosperber» bisher unbeantwortet.

Seriöse Medien respektieren zudem die Pflichten der Journalistinnen und Journalisten (Presserat), bei schweren Vorwürfen die Betroffenen anzuhören sowie über deren Stellungnahme kurz und fair zu informieren. Im konkreten Fall wären Varoufakis oder sein Umfeld die Adressaten gewesen. Diese wurden über die Beleidigungen gegen Varoufakis nicht befragt.
Unseriöse Medien kanzeln Stellungnahme des Beschimpften ab
Die Boulevard-Zeitung «Blick» titelt heute online: «Frecher Grieche prahlt jetzt damit: Varoufakis nahm Minister-Kollegen heimlich auf!»


Damit setzt «Blick» die Rufmordkampagne gegen den griechischen Finanzminister fort. Varoufakis soll sich gegen die Beschimpfung als «Spieler», «Amateur» und «Zeitverschwender» offensichtlich nicht verteidigen dürfen. Dass Varoufakis die Tonbandaufnahme erwähnt (nicht damit prahlt), um seinem Dementi mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen, macht «Blick» ihm zum Vorwurf. Selbstverständlich hat «Blick» auch das Dementi des italienischen Ministers nie erwähnt.
Eher ein schwacher Tag als eine bewusste Irreführung ist bei der «NZZ» zu vermelden. In ihrem heutigen Newsletter behauptet sie, Varoufakis hätte die gefallenen Beleidigungen bestätigt:

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Siehe unser DOSSIER:


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 21.05.2015 um 17:05 Uhr
    Permalink

    Aber klar: Suzy Hansen, die sonst für die Financial Times und Bloomberg (!!) schreibt und ein zweijähriges Stipendium vom Washingtoner «Institute of Current World Affairs» erhielt, schreibt eine lächerliche und völlig belanglose Home Story über Varoufakis im New York Times Magazine, in dem sie ihm gleich zu Beginn unterstellt, er habe Europa ins Verderben/Chaos gestürzt (Beginn zweiter Abschnitt).

    Ihre britischen Kollegen (Reuters, Daily Mail etc.) sowie die transatlantisch kontrollierten deutschen Medien (FAZ, Stern, Spiegel, etc.) greifen aus diesem Artikel alle gleichzeitig denselben Satz bezüglich Mitschnitten raus, und ergänzen alle das Wort «heimlich», obwohl dies im ursprünglichen Artikel nicht vorkommt, und machen daraus alle die gleiche Schlagzeile.

    Die medialen Wurmfortsätze in der Schweiz übernehmen diese Dartstellung wie immer unhinterfragt und im gleichen Wortlaut (NZZ, Ringier, auch Swissinfo: http://bit.ly/1HvUSJ0).

    Irgendwann wird auch der Infosperber merken, was hier gespielt wird, und sich von der Illusion der «heilen Medienwelt» Schweiz, wo es nur mal «schwache Tage» gibt, verabschieden müssen.

    Die Griechenland-Krise ist eine zu geniale Chance für das angelsächsische Lager, die Euro-Gruppe zu erpressen und den Zwist in der EU zu schüren.

    Wann erfahren wir, wer Christine Schärer vom SRF ist, wer ihren Text aus welchen Quellen geschrieben hat, wer die Vorgaben dazu gemacht hat?

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