Sperberauge

SRG: SoZ verbreitet falsche Zahlen

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

upg /  Billige Stimmungsmache: Mit ihrer heutigen Roger-de-Weck-Schlagzeile lag die Sonntags-Zeitung daneben.

Die Sonntag-Zeitung hat sich einen Namen damit gemacht, häufig gut recherchierte Informationen zu veröffentlichen. Dieses Mal aber «enthüllte» die SoZ auf der Titelseite

und als Aufmacher im Inland, dass SRG-Direktor Roger de Weck im letzten Jahr eine «Gehaltserhöhung von 68’000 Franken» erhalten habe. «Die für nächste Woche geplante Bekanntgabe der…Gehaltserhöhungen der Geschäftsleitungsmitglieder fallen just in den Abstimmungskampf um das neue Radio- und TV-Gesetz», das die bisherige Billag-Gebühr durch eine für alle Haushalte etwas günstigere Sonderabgabe ersetzen will.
Weder Geschäftsbericht richtig gelesen noch Stellungnahme von de Weck eingeholt
Gerade während eines Abstimmungskampfes werden viele Gerüchte gestreut, was Medien zu einer besonders gründlichen Abklärung der Fakten veranlassen sollte.

  • Die Sonntags-Zeitung kolportierte aber die angeblich riesigen Gehaltserhöhungen des SRG-Generaldirektors und der ganzen SRG-Geschäftsleitung, ohne Roger de Weck oder die SRG-Medienstelle zu den «brisanten» Zahlen anzuhören und bei der SRG eine Stellungnahme einzuholen. Das jedenfalls gab die SRG am Sonntag Morgen bekannt. Die Sonntags-Zeitung bestreitet dies nicht.

Auch den SRG-Geschäftsbericht des Jahres 2014 hat der Redaktor der Sonntags-Zeitung offensichtlich nicht gelesen. Dort steht nämlich ausdrücklich, dass die Löhne der Geschäftsleitung «mit dem Vorjahr nicht vergleichbar» sind. Denn die SRG hat den Zahlungsmodus geändert. Neu wurde die variable Lohnkomponente von 2013 erst im Folgejahr 2014 ausbezahlt. Der SRG-Direktor verdiente 2014 eine halbe Million pro Jahr. Das waren 7000 Franken mehr als im Vorjahr. «Von seinem Amtsantritt 2011 bis 2014 ist sein Lohn um 3,1 Prozent gestiegen», schreibt die SRG.
Keine Vorschläge zur Finanzierung der welschen und Tessiner Programme
Wer das neue Gebührengesetz zum Anlass nehmen will, um die Einnahmen der SRG zu stutzen, soll gleichzeitig konkrete Vorschläge machen, wie künftig eigenständige französisch- und italienischsprachige TV- und Radioprogramme finanziert werden sollen. Wer dies nicht tut, wie kürzlich Tamedia-Verleger Pietro Supino (u.a. Sonntags-Zeitung) und sein Sprecher Christoph Zimmer, sowie am 25. April NZZ-Wirtschaftschef Peter A. Fischer,
unterschlägt die wichtigste Funktion der SRG in unserem Land, nämlich öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radioprogramme für diese sprachlichen Minderheiten zu ermöglichen.

Nach Angaben von SRG-Generaldirektor Roger de Weck nimmt die SRG 70 Prozent ihrer Gebühren-Einnahmen aus der deutschen Schweiz ein, die deutschsprachigen Programme erhalten jedoch nur 45 Prozent aller Gebühren-Einnahmen. Ein ähnliches Verhältnis gilt bei den Einnahmen aus der Werbung.
Mit mehr als der Hälfte aller Einnahmen ermöglicht die SRG die welschen, Tessiner und rhätoromanischen Programme.
Deshalb stellt sich für unsere föderalistische Schweiz die kapitale Frage, wer die lateinischsprachigen Programme finanzieren soll, wenn das Deutschschweizer Fernsehen

  • keine Werbeeinnahmen mehr hat (wie es Supino und Peter A. Fischer vorschlagen) und
  • dessen Programme erst noch beschränkt würden auf «Beiträge von staatspolitischer Bedeutung, die auf dem freien Markt nicht in gewünschtem Ausmass oder in der gewünschten Qualität angeboten werden» (Supino).

Von einem Gross-Verleger, und einem Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion, die sich mit dem «Service Public» befassen, sei zu erwarten, schrieb Infosperber, dass sie gleichzeitig Vorschläge machen, wie die Westschweizer und die Tessiner ihre Fernseh- und Radioprogramme finanzieren sollen:


  • Braucht es dann eine Vervielfachung der Gebühren?

  • Muten wir den andern Sprachregionen Programme zu, die direkt vom Staat mit Steuergeldern (mit-)finanziert sind?

  • Sollen sich Welsche und Tessiner künftig mit nur je einem Fernseh- und Radioprogramm zufrieden geben?


Antworten auf solche Fragen bergen Zündstoff. Ein Verleger und ein NZZ-Wirtschaftsredaktor sollten sich über die Folgen ihrer Vorschläge Gedanken machen und diese nicht einfach unter den Teppich kehren.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Zeitungen_1

Kritik von Zeitungsartikeln

Printmedien üben sich kaum mehr in gegenseitiger Blattkritik. Infosperber holt dies ab und zu nach.

SRG_Dossier

Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

11 Meinungen

  • am 26.04.2015 um 20:24 Uhr
    Permalink

    na ja, ich würde erst mal die Fakten checken bevor man uns falsche Zahlen vorwirft. 560 000 Franken wird im Geschäftsbericht zu lesen sein. Letztes Jahr war die Zahl 68 000 Franken tiefer.
    Beste Grüsse Arthur Rutishauser

  • am 26.04.2015 um 20:51 Uhr
    Permalink

    Das haben wir gemacht. Ihre zitierten Zahlen aus dem Geschäftsbericht sind zwar korrekt. Nur steht im Geschäftsbericht, dass die Zahlen von 2013 und 2014 und früher nicht vergleichbar sind, weil der Auszahlungsmodus in den letzten Jahren stufenweise geändert wurde. Bei Vorjahresvergleichen ist stets zu prüfen, ob die Kriterien der Erfassung geändert haben, wie dies hier der Fall ist. Doch selbst nach den von Ihnen aus den Geschäftsberichten zitierten Zahlen wurden Herrn de Weck im Jahr 2014 nur 3,1 Prozent mehr Gehalt ausbezahlt als im Jahr 2011. Von einer «Gehaltserhöhung von 68’000 Franken» im letzten Jahr zu schreiben, scheint uns ein Irreführung zu sein.

  • am 26.04.2015 um 20:59 Uhr
    Permalink

    Dass die Tamedia-Produkte mittlerweile nur noch Propaganda betreiben, kann man auch an den zahlreichen Artikeln von 20Minuten ablesen, die obendrein noch durch die Schreibwerkstätten der Rechtsbürgerlichen beherrscht werden – z.B. hier:
    http://www.20min.ch/schweiz/news/story/-Warum-Billag–aber-keine-Zeitungssteuer—17600004

    Die Stossrichtung hat Herr Supino in einem NZZ-Beitrag vorgegeben: «Die Expansion der SRG einschränken». Dazu sind ihm offensichtlich alle Mittel der Diffamierung und Manipulation recht.

  • am 26.04.2015 um 21:09 Uhr
    Permalink

    Na ja, entweder wurde der Lohn letztes Jahr 60 000 Franken zu tief ausgewiesen, und zwar ohne irgendwelche Hinweise im Geschäftsbericht, oder die Differenz ist in diesem Jahr entstanden. Ich gehe davon aus dass die Zahlen im Geschäftsbericht stimmen. Wenn die Methode geändert wird muss das ausgewiesen und die Differenz offen gelegt werden. Alles andere ist manipulativ. Danach messen wir alle, ob Banken, Swissair oder SRG.

  • am 27.04.2015 um 11:02 Uhr
    Permalink

    «Ohne Hinweise im Geschäftsbericht» stimmt nicht. In dem von der Sonntags-Zeitung zitierten Geschäftsbericht 2014 steht in der Lohntabelle hinter dem variablen Lohnanteil und hinter dem Totallohn des Generaldirektors ein Stern *.
    Der Fussnotentext zum *-Hinweis lautet: «Mit dem Vorjahr nicht vergleichbar, da geänderter Zahlungsmodus (Laufjahr statt Vorjahr)».

  • am 27.04.2015 um 11:52 Uhr
    Permalink

    Na ja, mit dem letztjährigen Geschäftsbericht ist 2013 gemeint. Und da stand als Total folgendes: 492 000 Franken, verglichen mit 510 000 Franken im Vorjahr. Das ohne jede Einschränkung (http://gb.srgssr.ch/archiv/typo3temp/pics/index1adc.html?eID=tx_cms_showpic&file=fileadmin%2Fgb2013%2Ftab-verguetungen-d.png&md5=d31f4eedef178046f0d6e34e0637fceb6459cc00). Nun sagt die SRG auf Anfrage, der Bezug 2013 seien eigentlich 553 000 Franken gewesen. Wie das geht ist mir sowieso schleierhaft, aber wenn schon hätte man es ausweisen müssen. Das wurde aber nicht gemacht und das ist meiner Ansicht nach manipulativ.

  • am 27.04.2015 um 14:24 Uhr
    Permalink

    @Rutishauser. Ich möchte nicht einfach recht haben. Aber bedenken Sie folgendes: Die Sonntags-Zeitung hat die Gehaltszahlungen von 2014 mit denen von 2013 verglichen. Also ist der Geschäftsbericht von 2014 massgebend. Dort steht unter * «Mit dem Vorjahr nicht vergleichbar, da geänderter Zahlungsmodus (Laufjahr statt Vorjahr)». Im dem von Ihnen zitierten Geschäftsbericht 2013 fehlt eine solche Fussnote, weil die Zahlen von 2013 mit denen von 2012 vergleichbar waren. Dagegen gibt es einen solchen Sternvermerk auch im Geschäftsbericht 2012, laut dem Roger de Weck im 2012 happige 33’000 Franken weniger verdient hat als im 2011. Die Erklärung in der Fussnote hiess: ««Der Rückgang beim Leistungsanteil des Generaldirektors ist auf einen neuen Führungsprozess in der SRG zurückzuführen: Im Dezember wird nur ein Teil der Leistungskomponente ausbezahlt. Danach folgt Anfang Jahr die Leistungsbeurteilung über das abgeschlossene Jahr; gestützt auf diese Beurteilung wird im Frühling dann der Restbetrag ausbezahlt.» Es scheint also ersichtlich zu sein, dass die veröffentlichten Gehaltszahlen der Jahre 2014 und 2012 nicht mit denen des jeweiligen Vorjahres vergleichbar waren. Die SRG hat die statistische Grundlage geändert und dies auch vermerkt.

  • am 27.04.2015 um 14:34 Uhr
    Permalink

    na ja, Rechthaberei mag ich auch nicht. Aber warum schreibt man das alles denn nicht einfach hin? Und wo sind denn die offenbar doch ausbezahlten 553000 Franken (61000 Franken mehr als ausgewiesen) für 2013 vermerkt? Ausbezahlt ist schliesslich ausbezahlt, statistische Grundlage (Ausrede) hin oder her. So etwas habe ich noch nie gesehen.

  • am 28.04.2015 um 00:12 Uhr
    Permalink

    Na ja.
    Einfach dass das auch noch gesagt ist. 🙂

  • am 28.04.2015 um 16:43 Uhr
    Permalink

    @Arthur Rutishauser. Die falsche Aussage in der SoZ und die ganze darauf folgende Diskussion hätte man sich sparen können wenn man sich vorher bei der SRG schlau gemacht hätte. Aber dann wäre der auflagewirksame Artikel und die Schlagzeile weit weniger brisant gewesen.

  • am 29.04.2015 um 09:36 Uhr
    Permalink

    Brisante Schlagzeilen hin oder her, eine halbe Million Lohn um einen Volksauftrag zu erfüllen, mit unseren (Steuer-oder-Gebühren-) Gelder, ist schon ein bisschen daneben. Einen Service Public sollte eigentlich Staatlich geregelt sein.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...