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Al Gore weibelt für den Klimaschutz - und verkaufte seinen TV-Kanal an Erdölexporteur Katar. © WEF/flickr/cc

US-Rechte attackiert Al Gore wegen TV-Verkauf

Jürg Lehmann /  Der ehemalige US-Vizepräsident und Klimaschützer hat «Current TV» an Al Jazeera verkauft - und 100 Millionen Dollar kassiert.

Der von Al Gore und dem Unternehmer Joel Hyatt ins Leben gerufene Kabelkanal «Current TV» startete im August 2005 als «unabhängige Stimme» für ein Publikum zwischen 18 und 34. Danach erlebte er verschiedene Programm-Phasen, ging Partnerschaften ein und gab Pläne für einen Börsengang auf. Anfangs Januar 2013 wurde «Current» für geschätzte 500 Millionen Dollar an den arabischen Sender Al Jazeera verkauft. Als einer der Hauptaktionäre soll Gore davon 100 Millionen erhalten haben.

Im Besitz einer Herrscherfamilie

Al Jazeera gehört der Herrscherfamilie des Ölstaates Katar. Den Sender mit Hauptsitz in Doha gibt es seit 1996. Er ist einer der relevantesten Nachrichtensender der Region. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gab er Al-Qaida eine Bühne zur Verbreitung ihrer Botschaften, was die Bush-Regierung mächtig erzürnte. Doch sein Aufstieg ging weiter. Der Kanal berichtete über die Kriege in Afghanistan und im Irak, den Gazakonflikt und spielte eine wichtige Rolle im arabischen Frühling.

Seit 2006 existiert Al Jazeera auch auf Englisch und soll damit weltweit 190 Millionen Menschen erreichen. US-Aussenministerin Hillary Clinton lobte Al Jazeera jedenfalls für seine Arbeit im Zusammenhang mit der Arabellion. Mit dem Kauf von «Current TV» und der Gründung von Al Jazeera America will der Sender nun auch in den USA Fuss fassen.

Ein «unglaublicher Heuchler»

Das kommt bei der Rechten rund um den TV-Kanal Fox News von Medienmogul Rupert Murdoch gar nicht gut an. Sie nageln Al Gore förmlich an die Wand. Gore profilierte sich nach seiner Zeit als US-Vizepräsident unter Bill Clinton (1993-2001) und der Niederlage gegen George W. Bush im Kampf ums höchste Amt als Umweltschützer. Für den Film «An Inconvenient Truth» (eine unbequeme Wahrheit) über die globale Erwärmung erhielt er einen Oscar, für sein Bewusstmachen der Klimakrise 2007 den Friedensnobelpreis.

Dass «Big Al» seinen Sender ausgerechnet an «Big Oil» Katar verkauft hat, gilt als Sündenfall erster Güte. Al Jazeera wird in diesen Kreisen als Sprachrohr für Muslime und gegen Israel qualifiziert. Gore habe seine Prinzipen an ein Land verraten, das Menschenrechte gering einstufe, unglaublich viel Geld mit Erdöl- und Erdgasexporten verdiene und sich keinen Deut um Gores Sorge, die globale Erwärmung, kümmere, lamentierte Bill O› Reilly auf Fox News: «Al Gore muss ein unglaublicher Heuchler sein.»

Gore ist nun reicher als Mitt Romney

Darüber hätten die liberalen US-Medien entweder kaum oder gar nicht berichtet, so O’Reilly weiter. Hätte ein Republikaner das gleiche Geschäft abgeschlossen, wäre im Lager der Liberalen ein Sturm der Entrüstung losgetreten worden. Mit dem Handel, der Gore 100 Millionen Dollar einbringen soll, schätzt des Magazin «Forbes» das Vermögen des Demokraten auf 300 Millionen ein – was mehr ist als die 230 Millionen, über die der ebenfalls gescheiterte Präsidentschaftskandidat Mitt Romney verfügen soll.

Reichtum sei an sich nichts Verwerfliches, bloggt der US-Historiker Tim Stanley auf der britischen Plattform von «The Telegraph». Aber im Gegensatz zu Gore habe Romney nie behauptet, etwas zu sein, das er gar nicht sei. Romney habe immer gesagt, der freie Markt könne Menschen zu Reichtum verhelfen. Gore möge nun zwar reicher sein als Romney, aber die eigentliche Differenz bestehe in der Frage der persönlichen Integrität, so Stanley: «Romney ist ehrlich, der andere ist ein Heuchler.» Al Gore hat sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäussert. Auch das wird ihm übel genommen.

Auf einen Schlag 40 Millionen US-Haushalte

Auf diesem Hintergrund von Gehässigkeiten und Polemik wird Al Jazeera America, das im April «Current TV» ersetzen soll, sein Publikum in einem hart umkämpften TV-Markt mit seinen grossen nationalen Sendern gewinnen müssen. Weltweit verfügt Al Jazeera inzwischen über 65 Redaktionsbüros, strahlt in über 100 Länder aus und hat für die Qualität seiner Programme Preise gewonnen. Mit dem Kauf von «Current TV» hat der Sender aus Katar dank laufender Verbreitungsverträge jetzt Zugang zu 40 Millionen US-Haushalten. Die Frage ist bloss, was geschieht, wenn diese Verträge auslaufen.

«Time Warner Cable» hat jedenfalls sofort nach dem Verkauf angekündigt, dass es «Current TV» aus ihrem Kabelnetz mit neun Millionen Haushalten kippt. Die Firma zeigte sich aber gleichzeitig offen für eine Programm-Übernahme von Al Jazeera America.


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