InseratMengisAusschnitt

Ausschnitt aus dem Mengis-Inserat im «Walliser Boten» vom 5. Juli 2012 © -

Peter Studer im Radio DRS 4: «Der krasseste Fall»

Kurt Marti /  Der Geschäftsführer von «Mengis Medien» hält den Infosperber-Artikel zum Skandal-Inserat für «bösartig inszeniert».

Fünf Wochen lang interessierte sich keine Redaktion und kein Journalist für das Skandal-Inserat des Mengis-Verlages, welcher den «Walliser Boten» herausgibt. Offenbar störte sich niemand daran, dass hier ein Verleger seine «Autoren und Redaktoren» ganz offen den «namhaften Kunden und Personen» für Werbung und PR feilbot. Dann erschien auf Infosperber ein Artikel darüber, welcher im Internet auf grosses Interesse stiess. Darauf herrschte in den Printmedien fast eine Woche lang Schweigen. Einzig «DRS 4 News» und das Online-Portal «persönlich.com» griffen die Geschichte auf. Und gestern meldete sich auch der «Tagesanzeiger» und der «Bund» mit einem Kommentar.

«Verleger und Chefredaktor sind noch stolz darauf»

DRS 4 sendete ein aufschlussreiches Interview mit dem Medienrechtler Peter Studer, welcher das Mengis-Inserat schon auf Infosperber als «skandalös» bezeichnet hatte. Im DRS 4-Interview doppelte Studer nach: «Es ist der krasseste Fall, der mir bis jetzt begegnet ist, nämlich dass ein Verleger und ein Chefredaktor auf einer Inserat-Seite diese Vermischung von Journalismus und Werbung geradezu anbieten und noch stolz darauf sind.»

Gegenüber persönlich.com, dem Online-Portal der Schweizer Kommunikationswirtschaft, behauptete «Mengis Medien»-Geschäftsführer Kurt Hasen: «Unsere Journalisten vom Walliser Boten (WB) sind jederzeit unabhängig und haben keine Aufträge von Werbekunden oder Unternehmen der Wirtschaft, Verbänden oder anderweitigen Institutionen.» Hasen bezeichnete gegenüber persönlich.com den Infosperber-Artikel als «bösartig inszeniert» und «jeglicher Objektivität» entbehrend.

Nota bene nachdem die Verantwortlichen der «Mengis Medien» und des «Walliser Boten» (WB) eine Stellungnahme gegenüber Infosperber ausdrücklich verweigert hatten. Dazu WB-Chefredaktor Thomas Rieder wörtlich: «Ich sehe keinen Anlass, ihnen gegenüber in dieser Sache Stellung zu beziehen.» Obwohl auch der Verleger Nicolas Mengis und der Geschäftsführer Kurt Hasen eine Kopie des Infosperber-Mails erhielten und auch den Mail-Eingang bestätigt hatten, fanden auch sie eine Stellungnahme zu ihrem «skandalösen Inserat» (Peter Studer) für überflüssig.

Volontär bei der NZZ und bei der Economiesuisse

Gestern erschien ein Kommentar von Jean-Martin Büttner im «Tagesanzeiger» und im «Bund». Neben dem Mengis-Inserat verwies Büttner auch auf ein Inserat der NZZ, welche einen «Volontär Wirtschaft» für den Einsatz von je sechs Monaten auf der Wirtschaftsredaktion der Zeitung und in der Kommunikationsabteilung von Economiesuisse, dem Wirtschaftsdachverband, suchte. Die beiden Beispiele seien zwar «empörend, aber nicht erstaunlich». In Zeiten, wo Journalisten und Werber gemeinsam ausgebildet würden, wo Leiter von Journalistenschulen Medientrainings an Führungskräfte verabreichten, wo Journalisten Prominente betreuten, seien «Rapportierjournalisten» ökonomisch.

Presserat will nicht von sich aus aktiv werden

Der Schweizer Presserat setzt sich zum Ziel, die Pressefreiheit zu verteidigen. Gemäss Geschäftsreglement kann er nicht nur auf Beschwerde hin, sondern auch «von sich aus» Stellung nehmen. Infosperber hat den Presserat per Mail auf das Mengis-Inserat aufmerksam gemacht und ermuntert, von sich aus Stellung zu nehmen. Darauf erklärte der Presserats-Sekretär Martin Künzi, «dass der Presserat nicht auf blosse Anzeige hin tätig wird». Dazu sei eine schriftliche Beschwerde samt Begründung und Unterlagen an den Presserat notwendig. Von sich aus werde der Presserat «nur ganz ausnahmsweise» in konkreten Einzelfällen aktiv. Am ehesten noch, wenn es um generelle Themen/Medienentwicklungen gehe.

«Unzumutbarer Widerspruch zu den berufsethischen Regeln»

Um grundsätzliche Fragen geht es nach Ansicht der Mediengewerkschaft «syndicom». Zentralsekretärin Stephanie Vonarburg: «Dieses Inserat verletzt das journalistische Berufsverständnis aufs krasseste.» BR-Journalistinnen und –Journalisten hätten sich schriftlich zur Einhaltung der berufsethischen Richtlinien des Presserats-Kodex verpflichtet, betont Vonarburg. Und dieser Kodex verbiete die Vermischung von PR und Journalismus. Der Aufruf des Mengis-Verlags bringe Journalistinnen und Journalisten in einen unlösbaren und unzumutbaren Widerspruch zu den berufsethischen Regeln. «Das kommt einer Persönlichkeitsverletzung gleich», gibt die Zentralsekretärin zu bedenken.

Vom Journalisten-Verband «impressum» ist auf Anfrage von Infosperber innert dreier Tage keine Stellungnahme eingetroffen.


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Redaktor der Roten Anneliese 2000 - 2010

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 20.08.2012 um 09:30 Uhr
    Permalink

    Die Nicht-Stellungnahme des Presserats ist nicht nachvollziehbar. Noch nie gab es eine Phase, in der sich die Medien in so kurzer Zeit so grundlegend verändert haben, mit allen positiven aber auch negativen Begleiterscheinungen, und der Presserat findet es nicht nötig, seine Praxis der rasanten Entwicklung anzupassen. Wenn das Gremium nicht als zahnlose Wohlfühl-Institution fürs Gemüt wahrgenommen werden will – wenn der Presserat überhaupt noch wahrgenommen werden will – sollte er dringend über die Bücher.

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