Kommentar

Sexistische Prüderie auf SRF TV

Niklaus Ramseyer ©

Niklaus Ramseyer /  Die Film-Sendung «BoxOffice» zeigt Geschlechtsteile von Frauen, verdeckt aber jene von Männern.

Es geschah im TV-Beitrag über Ulrich Seidls Film «Paradies Liebe», der die traurige Komik europäischer Sex-Touristinnen in Afrika zum Thema hat. Das ist kein Sex- oder gar Pornofilm, sondern ein sorgfältig und schön gemachtes Halb-Dokument, in dem die Akteure mitunter sich selber spielen. Und natürlich kommen dem Thema entsprechend darin nackte Leute vor. Auch in den Filmausschnitten, die SRF TV zeigte: Zunächst die Hauptdarstellerin, die sehr malerisch splitternackt auf einem Bett liegt. Und dann ihr schwarzer Liebhaber, der rauchend auf einem Sofa sitzt.
SRF «Zensur» statt «Kultur»
Doch dort, wo im Film auf der Leinwand unauffällig aber deutlich der Penis des Mannes über den Rand des Sofas herabhängt, prangt im Schweizer TV plötzlich ein Zensur-Schildchen «Box Office SFR Kultur». Ehrlicher wäre gewesen: «SRF Prüderie» oder «SRF Zensur». Oder noch besser: Die Sitten-Wächter unseres Gebühren-Fernsehens hätten über das «Pfeifchen» des Mannes eine Schiedsrichter-Pfeife montieren können. Aber dann bitte auch gleich bei der nackten Frau in der Szene vorher: Sonst haben wir es wohl nicht nur mit einem peinlichen Fall von Prüderie zu tun, sondern auch noch mit üblem Sexismus. Oder sogar mit Rassismus? Der Geschlechtsteil eines schwarzen Mannes ist schockierend, darum sofort TV-Logo drüber, wohingegen er bei der weissen Frau kein Problem ist.

Eine solche Pfeife haben die Verantwortlichen gemäss Abspann der Sendung, Sybille Meier und Achim Podak, im Studio ohnehin vorrätig: Sie erklang jedenfalls, als später im Beitrag über den Film «Die Vermessung der Welt» (Es geht darin um die Gelehrten Humboldt und Gauss) eine Kritikerin sagte: Der Film habe ihr vor allem gezeigt, dass die beiden Berühmtheiten ziemlich «asoziale Arschlöcher» gewesen seien. Doch statt «Arschlöcher» sagte die arme Frau «Piiiip-Löcher».

Peinlicher Unfug aus USA importiert
Jeder Kindergärtler weiss natürlich, was die Frau statt dem blödsinnigen «Piiip» wirklich gesagt hat. Wie ja auch jede Kindergärtlerin genau weiss, was die bigotten TV-Macher hinter ihrem Logo beim nackten Mann verstecken wollten. Aber Podak, der aus Deutschland kommt, hat offenbar noch nicht gemerkt, dass er auf SRF TV nicht dem US-Publikum Filme zeigt, sondern uns hier in der Schweiz. Und da dürfen Fachleute im Fernsehen immer noch so reden, wie ihnen daheim der «Piiiip» (hier sollte – Tschuldigung! – «Schnabel» stehen) gewachsen ist.

Nur wenig später ging im selben BoxOffice jedenfalls das Wort «Füdle-Tätsch» über den Sender, ohne dass im Studio eine Pfeife erschallt wäre: So ein gruusiges Wort – und erst noch in der üblen Mundart! Hat da Podak nicht gemerkt, dass bei uns Piiip (Füdle) genau dasselbe ist, wie bei ihm draussen Piiip (Arsch)?

Sollte es indes so sein, dass Podak gar nichts dafür kann, weil es im SRF-TV jetzt ein «Arschloch-Reglement» (in jedem Sinne) gegen wüste Wörtlein im Fernsehen gibt, hätten wir diese Vorschrift dann gerne mitsamt eingehender Begründung dafür eingesehen. Sicher ist hingegen, dass es hierzulande kein Sittenwächtergesetz gibt, das den Leuten verbietet so zu reden, wie sie es gelernt haben und gewohnt sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

srf_nur_logo11

Kritik von TV-Sendungen

Fehler passieren überall. Beim nationalen Fernseh-Sender sind sie besonders ärgerlich. Lob und Tadel.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.