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SRF-«Medienclub» mit dem «ständigen Gast», Chefredaktor Patrik Müller, «Schweiz am Sonntag» (rechts) © srf

SRF-«Medienclub» (2): Der «ständige Gast»

Robert Ruoff /  Der SRF-«Medienclub» ist eine Sendung des Schweizer Fernsehens. Aber aus Angst vor Kritik hat SRF einen «Privaten» eingebunden.

Teil 1 zum SRF «Medienclub» – «Der Club der grossen Tiere» – hat gezeigt, wie eine angeblich medienkritische Sendung durch die Besetzung der «Club»-Runde in Wirklichkeit der Abwehr von Kritik dient. Bundespräsident Ueli Maurer hatte den Schweizer Medien einen «Einheitsbrei» und ein «Medienkartell» vorgeworfen. Der Establishment-Club der «Meinungsmacher der Medienszene» – SRG-Generaldirektor Roger de Weck, Tamedia-Verwaltungsrat Iwan Rickenbacher, Zeitungs-Verleger und Fernsehveranstalter Norbert Neininger, AZ-Chefredaktor Patrik Müller – hat einhellig den Mangel an Vielfalt in den Schweizer Medien bestritten und selbst für die zahlreichen Regionen mit nur einem privaten Presseanbieter unisono behauptet: «Alle kommen zu Wort!» (Patrik Müller).
Der kritische Beobachter, Medienprofessor Kurt Imhof, konnte keine Debatte auslösen mit seiner Feststellung, die Medienszene funktioniere wie früher das «Bierkartell», in dem die Brauer miteinander vereinbart hatten, in welchen Regionen welches Bier ausgeschenkt werden konnte.
Obwohl die Tatsache unbestreitbar ist, dass nur noch in drei Kantonen mehr als ein Presseanbieter auf dem Markt ist, blieb die Aussage stehen: «Jeder kommt zu Wort!».

Nur der «Verleger des Jahres» Norbert Neininger («Schaffhauser Nachrichten», «Blocher TV»), der im «Medienclub» den Maurer Ueli vertreten sollte und es ausdrücklich nicht tat, erinnerte an eine Uralt-Idee der Presse, nämlich «dass der Verleger auch eine Meinung hat, und diese Meinung schlägt durch».

Teil 2: Der «ständige Gast»

Was Norbert Neininger feststellte, war noch vor fünfzig Jahren die Idee und die Funktion der Richtungspresse mit ihrem Wettbewerb der Ideen: freisinnige «NZZ» gegen sozialistisches «Volksrecht», katholisch-konservatives «Vaterland» gegen das liberale «Luzerner Tagblatt», bis im einen Fall die ehemals erbitterten Gegner fusionierten, im anderen Fall die Parteiblätter das Zeitliche segneten, und schliesslich die Boulevard- und die Forumszeitungen und die Gratiszeitungen und ihre Verlage die Auflage und die Marktanteile steigerten mit dem Anspruch: «Es kommen alle zu Wort!»

Die Medien und ihr Publikum haben sich geändert, weil sich Wirtschaft und Kultur und Gesellschaft und damit der Staat geändert haben.

Aber der Slogan: «Es kommen alle zu Wort!» ist eine gesellschaftspolitische Irreführung, denn er macht glauben, es kämen auch alle im Wettbewerb der Ideen in gleicher Weise zum Zug. Aber «die Forumspresse vermag eben diesen Wettbewerb nicht zu leisten. Es geht nicht nur um Themen und Akteure, es geht nicht allein – wie in der Forumspresse – um Themen- und Akteursvielfalt bzw. formale Pluralität, sondern um den Transport von gesellschaftlichen Ansprüchen…», schreibt Otfried Jarren im Vorwort zum Jahrbuch 2013 über die «Qualität der Medien». Jarren ist Medien- und Kommunikationsprofessor an der Universität Zürich und Präsident der Eidgenössischen Medienkommission.

Ideen und Interessen

Es geht um Interessen und nicht nur um Ideen, die beliebig ausgetauscht werden können, nach dem Motto: Heute geht es um humanen Strafvollzug und morgen um die «Maximierung» der Sicherheit. Sicherheit «maximieren» – so stand es im redaktionellen Kommentar der liberalen Forumszeitung des «Tages-Anzeiger». Da haben Emotionen ungefiltert durchgeschlagen und den Denkapparat kurzzeitig ausser Kraft gesetzt. Wenn mit dem Wort «maximieren» gemeint ist, was das Wort «maximieren» bedeutet…

Auch der Service Public hantiert mit beliebig austauschbaren Meinungen und deckt gerne Gegensätze von Interessen und Verfügungsgewalt mit ideologischen Begriffen zu. Etwa, wenn er von «Wirtschaft» spricht und damit die Eigentümer und Manager des Kapitals bezeichnet – als ob es nicht noch ein paar andere gäbe, die mit täglicher Arbeit den Reichtum der Gesellschaft produzieren und folglich ein wesentlicher Teil dieser «Wirtschaft» sind. Oder wenn er «Demokratie» in täglichen oder wöchentlichen Sendungen mit den Parteien und ihren Führungen oder gar mit dem Staat gleichsetzt.

Es geht aber am Ende um reale Politik und reale «gesellschaftliche Ansprüche», um unterschiedliche und gegensätzliche Interessen, die im politischen Kampf ausgetragen werden und nicht beliebig gegeneinander ausgetauscht werden können. Aus der Bindung an die realen Interessen gewinnen die Ideen ihre reale Stärke oder Schwäche in der politischen Auseinandersetzung. Aber dieser materielle Hintergrund wurde im «Medienclub» nicht einmal andeutungsweise diskutiert. Obwohl es dazu starke Gründe gegeben hätte.

Medienschelte als Interessenpolitik

Die Medienschelte von Bundespräsident Maurer ist ja, bei näherer Betrachtung, Ausdruck einer parteipolitischen und wirtschafts-politischen Interessenbindung. Der Bundespräsident fragt ja nicht, warum in den Schweizer Medien nicht häufiger ein EU-Beitritt als möglicherweise sinnvolle Zielsetzung debattiert wird. Das schüchterne Schweigen der Medien zu diesem Thema ist ihm möglicherweise sogar recht.
Ueli Maurer behauptet hingegen, der «Einheitsbrei» oder gar das «Meinungskartell» der Schweizer Medien beruhe auf Glaubenssätzen wie:

  • «Der Klimawandel ist dem Menschen anzulasten» – als ob nicht wohlbegründete wissenschaftliche Erkenntnis zu dieser Feststellung führte. Aber das bringt selbstverständlich, zumindest im Übergang auf dem Weg zur Cleantech, Belastungen der Wirtschaft mit sich. Manche mögen da nicht mitziehen.
  • Oder: «Atomenergie ist böse, Alternativenergien sind gut» – als ob nicht die Regierungen in der Schweiz wie in Deutschland oder anderswo ganz ohne Pressekampagne zum Ergebnis gekommen wären, dass die Risiken der Atomenergie zu gross und die Folgen gegenwärtig nicht wirklich beherrschbar sind.
  • Oder: «Einwanderung ist eine Bereicherung», auch bei einer Nettozuwanderung von 80’000 pro Jahr. Als ob diese Debatte in den Medien nicht seit einiger Zeit bereits begonnen hätte.

Das wurde im «Medienclub» unter Vielfalt der Meinungen durchaus vermerkt.

Bundespräsident als Parteipräsident

Aber der «Medienclub» auf SRF hat nicht zur Diskussion gestellt, ob Ueli Maurer mit seiner Medienschelte vielleicht ganz einfach Interessenpolitik betreibt. Ob Ueli Maurer bei seiner Medienrede zwar als Bundespräsident auftritt aber in Wirklichkeit als Parteipräsident spricht. Ob er also die Medien prügelt und damit in Wirklichkeit die wirtschaftlichen Interessen der SVP und ihrer Klientel vorantreibt. – Also nicht direkt vertritt. Sondern auf dem Umweg über angebliche «Glaubenssätze» des Schweizer «Meinungskartells» ins Spiel bringt. Und auf diese Weise beim geneigten Publikum die gewünschten Schlussfolgerungen anregt.

Der Vorwurf des «Meinungskartells» wäre folglich eine schiere Beleidigung, gäbe es dafür nicht Anzeichen bis hinein in den «Medienclub» selber.

Der «ständige Gast»

Patrik Müller, Chefredaktor der «Schweiz am Sonntag», ist als «ständiger Gast» in jedem «Medienclub» dabei. Er spielt die Rolle eines Vertreters der privaten Medienveranstalter, sprich: der Verlagshäuser, die nicht nur Zeitungen und Zeitschriften sondern auch (teilweise gebührenfinanziertes) Radio und Fernsehen produzieren. Er arbeitet mit bei der Vorbereitung des Themas, bei der Auswahl der Gäste und bei der «Club»-Diskussion selber.
Das ist eine Entscheidung der Direktion und der Chefredaktion von SRF. Die SRF-Leitung hat sich für einen «ständigen Gast» entschieden, weil sie befürchtete, es könnte sonst der Eindruck entstehen, SRF betreibe im «Medienclub» Medienkritik «auf die eigene Mühle». – SRF-Chefredaktor Diego Yanez hat all das im Gespräch bestätigt.

Nun ist der «ständige Gast» Patrik Müller ein kompetenter Mann. Er stammt auch nicht aus einem Grossverlag sondern aus einem mittelgrossen Medienhaus: den AZ Medien des Aargauer Verlegers Peter Wanner. Und er verantwortet mit der «Schweiz am Sonntag» eine «widerborstige» bürgerliche Zeitung (Norbert Neininger).
Aber Müller ist Teil der obersten Hierarchie – des publizistischen Machtapparats –, und vor allem: er ist Initiant und Manager des (durchaus eindrücklichen) «Swiss Media Forum», bei dem sich jedes Jahr «Meinungsführer von Medien, Wirtschaft und Politik» zusammenfinden. Das heisst: Er ist nicht nur ein Mann von vielfältiger Kompetenz, sondern auch eine Person mit vielfältigen Interessenbindungen.

Vielfalt oder geballte Meinung?

Sind solche Interessenbindungen die richtige Voraussetzung für eine medienkritische Sendung? Ist die seltsame Zusammensetzung des zweiten «Medienclubs» – ohne kritisierende Politik, ohne junge Generation, ohne Frauen, ohne Publikum – mit einem ausschliesslich maskulinen Establishment-Club bereits eine Folge dieser Konstruktion?

Können die privaten Verleger nicht auf ihren Kanälen eine eigene, konkurrierende Sendung schaffen? AZ-Medien verfügt immerhin über eine Kette von «Tele Züri» über «Tele M1» im Mittelland bis zu «Tele Bärn» mit Ausstrahlungsmöglichkeiten über diese Sendegebiete hinaus (und empfangbar sind die Programme sowieso in der ganzen Schweiz). Oder müssen wir auf andere private Veranstalter warten?

Und vor allem: Ist es ein Beitrag zur Medienvielfalt, wenn sich die SRG und die privaten Medienunternehmen im SRF-«Medienclub» von der Vorbereitung bis zur Durchführung verfilzen? Ist SRF nicht in der Lage, ohne medienpolitische Absicherung gegenüber den privaten Verlagshäusern eine glaubwürdige medienkritische Sendung zu realisieren? Wie soll die Mini-Redaktion des «Club» den Mut zur Kontroverse aufbringen, wenn sich die Leitung des Hauses SRF gegenüber den Verlegern schon im Vorfeld ängstlich verbeugt?

Eine gute Voraussetzung für glaubwürdige Medienkritik ist das nicht.

Zum Teil 1: «Der Club der grossen Tiere»
Siehe auch Artikel «Mehr Publikum wagen»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor war bis 2004 Mitarbeiter von SRG/SRF.

Zum Infosperber-Dossier:

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Kritik von TV-Sendungen

Fehler passieren überall. Beim nationalen Fernseh-Sender sind sie besonders ärgerlich. Lob und Tadel.

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4 Meinungen

  • am 28.09.2013 um 23:16 Uhr
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    Ich lebe im Herrschaftsgebiet von Herrn Lebrument. Die Aussage «Alle kommen zu Wort» ist völlig absurd. Es wird immer sehr genau «gefiltert", was veröffentlicht wird und was verschwiegen wird.
    Sogar das öffentlich-rechtliche SRF-Regionaljournal würde sich nie getrauen, etwas «Heisses» anzupacken.
    Darum erfährt man solche Dinge immer zuerst zB. im Tagesanzeiger oder einem anderen «auswärtigen» Medium.

  • am 29.09.2013 um 10:19 Uhr
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    Ich kann mich hier nur wieder mal widerholen: Wer will sich schon den vorverdauten, zensurierten, untereinander abgestimmten, mit den wirtschaftlichen Interessen der Grosskonzerne synchronisierten Brei in einen gesunden Menschenverstand reinsetzen lassen, welcher die Journalistische Elite der Schweizer Politikverbundenen zu bieten hat? Es erinnert mich an sektenhaftes, dogmatisches, raffiniert durchstrukturiertes Meinungs und Sichtweisenmarketing einer bürgerlichen Bourgeoisie, welcher hier bei der Meinungsmache noch ihre narzisstischen Bedürfnisse befriedigt. Sogar der Beobachter gleitet immer mehr ab in die falsche Richtung, die Weltwoche ging ja schon vor Jahren verloren, sie wechselte das Ufer zur rechten Seite, um überleben zu können. Ja kein heikles Thema berühren, ja nicht an die Wurzeln der sozialen Ungerechtigkeit und deren Ursachen Tasten. Das ist heute die Devise der Elitemeinungsmacher. Das Gute ist, dass dieses Schiff am sinken ist, rigoros und ohne Gnade, die Geschichte vergisst nichts. Die Alternativen, dem Infosperber und seinen Journalisten sei hier ebenso ein Kränzlein gewunden wie all den anderen privaten Organisationen und Personen, welche selber beobachten und differenzieren können, und auf Google, You-Tube, Facebook und auf eigenen Webseiten ihre Arbeiten präsentieren, dies sind zumeist grossartige Leistungen. Natürlich muss man dann selber mitdenken, aussortieren, was ist von Hand und Fuss, wo muss man zwischen den Zeilen lesen, der Leser, Konsument von Informationen, muss wieder lernen selber Verantwortung übernehmen, wenn er vielseitig, objektiv und gut informiert sein möchte. Mit freundlichen Grüssen und allen ein gutes Wochenende Beatus Gubler http://www.streetwork.ch Basel

  • am 30.09.2013 um 17:54 Uhr
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    Als ehemaliger Regionaljournalist verspüre ich bei solch exquisiten Runden in fetten Sesseln eine Zunahme des Speicheflusses aufgrund einer leichten Übelkeit. Egal ob SRF, AZ oder Tamedia: Alle bauen ab! Natürlich hätschelt SRF sein Radio-Flagschiff Echo der Zeit, der Abbau aber findet dort statt, wo die Leute wirklich hinhören, im Regionalen. Der Sonntag mag zwar das eine oder andere SRG-zitierbare Primeurli aus dem Inlandteil bringen, im Regionalen schauts mehr als düster aus. In einer gemütlichen Runde aber vom ach so wichtigen unabhängigen Journalismus zu reden, ist ein Hohn.

  • am 1.10.2013 um 08:50 Uhr
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    @Stefan Moser. Danke, welche erbaulichen Worte, sie sind ein Volltreffer. Und es ist nicht nur so im Nachrichtenwesen. Die zunehmende Ungerechtigkeit in allen Bereichen ist die Ursache für alle diese Lügereien, Vetternwirtschaft, Elitedenken, Wertezerfall, religiöser Wahn, Fundamentalismus, u.s.w. Unsere Demokratie wird ausgehöhlt von dem Wahngedanken, der Kapitalismus hätte gesiegt, es lebe der pure Materialismus. Der Arbeiter wird zu Tode gespart während die Elite in Gstaad, St. Moritz und Davos den Whisky in den Magen und das Kokain in die Nase ziehen. (Die höchsten Messwerte an Kokainrückständen sind in St. Moritz und Gstaad zu finden, in Gstaad sind 170 Privatflugzeuge immatrikuliert, die Bourgeoisie betreibt dort sogar einen eigenen Geheim und Sicherheitsdienst.) Über Lobbyisten werden Bundes und Nationalräte auf hörig getrimmt, mit Geschenken und Versprechungen. Die Gründer der einstigen Schweiz samt Jeremias Gotthelf drehen sich jeden Tag 20 mal im Grabe um ab dem Treiben hier in der Schweiz, dem Lande mit der höchsten Suizidrate. Was für eine Schande, wie die Reichen und Mächtigen auf die besten Werte spucken welche unsere Vorväter mit Blut und Schweiss erarbeitet haben. Es ist die Gewalt des missbrauchten Kapitals, Gewalt erzeugt Gewalt, irgendwann wird es, was zu befürchten ist, einen sozialen Aufstand geben welcher Grenzübergreifend hohe Verluste fordern wird. Und unsere 190 Verfassungsschützer in Bern schauen zu, es wird nichts unternommen, bis es knallt. Zum Glück haben wir keine Berufsarmee, denn die würde viel schneller auf Schweizer Bürger schiessen, wenn die Volkswut sich ihre Bahnen sucht. Schmerzhaft und traurig, was da passiert, noch schlimmer, dass es von niemandem gestoppt wird. Offenbar hat fast jeder seinen Preis, ist jeder, oder fast jeder, käuflich.

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