Kommentar

Mein Tröhler-Velo und ich im Tages-Anzeiger

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Warum der nachfolgende Text Ihnen bekannt vorkommt und warum er trotzdem nie im «Tages-Anzeiger» erscheinen wird.

»Ich bin kein Velofan. Mein bisheriges Velo fuhr ich 16 Jahre lang, und ich liebte meinen Fuchs inniglich, weil ich auf dem schönsten Velo der Schweiz sitzen durfte. Als ich mich langsam nach einem Nachfolger umzuschauen begann, flüsterte mir mein Sohn das Wort Tröhler ins Ohr. Dann stand das Modell S vor der Tür, ein wunderschönes, wenn auch etwas gar leichtes Fahrrad. Die mühelose Beschleunigungsleistung in weniger als 5 Sekunden auf 20 Stundenkilometer ist für mich eine Versicherung für heikle Situationen.»

Nein, den obigen Text haben Sie nirgends gelesen. Aber Leserinnen des Zürcher «Tages-Anzeigers» (TA) mag er trotzdem bekannt vorkommen. Sie müssen bloss das Wort «Velo» mit «Auto» ersetzen, die Marke «Fuchs» mit «Jaguar», den Namen «Tröhler» durch «Tesla», die Zahl «20» durch «100» und mein «leichtes Fahrrad», das der Velohändler Tröhler in Fehraltorf montierte, durch die «grosse Limousine». Dann kommen Sie auf die Original-Sätze, mit denen der Journalist Roger Schwawinski im TA vom 13. September unter dem Titel «Mein Tesla und ich» für die Automarken Jaguar und Tesla warb.

Es ist nicht neu, dass Journalisten Werbetexte schreiben, die dem Verkehrsmittel Auto ebenso huldigen wie einem Ball- und Steuerkünstler aus Wollerau. Neu aber ist, dass der TA Schawinskis Artikel nicht in der Rubrik Auto oder Sport abdruckte, sondern auf der Seite «Analyse». Denn hier erwartet man gemeinhin nicht PR, sondern journalistische Analysen. ***

Nun mag man einwenden, diese spezielle «Analyse» werbe für einen guten Zweck. Denn es ist nicht Benzin, das den Tesla so flott beschleunigt, sondern Elektrizität. Man mag Schawinski auch glauben, wenn er schreibt: «Nun produziere ich den Strom für meinen Tesla mit einer eigenen Fotovoltaikanlage.»

Den scheinbar guten Zweck anerkennt sogar der Staat. Denn die USA subventionieren den Tesla mit Staatsbeiträgen, und die Schweiz subventioniert Solarstrom über eine Abgabe, die sie dem ebenfalls subventionierten Atom- und Kohlestrom abzwackt. Als subventionierter Millionär kann Schawinski darum doppelt jubeln: «Ich erfülle so einen Menschheitstraum, nämlich mit Sonnenenergie und völlig schadstofffrei Auto fahren zu können.» Und am Schluss seines Werbespots schreibt er: «Als einer der ersten Besitzer eines Tesla S in der Schweiz fühle ich mich wieder einmal total privilegiert.»

Der Schlusssatz mag zutreffen. Den «Menschheitstraum» hingegen gilt es zu relativieren. Denn um den 2,108 Tonnen schweren Tesla S samt 70 Kilo schwerem Fahrer von Zürich nach Genf oder Mailand zu transportieren, frisst der Elektromotor 85 Kilowattstunden hochwertigen Strom. Dieser Solarstrom fehlt tagsüber im Elektrizitätsnetz, um subventionierten Kohle- und Atomstrom zu ersetzen. Mit den Subventionen, die ein Solarstrom-Produzent aus dem ins Netz eingespeisten Solarstrom erhält, könnte er beim nicht subventionierten Velohändler Tröhler ein zehn Kilo leichtes Fahrrad kaufen – und mit 5 kWh körpereigener Energie zum Beispiel von Zürich nach Genf pedalen.

Die Sache hat nur einen Haken: Die Hymne auf das «wunderschöne leichte» Fahrrad würde der «Tages-Anzeiger» kaum drucken. Denn im Unterschied zu Tesla haben Tröhler und andere Velohändler weder den Gang an die Börse geschafft noch sind sie potenzielle Grossinserenten.

*** Der gleiche Text von Roger Schawinski erschien gleichentags auch im «Bund», dort auf der Seite «Meinungen». Siehe unten, als pdf abrufbar.


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3 Meinungen

  • am 16.09.2013 um 07:35 Uhr
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    Wenn schon Auto gefahren wird ist es gescheiter mit einem Auto unterwegs zu sein das mit erneuerbarer Energie betrieben wird. Offensichtlich speist Schwainski seinen Wagen mit selbst produziertem Solarstrom – also erneuerbar. Dass das Auto hochwertigen Strom frisst ist auch klar.
    In Dänemark sind Projekte im gang, die mit überschüssigem Nachtstrom aus Windkraftwerken auf dem Meer Batterien laden. Und Dänemark treibt sehr stark die Elektromobilität voran. Da viele kaum von ihrer Automobilität abkommen werden, ist es auf jeden Fall sinnvoller mit Strom zu fahren. Es muss jedoch Strom aus erneuerbaren Quellen sein!
    Dass der Tesla noch über 2 Tonnen wiegt liegt an den noch zu wenig effizienten Batterien – dies wird sich aber auch ändern. Lange, zu lange wurde die Forschung im Bereich effizienter Batterien nicht richtig vorangetrieben. Die Autoindustrie wollte nichts von effizienten Autos (man erinnere sich an die ursprüngliche, von der Ingenieurschule Biel entwickelte Idee- ein Motörchen pro Rad, für den Smart) – schon gar nicht von Elektroautos wissen und wurde nun durch Tesla mit einem Auto, das auch eine ansprechende Reichweite hat, dazu quasi genötigt.
    Wie Hanspeter Guggenbühl weiss, bin auch ich ein Anhänger der leichten Fahrräder – begrüsse aber die Entwicklung von Autos mit erneuerbarem «Treibstoff"…:-)

  • am 16.09.2013 um 14:34 Uhr
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    Lieber Herr Dietschi,Mobilität mit Hilfe erneuerbarer Energie weiter zu entwickeln ist wunderbar.Die Medien sollen uns darüber informieren.Ein Herr R.Schawinsky hat mal von einem Hansheiri Coninx für ein Medium 99 Mio Sfr. kassiert.(Ich glaube der Hansheiri hat dann das Medium i Ghüder gschmisse).Die 99 Mio wurden aber angelegt,von einem Bankier namens Pietro Supino.Wenn Schawinsky Raum in einem Medium eingeräumt wird,soll er gefälligst darüber berichten,wo er investiert hat und was Heute aus seinen Moneten geworden ist.
    Andernfalls lese ich von diesem Kerl keine Zeile.Könnte ja sein das er einen Dummen für seine Teslapapiere sucht? Mich treibt natürlich nur purer Neid zum Schreiben,würde lieber Tesla fahren!

  • am 17.09.2013 um 13:50 Uhr
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    Von 1985 gab es in der Schweiz etwa 10 Jahre lang die Tour de Sol, wo die Fahrzeuge etwa 10x weniger wogen als der Tesla und die besten ähnliche Fahrleistungen aufwiesen, wenigstens abseits der Autobahn oder auf kürzeren Strecken – oder langsamer alleine mit der Sonne. Und zwar mit gewöhnlichen Akkus. Die Fahrzeuge waren effizient, gerade weil die Akkus schlecht waren.
    Aber kaum jemand wollte sie produzieren oder kaufen, als Erbe bleiben praktisch nur die Zweiräder, die langsam populär werden.
    Der Tesla ist leider ein richtiges Auto mit fast sämtlichen Nachteilen ausser der unmittelbaren Abgase, zu schwer, zu schnell, zu ineffizient, zu gefährlich, zu teuer, und dehalb – leider – geeignet als Statussysmbol und für Artikel in den vom Autogewerbe abhängigen Medien. Hoffen wir zumindest, dass in dessen Sog elektrische Leichtmobile vermehrt beachtet werden.

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