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Axpo-Chef Heinz Karrer durfte sich als Pionier der neuen erneuerbaren Energien präsentieren. © sf

Tagesschau-Werbespot für Axpo und Avenir Suisse

Kurt Marti /  Ausgerechnet der Axpo-Konzern gibt sich als Vorkämpfer der neuen erneuerbaren Energien und die Avenir Suisse darf kommentieren.

Der Stromkonzern Axpo stellte am 23. Januar 2012 das Jahresergebnis 2010/2011 und die Strategie bis 2030 vor. Die Abend-Tagesschau des Schweizer Fernsehens machte daraus einen Werbespot für die Axpo, welche als Pionierin der erneuerbaren Energien auftreten durfte. Statt den Axpo-Beitrag mit einem unabhängigen Kommentar kritisch zu hinterfragen, durfte Urs Meister seine neoliberalen Thesen zum Besten geben. Meister ist Energiespezialist der Avenir Suisse, die unter anderem von der Axpo finanziert wird.

Die Auslandstrategie der Axpo ist kläglich gescheitert

Die Axpo Holding AG hat im letzten Jahr einen massiven Gewinneinbruch zu verzeichnen und muss 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Als Gründe gab Axpo-Chef Heinz Karrer die Finanzkrise, die Fukushima-Katastrophe und die Stilllegungskosten für die bestehenden AKW an. Ein reines Ablenkungsmanöver, welches die Tagesschau kritiklos übernahm.

Fakt ist: Die Axpo hat Milliarden in Pumpspeicherkraftwerke im Inland und in Gas-Kombikraftwerke im Ausland investiert. Diese Expansions-Strategie geht nur auf, wenn die Margen im Stromhandel hoch sind. In den letzten Jahren sanken jedoch die Strompreise und folglich die Gewinnmargen. Europa schwimmt im Strom. Dazu beigetragen haben die Schweizer Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW, welche im Ausland einen gigantischen Park von Gas-Kombikraftwerken erstellten, der schon heute fast so viel Strom produziert, wie die ganze Schweiz Strom verbraucht.

Mit ihren Milliarden-Investitionen im Ausland haben die Schweizer Stromkonzerne auf Gewinne im Stromhandel gesetzt und damit kläglich Schiffbruch erlitten. Sie haben zur Überproduktion selber beigetragen, die von der Finanzkrise und dem weitgehend konjunkturbedingten Rückgang des Stromkonsums lediglich noch gefördert wurde. Trotzdem will der Axpo-Konzern auch in Zukunft nicht von dieser Auslandstrategie abweichen und setzt weiterhin voll auf Grosskraftwerke im Ausland.

Die Axpo sitzt auf einem Topf von 9 Milliarden Franken

Der Tagesschau-Beitrag stimmte kritiklos ins allgemeine Gejammer der Axpo ein: Die Gewinne sind eingebrochen und es drohen Entlassungen.

Fakt ist: Der Axpo geht es blendend. Sie sitzt auf Gewinnreserven von 6,9 Milliarden Franken und auf flüssigen Mitteln von 2,4 Milliarden Franken. Folglich liegen über 9 Milliarden Franken für Investitionen bereit. Wenn diese Milliarden für neue erneuerbare Energien in der Schweiz eingesetzt werden, gibt es keine Entlassungen, sondern es werden viele neue Arbeitsplätze geschaffen.

Die Axpo setzt weiterhin auf Gas-Kombi- und Atomkraftwerke

Im Tagesschau-Beitrag erklärte Axpo-Chef Heinz Karrer: «Der grösste Teil der Investitionen wird im Ausland anfallen, insbesondere im Bereich der neuen erneuerbaren Energien und dort speziell in der Windkraft. Wir werden das Ziel der neuen erneuerbaren Energien verzweieinhalbfachen.» Und die Tagesschau-Sprecherin doppelt nach: «Das heisst, die Axpo will ihr Produktionsziel für erneuerbare Energien mehr als verdoppeln.» Eine tolle Sache, mussten da die Zuschauenden denken.

Fakt ist: Der Tagesschau-Werbespot für die Axpo liefert ein völlig verzerrtes Bild der Realität: Der Stromkonzern setzt auch weiterhin schwergewichtig auf Gas-Kombi- und Atomkraftwerke. Rund zwei Drittel des Axpo-Stromes sollen auch im Jahr 2030 aus Gaskombi- und Atomkraftwerken stammen. Der Anteil der neuen erneuerbaren Energien soll bloss 13 Prozent erreichen, mehrheitlich aus Windkraftanlagen im Ausland.

Nur 3 Prozent der Produktion aus erneuerbaren Quellen in der Schweiz

Der Anteil der neuen erneuerbaren Energien (Sonne, Biomasse, Biogas, Geothermie), welche die Axpo bis 2030 in der Schweiz produzieren will, soll mickrige 3 Prozent der Axpo-Gesamtproduktion betragen. Die aktuelle Axpo-Produktion an neuen erneuerbaren Energien liegt bei rund 0,6 Prozent. Sie ist so klein, dass man die Axpo-Grafik stark vergrössern muss, damit der dünne Strich sichtbar und messbar wird. Zudem stammt dieser Strom mehrheitlich aus der Kehrrichtverbrennung.

Mit dem Solarstrom steht die Axpo definitiv auf Kriegsfuss: Nur rund 260 GWh Solarstrom will die Axpo im Jahr 2030 in der Schweiz produzieren. Das wird rund 0,7 Prozent der gesamten Axpo-Produktion entsprechen. Die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) spricht von einem Solarstrom-Potential von 14 000 GWh, was dem Fünffachen der Jahresproduktion des AKW Beznau I entspricht. In einer offiziellen Studie des Kantons Wallis ist von einem Solarstrompotential allein im Wallis von 800 GWh die Rede.

Avenir Suisse wird von der Axpo finanziell unterstützt

Nach dem Werbe-Spot für die Axpo, erwarten die mündigen SF-Zuschauer wenigstens einen kritischen Kommentar oder ein Interview mit einem Experten, der nicht im Umfeld der Stromlobby angesiedelt ist. Doch weit gefehlt. Die Tagesschau-Redaktion befragte ausgerechnet Urs Meister, den Energiespezialisten der neoliberalen Denkfabrik Avenir Suisse, welche u. a. von der Axpo finanziell unterstützt wird.
Zudem ist Urs Meister für das Energiestrategie-Papier der Avenir Suisse verantwortlich, in welchem er das hohe Lied der Liberalisierung und Privatisierung der Strombranche sowie den Bau von Atomkraftwerken propagiert. Als ehemaliger Mitarbeiter der Beratungsfirma Arthur Andersen weiss er gut, wovon er spricht: Arthur Andersen war in die Enron-Pleite verstrickt. Der US-amerikanische Energiekonzern Enron setzte auf Liberalisierung und Privatisierung der Energiemärkte und ging Konkurs. Auch Arthur Andersen verschwand von der Bildfläche.

Avenir Suisse will Wertschöpfung und Arbeitsplätze in den Kantonen verhindern

Statt eines kritischen Kommentars mussten sich die SF-Zuschauer die neoliberalen Ansichten von Urs Meister anhören: «Die Stromkonzerne müssen sich von den Kantonen emanzipieren, eben diese Wünsche der Kantone, der Aktionäre, zurückweisen können.» Die Kantone hätten Interessen, welche über die Aktionärsinteressen hinausgingen. Beispielsweise hätten sie Interessen, «dass die Unternehmen in den Kantonen aktiv sind und Wertschöpfung dort hineinbringen.» Das will die Avenir Suisse verhindern. Die Unternehmen sollten sich laut Meister «unternehmerisch aufstellen und nicht nach politischen Interessen».

Das erklärte Ziel ist die Privatisierung der Strombranche

Meister befürwortet selbstverständlich die Internationalisierungs-Strategie der Stromkonzerne im Bereich der Gas-Kombikraftwerke. In seinem Energiepapier spricht er dazu neoliberalen Klartext: «Die vermehrten Auslandinvestitionen von Schweizer Stromproduzenten in fossile Kraftwerke, aber auch in Windturbinen, sind für die Stabilität der Schweizer Versorgung kaum relevant.» Die Motivation solcher Investitionen seien «daher in erster Linie finanzieller Natur». Die Avenir Suisse setzt aufs profitable Geschäft und nicht auf die Versorgungssicherheit der Schweiz. Deshalb fordert Meister in seinem Energiepapier auch die Privatisierung der Strombranche.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung SES bis am 4. Januar 2012

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4 Meinungen

  • am 26.01.2012 um 18:04 Uhr
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    ja, genau. verlogene Energiepolitik der AXPO etc.
    Dabei gehört doch dieser Konzern den Kantonen, also uns?
    Und unser totlangweiliges, gemäss SVP linkes oder linksunterwandertes sf.tv macht Hofberichterstattung für den Strom-Adel… zum kotzen!
    Wir produzieren mit unsrer PV-Anlage das Doppelte unsres Bedarfs (Aktivhaus).
    Eben haben wir von der Gemeinde eine Rechnung erhalten: 2,1 % der Investition als Abgabe für die Kläranlage! Ich nehme an, das muss die AXPO für ihre Anlagen auch bezahlen…???

  • am 30.01.2012 um 11:50 Uhr
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    Durch das Herausnehmen der Zitate aus Urs Meisters Avenir Suisse-Berichtes aus ihrem Kontext, dreht der Autor dieses Beitrages die Aussage von Hrn. Meister um 180°. Hr. Meister schreibt ja in seinem Text gerade, dass «die Zweckmässigkeit des Auslandengagements […] hinterfragt werden [muss]", da diese Investitionen finanzielle Risiken (für die öffentliche Hand) anstatt Versorgungssicherheit bringen. Letzteres dürfte tatsächlich der Fall sein.

    Des Weiteren muss zum Artikel gesagt werden, dass es wohl eher an der Politik liegen muss, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Stromunternehmen Anreize haben, uns sauberen Strom zu liefern. Andernfalls ist es ja gerade ihr Auftrag, uns möglichst billigen Strom zu liefern. Es scheint also unverständlich, wenn man immer die grossen Stromproduzenten tadelt, solange die meisten Kunden nicht bereit sind, einen erheblichen Aufpreis für erneuerbaren Strom zu bezahlen, resp. die Politik keine entsprechenden CO2-Emissionsabgaben oder andere Rahmenbedingungen für die Förderung sauberern Stromes setzt. Wenn jemand Ökostrom kaufen will, liefern ihm die grossen Stromverteiler diesen ja noch so gern – dass der nicht ganz billig zu haben ist, dürfte wohl nicht in erster Linie das Verschulden der Verteiler sein.

  • am 31.01.2012 um 09:21 Uhr
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    @Florian Habermacher .. es liege an der Politik… Rahmenbedingungen…
    Das stimmt natürlich. Doch wer macht in wessen Namen Politik? Wo gibt es Lippenbekenntnisse oder gar Lügen? Gemäss Umfrage sind 70% der SVP-Wähler für den Atomausstieg, wie wird dieser politische Wille von den Parteifunktionären umgesetzt? Die AXPO gehört 9 Kantonen, inwiefern kann denn hier der Souverän bestimmen? Von der Bürgerschaft hinauf in die Regierungen und die erlesenen Verwaltungsräte, überall wird herausgefiltert was der anmassenden Gewalt nicht passt. Unsummen von Geld wird in die politische Werbung gepumpt, um die Bürgerschaft einseitig zu beeinflussen. Ohne diese Werbemaschine wäre keine einzige Atomabstimmung im Sinne des Atom-Adels herausgekommen! Demokratie oder was?
    Das verlogene Spiel geht auch im Atom-End-Zeitalter munter weiter. Mit unsrem Geld wird die Sonnenenergie lächerlich gemacht, als teuer und marginal dargestellt. Gleichzeitig macht die Axpo Imagpflege in Richtung Förderer der Erneuerbaren… Ihr zynisches Alibi-Ziel: 1,2 % Anteil.
    Bald wird die Parität von PV-Strom erreicht sein, trotz der Verhinderungspolitik. Verhinderungspolitik: es sollen doch bitte die ganz lieben Gutmenschen Solarstrom kaufen. Als edles Produkt tariflich ausgesondert ohne Quersubvention durch den billigen Strom amortisierter Kraftwerke. Falls es genügend Gutmenschen geben sollte, ist es dem Stromadel recht, denn er verdient Solarstrom der Gutmenschen pro kWh überteuerte 15 Rp. Gibt es zu wenig Gutmenschen ist es auch recht, denn dies zeigt, dass die Leute billigen Atomsrtom wollen. Figgi-Mühli.
    Kehren wir dieses Gaunerspiel um: Wer Atomstrom will, der bezahle die volle Versicherungsprämie für den GAU. Ich wette, dass sich dann alle auf den billigen Solarstrom stürzen werden.

  • am 31.01.2012 um 10:48 Uhr
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    Die Atomanlagen waren und sind reine Geldmaschinen. Die Atomlobby darf billigen Strom produzieren und diesen überteuert verkaufen. Die Energieeffizienz eines Atomkraftwerkes liegt nach deren eigenen Angaben bei guten 32-36%. Wie die auf diese schönen Zahlen kommen, ist mir ein Rätsel. Dabei hat angereichertes Uran eine Energieeffizienz von schlappen 4.6%. Dampf hingegen hat eine sehr hohe Effizienz. Daraus entstehen dann wohl die knappen 35%. Zählt man aber die Uranaufbereitung, die Transporte, die riesigen Wassermengen zur Brennstabkühlung und die exorbitanten Pumpstationen, um das Kühlwasser im Werk zu verteilen und dann noch die Endlageraufbereitung ( in der CH werden Brennstäbe zuerst verbrannt, bevor sie endgelagert werden können) dazu, so kommt man auf eine Effizienz von schlappen 18%. Also die Hälfte von dem Wert, den sie und unterjubeln.
    Das würde heißen, wäre die Politik ehrlich, der Atomstrom kostet im Durchschnitt nicht mehr 17 Räppli, sondern 35. Hochstromtarif also ca. 50 Rp und Niederstromtarif um die 30 Rappen.
    Wenn dem so wäre kaufen alle nur noch Gas, Wind- und Solarenergie preislich in dieser Reihenfolge.

    So sieht’s aus liebe Mitleser!

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